Erklärung erwartet Alles blickt auf Gauck
06.06.2016, 08:39 Uhr
Er wird wohl gehen: Bundespräsident Gauck verzichtet offenbar auf eine zweite Amtszeit.
(Foto: dpa)
Noch ist offiziell unklar, ob sich Bundespräsident Gauck zu einer zweiten Amtszeit durchringen kann. Tatsächlich aber scheint es nur noch um den Termin seiner Verzichtserklärung zu gehen. Längst haben die Positionierungskämpfe begonnen.
Bundespräsident Joachim Gauck will sich einem Medienbericht zufolge noch im Tagesverlauf zu seiner politischen Zukunft äußern. Er werde dann im Schloss Bellevue die Öffentlichkeit darüber informieren, ob er für eine zweite Amtszeit zur Verfügung stehe, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" online ohne Angabe von Quellen. Es sei damit zu rechnen, dass er auf eine erneute Kandidatur als Staatsoberhaupt verzichte, obwohl sich die Parteispitzen der großen Koalition wie auch der Grünen eine zweite Amtszeit gewünscht hätten.
Andere Medien berichten jedoch, dass der 76-jährige parteilose Ex-Pastor und DDR-Bürgerrechtler erst am Abend zunächst Kanzlerin Angela Merkel seine Beweggründe erläutern wolle und dann am Dienstag der Öffentlichkeit informieren werde. Die "Bild" hatte am Wochenende berichtet, dass Gauck nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht. Als Grund für seine Entscheidung wolle er sein Alter und gesundheitliche Beschwerden nennen. Bei den Bürgern ist Gauck sehr beliebt: Eine große Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge eine weitere Amtszeit des 76-Jährigen.
Ungeachtet der noch ausstehende Bestätigung eines Verzichts auf eine zweite Amtszeit hat bereits die Debatte über einen Nachfolger begonnen und sorgt für massive Unruhe in der großen Koalition. Angesichts der Bundestagswahl im Herbst 2017 zeichnet sich eine komplizierte Kandidatensuche für die Kür des Staatsoberhaupts im Februar ab. Eine gemeinsame Lösung von Union und SPD ist nicht in Sicht - trotz ernstzunehmender Vorschläge wie Bundestagspräsident Norbert Lammert und Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Die Union will nach "Spiegel"-Informationen einen eigenen Kandidaten nominieren, falls Gauck tatsächlich nicht mehr antritt. Aus den Reihen von SPD und Linken kommen Forderungen, angesichts aussichtsreicher Kräfteverhältnisse in der Bundesversammlung einen rot-rot-grünen Bewerber dagegen zu stellen.
Derweil hat sich CSU-Vorstandsmitglied Stephan Mayer für einen gemeinsamen Kandidaten von Union und SPD ausgesprochen, sollte dieser nicht noch einmal antreten. Der Grundansatz müsse der sein, "dass man sich in der großen Koalition auf einen gemeinsamen Konsenskandidaten verständigt", sagte Mayer im Deutschlandfunk. Trotz bevorstehender Wahlen wäre es ein falsches Signal, wenn dies nicht gelänge. Ein Kandidat müsse ein möglichst breites gesellschaftliches Spektrum abdecken und die Menschen zusammenführen.
Mayer rechnet auch damit, dass die beiden Unionsparteien mit Merkel als gemeinsamer Kanzlerkandidatin in den Bundestagswahlkampf 2017 ziehen. "Ich bin mir sehr sicher, dass Angela Merkel die gemeinsame Spitzenkandidatin (...) für die beiden Schwesterparteien (..) sein wird". CSU-Chef Horst Seehofer werde der erste sein, der Merkel zur gemeinsamen Spitzenkandidatin küren werde.
Die Kandidatensuche ist so kompliziert, weil viele in der Spitze von Union und SPD vor der Bundestagswahl ein Signal in Richtung einer erneuten großen Koalition scheuen. Das Bündnis der Volksparteien gilt als Notlösung und solle nicht durch eine politische Weichenstellung wie die Präsidentenwahl quasi vorbereitet werden, heißt es.
Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa