Verheerende "Hexenjagd" der Türkei 348 Medienleute sitzen weltweit in Haft
13.12.2016, 13:14 Uhr
Prozesse wie der gegen Cumhuriyet-Herausgeber Can Dundar sind in der Türkei nur die Spitze des Eisbergs.
(Foto: dpa)
"Reporter ohne Grenzen" zieht für 2016 eine verheerende Bilanz zur Pressefreiheit. 187 professionelle Journalisten sitzen weltweit in Haft - über 100 entfallen auf die Türkei. Die NGO spricht von einer "Hexenjagd", die alle bekannten Grenzen sprenge.
Die Zahl der Medienschaffenden, die wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen, ist 2016 im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gestiegen. Das geht aus dem ersten Teil der Jahresbilanz der Pressefreiheit hervor, die "Reporter ohne Grenzen" (ROG) in Berlin veröffentlichte.
Demnach saßen zum Stichtag am 1. Dezember weltweit mindestens 348 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Darunter seien neben 187 professionellen Journalisten auch 146 Blogger und Bürgerjournalisten sowie 15 sonstige Medienmitarbeiter. Entführt seien derzeit 52 Medienschaffende. Im Vorjahr waren zum Stichtag mindestens 328 inhaftiert und 54 entführt.
"Hexenjagd gegen Journalisten"
Grund für den Anstieg ist nach Einschätzung der Nichtregierungsorganisation auch die Repressionswelle seit dem Putschversuch in der Türkei. "Die Hexenjagd gegen Journalisten in der Türkei sprengt alle bekannten Dimensionen", sagte ROG-Vorstandssprecherin Britta Hilpert. Weit über 100 Journalisten säßen derzeit in türkischen Gefängnissen, mehr als in jedem anderen Land. Bei 41 von ihnen ist laut ROG ein Zusammenhang der Haft mit ihrer journalistischen Tätigkeit eindeutig, bei Dutzenden weiteren sei er nicht auszuschließen. Oft erführen selbst die Verhafteten und ihre Anwälte über längere Zeit nicht, was genau die Justiz ihnen zur Last lege.
Daneben sei China das Land mit den meisten Medienschaffenden, die wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Derzeit sind es nach Angaben von ROG mindestens 103, darunter 81 Blogger und Bürgerjournalisten. In Ägypten seien mindestens 27 Journalisten wegen ihrer Arbeit in Haft. Das Regime von Präsident Abdelfattah al-Sisi gehe gnadenlos gegen jeden vor, der verdächtigt wird, in Kontakt zur Muslimbruderschaft zu stehen.
In Syrien sitzen laut ROG mindestens 28 Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeiter wegen ihrer Arbeit in den Gefängnissen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Auch ihre Kollegen im Iran würden ausspioniert, verfolgt, verhört und unter oft erbärmlichen Haftbedingungen eingesperrt. Mindestens 24 säßen dort wegen ihrer Tätigkeit im Gefängnis.
Ruf nach UN-Sonderbeauftragten
Die 52 entführten Medienschaffen werden nach Angaben von ROG ausnahmslos in Syrien, im Jemen oder im Irak festgehalten. 21 von ihnen befänden sich in der Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Allein in der Millionenstadt Mossul im Irak hielten IS-Kämpfer seit fast zwei Jahren zehn Journalisten und Medienmitarbeiter in ihrer Gewalt. Mindestens 15 weitere sind Geiseln der Huthi-Rebellen im Jemen.
Um die Verantwortlichen für solche Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, wirbt "Reporter ohne Grenzen" nach eigenen Angaben bei den Vereinten Nationen (UN) intensiv für die Einsetzung eines UN-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten. Den zweiten Teil der Jahresbilanz der Pressefreiheit mit den Zahlen getöteter Journalisten sowie den gefährlichsten Regionen für Reporter veröffentlicht Reporter ohne Grenzen am 19. Dezember.
Quelle: ntv.de, jgu/epd