Politik

Der Putsch aus der Eckkneipe Aufstand gegen Wowereit

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Steht nach der Schmitz-Affäre heftig in der Kritik: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

(Foto: imago stock&people)

Jahrelang schien es, als liebten die Berliner ihren Klaus Wowereit. Doch die jüngsten Affären schaden dem Regierenden Bürgermeister. Nun will eine Initiative den Politiker mit einem Volksbegehren stürzen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht.

Die Idee, Klaus Wowereit zu stürzen, entsteht in einer Eckkneipe im Berliner Schillerkiez. Es ist ein Abend im Februar, Felix Herzog sitzt mit Bekannten beim Bier. Um 23 Uhr kommt der Zeitungsbote. Auf den Titelseiten dominiert die Steueraffäre um den Berliner Staatssekretär André Schmitz. Die Runde ist sich schnell einig: Der Regierende Bürgermeister macht keine gute Figur. Und nicht nur das: Allmählich hat er überreizt. Wowereit muss weg, beschließen sie in einer Bierlaune.

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Initiator Felix Herzog vor dem Berliner Abgeordnetenhaus

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Vorarbeit erledigt Herzog noch in derselben Nacht. Er richtet eine Internet- und eine Facebook-Seite ein, am nächsten Tag informiert er die Presse: Es ist der Startschuss der Initiative "Wowereit Rücktritt", ein Volksbegehren für vorgezogene Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus. Wenn alles so läuft, wie Herzog sich das wünscht, soll die Ära Wowereit in einem Jahr enden.

"Wir sind unzufrieden mit der Politik in Berlin. Die Schmitz-Affäre hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Wowereit hat sich abgenutzt", sagt Herzog. "Spätestens in der dritten Amtsperiode setzt man sich fest, verliert den Bodenkontakt zu den Bürgern und steht nicht mehr für das ein, für das man mal eingestanden hat." Der 28-jährige IT-Fachmann verweist auf die USA, wo ein Politiker nur zwei Amtszeiten Präsident sein kann - "aus guten Gründen", wie er findet.

44 Prozent für Wowereit-Rücktritt

Herzog, der früher selbst mal SPD-Mitglied war, ist enttäuscht von Wowereit. Aus seiner Sicht setzt der Regierende Bürgermeister keine politischen Akzente mehr. Bei der umstrittenen Bebauung des Tempelhofer Feldes habe er sich ebenso wenig eingeschaltet wie bei der East Side Gallery: "Vor einem Jahr hat er gesagt, dass er sich um eine einvernehmliche Lösung kümmert. Danach hat man von ihm nie wieder etwas gehört zu dem Thema. Dabei werden jetzt nochmal 30 Meter der East Side Gallery zerstört."

Tatsächlich trifft die Abwahl-Initiative Wowereit zur Unzeit. Nach mehr als zwölf Jahren im Roten Rathaus erlebt er die wohl schwierigste Phase seiner Laufbahn. Der Ärger über seine Rolle beim Problem-Flughafen BER und in der Schmitz-Affäre nagen heftig an der Popularität des Sozialdemokraten. Die Zeiten, in denen Wowereit für Sprüche wie "Wir sind zwar arm, aber trotzdem sexy" bejubelt wurde, sind lange vorbei. In einer Forsa-Umfrage liegt die SPD zurzeit nur bei 26 Prozent. Laut einer RBB-Umfrage sind immerhin 44 Prozent der Berliner für den Rücktritt Wowereits. Nur wie lange die Anti-Stimmung anhält, ist unklar.

Der Weg zu einem Referendum ist aufwändig. Vorgeschrieben ist zunächst ein Antrag bei der Senatsverwaltung auf Kostenschätzung einer Neuwahl. Mitte März wollen Herzog und seine Mitstreiter loslegen. Innerhalb von sechs Monaten müssen sie dann 50.000 Unterschriften sammeln, um einen Antrag auf ein Volksbegehren stellen zu können. Sollte dies gelingen, benötigen sie die Unterschriften von 20 Prozent der Wahlberechtigten, also von knapp 500.000 Berlinern, um einen Volksentscheid durchzusetzen. Dieser ist gültig, wenn sich bei dem Referendum 50 Prozent der Stimmberechtigten beteiligen. Sollte mindestens die Hälfte zustimmen, gibt es Neuwahlen.

