Politik

Regierung widerspricht sich selbst BND half NSA auch bei politischer Spionage

Unter Druck: Thomas de Maizière, Ex-Kanzleramtsminister und inzwischen Innenressortchef.

Unter Druck: Thomas de Maizière, Ex-Kanzleramtsminister und inzwischen Innenressortchef.

(Foto: dpa)

Medienberichten zufolge soll der deutsche Geheimdienst unter anderem für die USA im französischen Präsidentenpalast spioniert haben. Bundesregierung und Kanzleramt verwirren mit unterschiedlichen Aussagen. Die Opposition wittert Lügen, Innenminister de Maizière spricht von "Unterstellungen".

Der BND betrieb nicht nur Wirtschaftsspionage gegen deutsche Interessen, sondern spähte auch einen Staatschef und andere hochrangige Politiker für den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) aus. Der Bundesnachrichtendienst soll der NSA vor allem jahrelang bei der Spionage gegen die französische Regierung und gegen die EU-Kommission geholfen haben, berichten die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR unter Berufung auf "interne Untersuchungen von Nachrichtendienst und Kanzleramt". Demnach spielte die BND-Abhörstation in Bad Aibling die zentrale Rolle bei den verdeckten Aktivitäten. Ziele waren hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Präsidentenpalastes und der EU-Kommission in Brüssel.

Nach den bisherigen Feststellungen seien Unternehmen vor allem betroffen, weil die USA nach Hinweisen auf illegale Exportgeschäfte suchten, hieß es. Vor einer Woche waren erste Vorwürfe ans Licht gekommen, wonach der BND der NSA über Jahre half, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Das genaue Ausmaß der Spionageaffäre ist noch nicht klar.

Auf nationaler Ebene geht es vor allem um die Frage, welcher deutsche Politiker was wann wusste und wen informiert hat - oder es unterlassen hat. So sieht sich die Bundesregierung unter anderem dem Vorwurf der Irreführung des Parlaments ausgesetzt: Noch Mitte April hatte das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der Linksfraktion geantwortet, dass sie keine Erkenntnisse über Wirtschaftsspionage durch US-Geheimdienste habe. Linke und Grüne bezichtigten die Bundesregierung deswegen der Lüge. Die Regierung wies den Vorwurf zurück, kündigte aber eine "Überprüfung" ihrer früheren Angaben an. Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz hatte in allgemeiner Form gesagt, dass der Bundesregierung die "neuen Erkenntnisse" in der Angelegenheit im März zugegangen seien.

De Maizière widerspricht

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der in der Affäre auch wegen seiner früheren Tätigkeit als Kanzleramtsminister zunehmend unter Druck gerät, sprach von "Unterstellungen". Er sagte zu, möglichst bald vor den zuständigen Bundestagsgremien auszusagen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Die Behauptung, die Bundesregierung habe die Unwahrheit gesagt, weise ich ausdrücklich zurück."

Grundlage des Vorwurfs ist die offizielle Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. In dem auf den 14. April datierten Schreiben aus de Maizières Ministerium steht der Satz: "Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor."

Der offensichtliche Widerspruch: Das Kanzleramt selbst hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass es bereits 2008 erstmals über die NSA-Anfragen und die Ausspähhilfe des BND von befreundeten Staaten und Unternehmen informiert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt war Thomas de Maizière Kanzleramtsminister. Die "SZ" sieht jedoch den derzeitigen Minister Peter Altmaier (CDU) als Hauptverantwortlichen.

Das Parlament sei "nach Strich und Faden belogen worden", sagte der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele der "Saarbrücker Zeitung". Linken-Vizefraktionschefin Sahra Wagenknecht nannte de Maizière "völlig untragbar".

Auch Kanzleramt an Antwort beteiligt

Seibert argumentierte, dass die Angaben von Mitte April an die Linksfraktion korrekt den Kenntnisstand der Bundesregierung widergespiegelt hätten. Ob die Angaben nach neuesten Erkenntnissen immer noch Bestand haben, werde nun geprüft. Seibert betonte, die Antwort an die Linksfraktion sei zwar vom Bundesinnenministerium koordiniert worden, aber auch das Bundeskanzleramt habe Angaben zugeliefert.

Die SPD forderte das CDU-geführte Kanzleramt auf, dem Untersuchungsausschuss des Bundestags bis kommende Woche detaillierte Angaben zur Zusammenarbeit zwischen BND und NSA vorzulegen. Dabei gehe es auch um eine Liste mit den Zielen der Spähaktionen, erklärte der SPD-Abgeordnete Christian Flisek. Nach Informationen der "Bild am Sonntag" will die Bundesregierung die Liste der so genannten Selektoren aber erst nach Absprache mit der NSA herausgeben.

Auch die Industrie forderte eine Klärung. "Das Verhältnis zwischen Staat und Industrie ist erheblich belastet", sagte Ulrich Grillo, Chef des Bundesverbands der deutschen Industrie, zu "Spiegel Online". Die Bundesregierung müsse den Verdacht der Wirtschaftsspionage zügig klären.

Quelle: ntv.de, rpe/AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen