Panetta sieht Ende des Regimes "Aleppo ist Assads Sargnagel"
30.07.2012, 08:02 Uhr
Der Krieg in Syrien spitzt sich zu: In der Schlacht um Aleppo reiben sich Regierungstruppen und Aufständische auf, ohne dass es zu nennenswerten Gebietsgewinnen kommt. Die Gefechte sorgen für eine neue humanitäre Notsituation, rund 200.000 Menschen fliehen. Indessen sagen die USA das baldige Ende des Assad-Regimes voraus.
Die USA versuchen, aus der Ferne am ersehnten Ende des Regimes von Syriens Präsident Baschar al-Assad mitzuwirken. Laut US-Verteidigungsminister Leon Panetta sei der Sturm der Regierungstruppen auf die nordwestsyrische Großstadt Aleppo der "Sargnagel" für Assad. Aleppo sei ein neues "tragisches Beispiel" für die "blinde Gewalt", die Assads Regierung gegen das eigene Volk richte, sagte Panetta während eines Flugs nach Tunesien.
Assad habe jegliche Legitimität verloren, fügte der Pentagonchef hinzu. Je mehr Gewalt er anwende, desto mehr stelle er sicher, dass "das Regime seinem Ende zugeht". Die Frage sei nicht mehr, ob Assad stürze, sondern wann, sagte Panetta weiter. Die USA und die internationale Gemeinschaft übten diplomatischen und wirtschaftlichen Druck aus, um die Gewalt zu beenden, Assad zum Rücktritt zu zwingen und den Übergang zu einer demokratischen Regierungsform zu ermöglichen.
Besonderes Augenmerk liege auf der Sicherheit der syrischen Lager mit chemischen und biologischen Waffen, sagte der Verteidigungsminister. Dabei arbeite Washington "eng mit den Ländern der Region" zusammen.
Frankreich will indessen eine neue Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats anstrengen. Paris werde noch vor Ende der Woche den Antrag stellen, dass das Gremium möglichst auf Ministerebene zusammenkomme, sagte Außenminister Laurent Fabius dem Radiosender RTL. Der Rat, in dem Frankreich turnusgemäß den Vorsitz übernimmt, müsse "alles unternehmen", um die Gewalt in Syrien zu stoppen, fügte Fabius mit Blick auf China und Russland hinzu, die Sanktionen gegen Staatschef Baschar al-Assad seit Monaten blockieren.
Flüchtlingen fehlt es am Nötigsten
Derweil haben sich die Vereinten Nationen mit einem Appell an die Konfliktparteien in Syrien gewandt. Die Organisation rief dazu auf, Zivilisten zu schonen. Rotem Kreuz und Rotem Halbmond zufolge ist die humanitäre Lage dramatisch: Rund 200.000 Menschen seien in den vergangenen Tagen vor den Gefechten um Aleppo geflohen. Amos sagte dazu: "Niemand weiß, wie viele Menschen an Orten gefangen sind, an denen die Kämpfe heute weitergehen."
Sie forderte die Konfliktparteien auf, "Hilfsorganisationen sicheren Zugang zu erlauben, um dringend benötigte und lebensrettende Hilfe zu den Menschen zu bringen, die von den Kämpfen eingeschlossen sind". Viele Flüchtlinge hätten Zuflucht in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden in sichereren Gegenden gesucht. "Sie brauchen dringend Lebensmittel, Matratzen, Decken, Hygieneartikel und Trinkwasser", so Amos weiter.
Die Regierungstruppen hatten am Wochenende eine Offensive gegen die Aufständischen in Aleppo begonnen. Unterstützt von Kampfflugzeugen, Hubschraubern und schwerer Artillerie rückten Panzer und Soldaten gegen Stellungen der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) vor. Auch zu Wochenbeginn hielten die Kämpfe an. Vor allem im südwestlichen Viertel Salaheddin, einem der wichtigsten Stützpunkte der FSA, kam es zu heftigen Bombenangriffen durch das Assad-Regime. Im Gegenzug beschossen die Aufständischen ein Gebäude des syrischen Geheimdienstes.
Iran steht zu Assad
Die Syrischen Menschenrechtsbeobachter in London sprachen von den schwersten Kämpfen seit Beginn der Revolte gegen Assad im März 2011. Größere Gebietsgewinne blieben bislang aber aus. Dennoch zeigte sich das Regime zuversichtlich, die Rebellen zu vertreiben. "Sie wurden in Damaskus besiegt und sie werden in Aleppo besiegt werden", sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallim bei einem Besuch in der iranischen Hauptstadt Teheran. Zugleich sprach er von einer globalen Verschwörung gegen sein Land, mit Israel als "Drahtzieher und führendem Provokateur".
Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi pflichtete seinem Gast bei. Die ausländischen Unterstützer der Rebellen, darunter Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, sollten nicht naiv sein und glauben, dass ein Regimewechsel in Syrien einfach zu erreichen sei. Der Iran ist der treueste Unterstützer des Assad-Regimes.
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, bezeichnete das Blutvergießen in Syrien als Kriegsverbrechen. "Was in Syrien stattfindet, vor allem in der Stadt Aleppo, ist gleichbedeutend mit Kriegsverbrechen", zitierte ihn die ägyptische Nachrichtenagentur Mena.
Staatsfernsehen spricht von "Säuberungen"
Landesweit kamen am Sonntag nach Angaben von Aktivisten in Syrien 95 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen in Aleppo, den Vororten von Damaskus und in der südlichen Provinz Daraa, wo in der Ortschaft Scheich Meskin mindestens 30 Menschen hingemetzelt worden sein sollen. Ihre Leichen seien verbrannt worden, berichteten Aktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war nicht möglich.
Unterdessen kündigte der oppositionelle Syrische Nationalrat Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung an. Ein erstes Treffen sei für diesen Dienstag in Kairo geplant, sagte Nationalratsmitglied Halit Hoca. Ziel sei es, außerhalb Syriens eine Regierung zu bilden in Opposition zu dem Regime von Präsident Baschar al-Assad.
Die Regimetruppen griffen die FSA-Stellungen das ganze Wochenende über in mehreren Bezirken Aleppos an. Dabei kamen auch Raketenwerfer und von Hubschraubern abgesetzte Luftlandetruppen zum Einsatz. Das staatliche syrische Fernsehen sprach von einer großangelegten "Operation zur Säuberung Aleppos von bewaffneten terroristischen Gruppen".
FSA-Kommandos waren vor etwas mehr als einer Woche erstmals in Aleppo eingerückt. Die Geschäftsmetropole im Norden Syriens ist nur 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Die Aufständischen hatten mehrere Stadtbezirke, aber auch das Gebiet bis zur türkischen Grenze unter ihre Kontrolle gebracht. Wegen der strategischen Bedeutung der Großstadt liegt dem Regime in Damaskus viel daran, die Rebellen von dort zu vertreiben. In den vergangenen Tagen hatte es Tausende Soldaten aus anderen Landesteilen zusammengezogen und vor Aleppo in Stellung gebracht.
Quelle: ntv.de, jog/rts/dpa/AFP