Zweimal genügte allein die Drohung

In Berlin gab es zwischen 2004 und 2009 bereits sechs erfolglose Initiativen. Keine von ihnen überwand die erste nötige Hürde. Und doch trugen in der Vergangenheit zwei Volksbegehren dazu bei, dass sich Berliner Landesparlament aufgelöst hat. Im Februar 1981 sammelte die CDU 300.000 Unterschriften gegen den sozialliberalen Westberliner Senat. Auch durch diesen Druck löste sich das Parlament schließlich selbst auf. Allein die Drohung eines Volksbegehrens genügte auch 20 Jahre später nach dem Bruch der Großen Koalition des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen. Damals hatten Grüne, PDS und FDP ein Begehren initiiert. Daraufhin wurde Wowereit neuer Regierungschef.

Günstig ist ein Referendum nicht. Die Initiatoren rechnen mit Kosten von rund einem Euro pro Wähler. Bei rund 2,5 Millionen Stimmberechtigten wären das also insgesamt 2,5 Millionen Euro. Das sei überflüssig, entgegnen Kritiker, da 2016 ohnehin reguläre Wahlen stattfinden würden. Herzog sieht das nicht so. "Wenn man so argumentiert, ist die Frage, wofür es das Mittel des Volksbegehrens für vorgezogene Neuwahlen überhaupt gibt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um von außen Druck zu machen." Und was das Finanzielle betrifft: "Der Umgang mit Geld in Berlin hat Dimensionen erreicht, die so absurd sind, dass es auf zwei bis drei Millionen Euro mehr auch nicht mehr ankommt", sagt Herzog. Er leitet die Initiative ehrenamtlich und finanziert sich durch ein Portal für Wohngemeinschaften für Menschen ab 50.

"Tagesaktuelle Krisen nicht missbrauchen"

Die Parteien bewerten das Volksbegehen unterschiedlich. Klaus Lederer, Chef der Berliner Linken, kann verstehen, dass "die Berliner von diesem Pleiten-Pech-und-Pannen-Senat genervt sind". An die Spitze der Bewegung will sich seine Partei aber nicht stellen. Mit ihrer Zurückhaltung sind die Linken gut beraten. Wer beim Sturz Wowereits mithilft, käme nach einer Neuwahl wohl nicht mehr als neuer Koalitionspartner der SPD in Betracht.

Vorsichtig äußert sich auch Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop: "Die Hürden für dieses Begehren sind sehr hoch, aber Wowereit hat einen großen Vertrauensverlust erlitten. Wir schauen uns das gespannt an." Bei den Berliner Genossen gibt man sich äußerlich gelassen. "Tagesaktuelle Krisen sollten nicht dazu missbraucht werden, das Parlament aufzulösen. Damit hat unser Land keine guten Erfahrungen gemacht", sagt Landeschef Jan Stöß. Aus seiner Sicht hat die Initiative keine Aussicht auf Erfolg

Doch Herzog ist optimistisch, dass es klappt. Die für die erste Stufe nötigen 50.000 Unterschriften will er innerhalb von vier bis acht Wochen erreichen. Der IT-Fachmann ist kein Anfänger. Er ist auch Sprecher der Initiative zum Erhalt des Tempelhofer Feldes, die kürzlich die Hürde für einen Volksentscheid genommen hat, der am 25. Mai stattfindet. Von Herzog stammen auch die Seiten wulff-ruecktritt.de und guttenberg-ruecktritt.de, die er auf seiner Webseite unter "Spaß-Projekte" verbucht. Doch bei Wowereit ist es ihm nun ernst. "Das ist keine Schnapsidee", sagt Felix Herzog, "sondern eine Eckkneipenidee".

Quelle: ntv.de

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