Politik

Kritik an deutschen Diensten Ärger über Umgang mit MIT-Spionageliste

Die deutsche Spionageabwehr gibt bei der Affäre um die türkische Liste kein gutes Bild ab.

Die deutsche Spionageabwehr gibt bei der Affäre um die türkische Liste kein gutes Bild ab.

(Foto: AP)

Anfang Februar übergibt der türkische Geheimdienst MIT dem BND-Chef eine brisante Liste. Daraufhin unternehmen die zuständigen Behörden hierzulande erst einmal nichts. Regierung und Betroffene werden erst nach Wochen informiert.

In der Bundesregierung gibt es offenbar Unmut über eine zögerliche Informationsweitergabe durch die Nachrichtendienste in Verbindung mit den Spionagevorwürfen gegen die Türkei. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, erfuhr die Bundesregierung erst nach dem Innenausschuss des Bundestages, dass auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering auf einer Liste des türkischen Geheimdienstes MIT steht. Sprecher der Bundesregierung äußerten sich zurückhaltend.

Laut der "Süddeutschen Zeitung" brauchten die mit der Liste befassten Geheimdienste in Bund und Ländern Wochen, bevor sie die darauf aufgeführten Personen warnten. Zwischen den verschiedenen Behörden habe es kaum Koordinierung oder eine einheitliche Vorgehensweise gegeben. Das für Spionageabwehr zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz sei weitgehend untätig geblieben.

Laut "FAZ" hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Sigmar Gabriel und Innenminister Thomas de Maizière zwar am Mittwochmorgen im Bundessicherheitsrat mit dem Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, über die Spionagevorwürfe gegen die Türkei gesprochen. Dabei habe Kahl jedoch die Nennung von Abgeordneten auf der MIT-Liste mit keinem Wort erwähnt. Unter Berufung auf Angaben aus Sicherheitskreisen hieß es in dem Bericht weiter, dass dies auch Kahl offensichtlich nicht bekannt war.

Geheimdienste übersahen Namen Müntefering

Der prominente Name Müntefering war demnach erst an diesem Montag, nachdem die deutschen Behörden sieben Wochen im Besitz der Liste waren, dem Bundeskriminalamt aufgefallen. Dieses habe dann zwar die Politikerin informiert, nicht aber die Bundesregierung. Erst am Mittwoch habe dann als erstes Regierungsmitglied Innen-Staatssekretär Günter Krings im Bundestags-Innenausschuss davon erfahren.

Außenminister Gabriel sagte am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel zu der MIT-Liste, er habe erst "vor einigen Tagen aus der Presse davon erfahren". Welche Namen daraufstehen, wisse er bis heute nicht.

Die Liste mit rund 300 Namen vorwiegend von angeblichen Anhängern der islamischen Gülen-Bewegung hatte der MIT bereits im Februar an BND-Chef Kahl übergeben, der sie dann offensichtlich an Verfassungsschutz, BKA und Bundesregierung weiterleitete. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Putschversuch vom vergangenen Juli verantwortlich gemacht, wofür der BND laut Kahl aber keine Anhaltspunkte hat.

Wollte Erdogan Deutschland bloßstellen

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, da es hier um die operative Tätigkeit der Geheimdienste gehe, könne er öffentlich nicht Stellung nehmen. Ein Sprecher des Innenressorts sagte lediglich, dass solche Vorfälle "immer zum Anlass genommen werden, zu schauen, ob man Abläufe optimieren kann". Das werde auch in diesem Fall geschehen.

Bereits vor dem Bekanntwerden der Nennung Münteferings sowie einer Berliner CDU-Politikerin auf der Liste hatte die Bundesanwaltschaft wegen des Vorfalls Ermittlungen wegen Spionage aufgenommen. Bundesjustizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maizière drohten Beteiligten auf türkischer Seite mit Strafverfolgung. Der Sprecher des Innenressorts sprach von "schwerwiegenden Vorwürfen".

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer äußerte am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" den Verdacht, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Weitergabe der Liste veranlasst habe, um dann Deutschland in der Türkei wegen mangelnder Hilfe bei der Verfolgung der Gülen-Bewegung an den Pranger stellen zu können. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele warf dem BND in der Berliner "tageszeitung" vor, die Menschen auf der MIT-Liste nicht frühzeitig benachrichtigt zu haben.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP

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