USA sprechen von Chemiewaffen-Einsatz in Syrien Assad-Regime überschreitet "rote Linie"
14.06.2013, 04:36 Uhr
Panzer der syrischen Regierungsarmee nahe Aleppo.
(Foto: REUTERS)
Dramatische Wende in der Syrien-Krise: Die USA sind nun überzeugt, dass die Regierungsarmee im Kampf gegen die Aufständischen Chemiewaffen einsetzt. Präsident Obama hat diese Tatsache bislang als "rote Linie" bezeichnet. Washington will nun die syrischen Rebellen militärisch unterstützen.
Die US-Regierung hat keinen Zweifel mehr am Einsatz chemischer Waffen im syrischen Bürgerkrieg. Das erklärte der stellvertretende Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Ben Rhodes, in Washington.
"Nach intensiven Untersuchungen geht unser Geheimdienst davon aus, dass das Assad- Regime chemische Waffen, darunter das Nervengas Sarin, eingesetzt hat", so Rhodes. Der Kongress sei darüber informiert worden. US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen in dem Bürgerkrieg stets als "rote Linie" bezeichnet und dem Assad-Regime Konsequenzen angedroht.
So wollen die Vereinigten Staaten nun die Rebellen militärisch unterstützen. Dies sei der Plan von Präsident Barack Obama, erklärte Rhodes weiter. Das Thema Syrien soll nach Angaben des US-Präsidialamts auf dem G8-Gipfel Anfang kommender Woche und bei den Vereinten Nationen behandelt werden.
Republikanische Hardliner drängten Obama zur Bewaffnung der syrischen Rebellen und Errichtung einer Luftverbotszone über dem Bürgerkriegsland. Kurz nachdem das Weiße Haus letzte Zweifel am Chemiewaffen-Einsatz durch Syriens Streitkräfte für ausgeräumt erklärte, gingen einige Abgeordnete in die Offensive: "Die rote Linie des Präsidenten ist überschritten worden", erklärten die Senatoren John McCain und Lindsey Graham in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Die Glaubwürdigkeit der USA steht auf dem Spiel."
Zuvor hatten bereits Frankreich und Großbritannien die Führung in Damaskus beschuldigt, Giftgas gegen die Rebellen eingesetzt zu haben. In der Vergangenheit hatten Experten wiederholt darauf hingewiesen, dass auch die Aufständischen im Besitz von Giftgas seien und die Kampfstoffe womöglich eingesetzt haben.
Bereits vor Monaten hatte es erste Berichte über den Einsatz von Giftgas im Bürgerkriegsland gegeben. Nach Erkenntnissen von UN-Ermittlern wurden wahrscheinlich mindestens viermal chemische Waffen eingesetzt. Es gebe "hinreichende Gründe", dies zu glauben, hatte die vom UN-Menschenrechtsrat berufene Syrien-Kommission am 4. Juni in Genf erklärt. Der Einsatz von Chemiewaffen ist nach internationalen Abkommen ein unter Strafe stehendes Kriegsverbrechen.
Nach den UN-Angaben sollen bei vier Angriffen in den Provinzen Aleppo, Idlib und Damaskus am 19. März sowie am 13. und 19. April "in eingeschränktem Maße giftige Chemikalien" benutzt worden sein. Die Syrien-Kommission hatte jedoch in ihrem Bericht eingeschränkt: "Es war auf der Basis des vorliegenden Beweismaterials nicht möglich, die konkrete chemische Substanz, das Abschuss-Systemen oder Täter festzustellen." Weitere Ermittlungen seien erforderlich. In Syrien hatten sich zuvor Regierung und Rebellen gegenseitig beschuldigt, Giftgas einzusetzen.
Zahl der Todesopfer steigt dramatisch
Der Aufstand gegen das syrische Regime hat seit seinem Beginn im März 2011 mindestens 93.000 Menschen das Leben gekostet. Die Vereinten Nationen gaben in Genf ihre aktuelle Opferstatistik bekannt. Sie räumten dabei ein, dass die tatsächliche Zahl der Toten noch viel höher sein dürfte. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, appellierte an alle Konfliktparteien, "einen Waffenstillstand zu erklären, bevor Zehntausende weitere Menschen getötet oder verletzt werden."
Den Angaben nach fallen jeden Monat mittlerweile zwischen 5000 und 6000 Menschen dem Bürgerkrieg zum Opfer. Mehr als 6500 der Opfer seien Minderjährige gewesen - fast 1730 von ihnen Kinder unter zehn Jahren. Die meisten Toten gab es den Angaben nach im Großraum Damaskus, gefolgt von Homs, Aleppo und Idlib. Die Hauptlast des Krieges trage weiter Syriens Zivilbevölkerung.
Die im Auftrag des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte erarbeitete Statistik beziffert die Kriegstoten im Zeitraum von März 2011 bis April 2013 auf exakt 92.901. Für die Studie wurden nur Fälle berücksichtigt, bei denen der Name der Opfer sowie der Ort und das Datum ihres Todes belegt waren. Insgesamt wurden den Angaben nach Datensätze aus acht verschiedenen Quellen ausgewertet, in denen sogar mehr als 260.000 Tote aufgelistet waren.
Damaszener Airport unter Beschuss
Landesweit gingen die Kämpfe unvermindert heftig weiter. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, Rebellen hätten einen Militärstützpunkt an der Straße zwischen Damaskus und Aleppo gestürmt. Gefechte wurden auch aus Randbezirken von Aleppo sowie aus dem Großraum Damaskus gemeldet. Auch der internationale Flughafen der Hauptstadt geriet unter Beschuss.
Um die Opposition zu unterstützen, lockerten die USA mehrere Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Damit können bestimmte in den USA hergestellte Produkte künftig in Gebiete exportiert werden, die von Rebellen beherrscht werden. US-Firmen können zudem ab sofort beim Finanzministerium Lizenzen für Geschäfte im Öl-, Agrar- und Telekom-Bereich in Syrien beantragen.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/AFP