Ban droht syrischem Präsidenten mit Prozess Assad lobt Armee für blutiges Vorgehen
01.08.2011, 12:10 Uhr
Es gibt nur wenige Bilder aus Syrien: Soldaten, aufgenommen am 31. Juli.
(Foto: dpa)
Syriens Präsident Assad lobt seine Armee für den blutigen Sturm auf Hama mit über 100 Toten. Die "Bemühungen und Opfer" der Soldaten würden künftig "bewundert". Die Welt reagiert schockiert auf das Massaker. Die Bundesregierung will den UN-Sicherheitsrat zu Konsequenzen drängen. UN-Generalsekretär Ban droht Assad mit Strafverfolgung.
Am Tag nach der blutigen Niederschlagung von Protesten in der syrischen Stadt Hama hat Präsident Baschar al-Assad die Arbeit der Armee gelobt. Das Militär habe seine "Loyalität zu seinem Volk, seinem Land und seinem Glauben unter Beweis gestellt", sagte Assad laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana in einer Rede zum 66. Jahrestag der Gründung der syrischen Armee. Die "Bemühungen und Opfer" der Soldaten würden künftig "bewundert" werden, sagte Assad. Dank dieser Opfer habe die Armee das Ziel erreicht, "die Feinde des Landes auszumerzen, den Aufruhr zu beenden und Syrien zu bewahren".
Er sei davon überzeugt, dass Syrien in der Lage sei, auch "diese neue Episode des Komplotts" zu zerschlagen, sagte Assad weiter. Den Aufrührern gehe es darum, das Land "zerstückeln". Der Aufstand in Syrien sei zudem nur das Vorspiel für eine "Aufspaltung der ganzen Region in kleine Staaten, die sich gegenseitig bekämpfen". Die syrische Regierung sei so "entschlossen wie nie zuvor", ihre Politik fortzusetzen.
Weit über 100 Tote
Die Lage in Syrien hatte sich am Sonntag dramatisch zugespitzt, als die Armee mit Panzern die Protesthochburg Hama stürmte, wobei nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mindestens 100 Menschen getötet wurden. Insgesamt kamen bei Angriffen von Assads Sicherheitskräften auf die eigene Bevölkerung am Sonntag nach Angaben von Menschenrechtlern fast 140 Menschen ums Leben.

Brennendes Fahrzeug in Hama: Amateuraufnahmen sollen die Gewalt des Regimes bezeugen.
(Foto: Reuters)
Die Offensive der syrischen Sicherheitskräfte geht mit unverminderter Härte weiter. Am Morgen marschierten Panzer und Scharfschützen in großer Zahl in Deir al-Zor ein. Mindestens 25 Menschen sollen dabei getötet und 65 weitere verletzt worden sein. Das berichtete der arabische Nachrichtenkanal Al-Dschasira unter Berufung auf Augenzeugen in der Stadt im Nordosten des Landes. "Sie setzen Artillerie und Luftabwehrwaffen ein", sagte ein Bewohner dem Sender. "Die Lage ist sehr schlecht, medizinische und Lebensmittelvorräte gehen zur Neige." Deir al-Zor hat einen starken kurdischen Bevölkerungsanteil. Zugleich ist es ein Zentrum der syrischen Erdöl- und Gasindustrie.
Was macht der UN-Sicherheitsrat?
Angesichts der massiven Gewalt in Syrien hat Deutschland für heute eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Zwar übernimmt Indien zum 1. August von Deutschland den Ratsvorsitz, es sei jedoch von einer Sondersitzung am Nachmittag auszugehen, sagte der deutsche UN-Beamte Alexander Eberl. Das gewaltsame Vorgehen der syrischen Armee gegen Demonstranten rief weltweit Bestürzung hervor.
Das mächtigste UN-Gremium hatte sich bislang nicht darauf verständigen können, das Vorgehen offiziell zu verurteilen. Es wird damit gerechnet, dass die Fronten auch bei der heutigen Sitzung verhärtet bleiben. Neben Deutschland setzen sich auch Großbritannien, Frankreich, Portugal und die USA seit Wochen für eine offizielle Verurteilung des Vorgehens der Armee gegen friedliche Demonstranten ein. Vor allem Russland und China lehnen dies jedoch ab. Aus europäischen Diplomatenkreisen verlautete jedoch, dass die jüngste Gewalt in Syrien einen der Gegner einer Verurteilung im Sicherheitsrat dazu bringen könnte, eine solche Erklärung zu unterstützen.
Ban droht mit Strafverfolgung
US-Präsident Obama hatte entsetzt auf das Massaker in Hama reagiert. Die USA arbeiteten mit anderen Staaten weiter daran, die Führung in Damaskus international zu isolieren. "Die Berichte aus Hama sind schrecklich und sie zeigen den wahren Charakter des syrischen Regimes", sagte der US-Präsident nach Angaben des Weißen Hauses.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon drohte dem Regime von Assad mit einer strafrechtlichen Verfolgung. "Die syrischen Behörden sind verantwortlich für ihr Handeln und können nach internationalem Recht für alle Gewaltakte gegen ihr Volk zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Ban. Er forderte ein Ende der syrischen Militäroffensive gegen Regierungsgegner. Ban bekräftigte, dass Syrien die Menschenrechte respektieren müsse, wozu auch friedliche Demonstrationen zählten.
Ramadan soll Protestmonat werden
Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "schockiert" über die Gewalt. Das Vorgehen der Armee sei umso mehr inakzeptabel, als es sich um den Vortag des Ramadan handelte, erklärte Ashton. Die Verantwortlichen für das blutige Vorgehen gegen Oppositionelle in Hama müssten vor Gericht kommen, forderte Ashton. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, sprach von einem "Massaker" der syrischen Führung in Hama und rief Damaskus auf, die Machtübergabe einzuleiten.

Die Regimegegner geben trotz aller Toten und Verletzten nicht auf. Für den Ramadan haben sie tägliche Proteste angekündigt.
(Foto: Reuters)
Die Bundesregierung kritisierte die jüngste Gewalteskalation mit deutlichen Worten. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteile das Vorgehen gegen die Demonstranten in Hama und anderen Städten aufs Schärfste, sagte ein Regierungssprecher. Die Kanzlerin rufe beide Seiten auf, von Gewalt abzusehen und einen politischen Dialog zu suchen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sprach von einer "neuen Qualität der Repressionsmaschinerie" von Assad. Das Regime führe "Krieg gegen das eigene Volk". Um den Druck auf die syrische Regierung zu erhöhen, hätten sich die EU-Länder auf Arbeitsebene auf eine weitere Runde von Sanktionen verständigt, erklärte der Sprecher des AA weiter. Die Maßnahmen sollten weitere ranghohe Vertreter der syrischen Führung treffen.
Massaker vor Ramadan
Hama war bereits 1982 Schauplatz eines Massakers. Damals starben nach unbestätigten Berichten über 20.000 Menschen, als die Armee - damals regierte Assads Vater Hafis al-Assad - mit brutaler Gewalt gegen aufständische Sunniten in der Stadt vorging.
An diesem Montag beginnt in den meisten arabischen Ländern, so auch in Syrien, der Fastenmonat Ramadan. Syrische Aktivisten hatten für den heiligen Monat tägliche Proteste angekündigt.
Trotz seines immer wieder brutalen Vorgehens vermochte das Regime in Damaskus die seit viereinhalb Monaten aktive Demokratiebewegung nicht zu unterdrücken. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen kamen bisher rund 1600 Zivilisten und 350 Angehörige der Sicherheitskräfte ums Leben.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP