Linke fordert Asyl für Snowden Beck vergleicht Putin mit "Paten"
23.12.2013, 09:37 Uhr
Chodorkowski bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Freilassung.
(Foto: dpa)
Chodorkowski ist frei. Aktiv gegen Putin vorgehen könne er aber nicht, sagt die Grünen-Politikerin Beck, schließlich seien seine einstigen Geschäftspartner weiter in Haft. Gleichzeitig kritisiert sie das mafiöse System in Russland. Die Linke fordert derweil, dass Deutschland auch Edward Snowden aufnimmt.
Der freigelassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski ist nach Ansicht der Grünen-Politikerin Marieluise Beck auch nach seiner Freilassung kaum in der Lage, der russischen Staatsführung schweres Ungemach einzuhandeln. "Wer jetzt von ihm eine explizite Politik gegen (Präsident Wladimir) Putin erwartet, der sollte wissen, dass Platon Lebedew und Alexej Pitschugin, seine Yukos-Geschäftspartner und Freunde, beide noch in Haft sind", sagte Beck der "Welt". "Ihre Freilassung ist für ihn elementar. Und er weiß auch, dass Putin kaltblütig genug ist, sie als Geiseln zu nehmen."
Chodorkowski war als Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos 2003 festgenommen und zwei Jahre später zusammen mit Lebedew wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Putin hatte den früheren Ölmagnaten am Freitag nach mehr als zehn Jahren Lagerhaft begnadigt.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis reiste Chodorkowski nach Berlin. Er erhielt zudem eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Am Sonntag äußerte er sich erstmals öffentlich. Nach eigenen Angaben strebt der frühere Ölmagnat weder in die Politik noch zurück ins Wirtschaftsleben, will aber politischen Gefangenen in Russland helfen.
"Keine politischen Sensibelchen"
Nach Ansicht von Beck spielte bei der Begnadigung auch die bevorstehenden olympischen Winterspiele in Sotschi eine Rolle. "Natürlich erfolgt diese Freilassung nicht zufällig kurz vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi", sagte sie. Die Verurteilung der Frauen von Pussy Riot, die Anklage der Greenpeace-Aktivisten oder die russische Einmischung in der Ukraine hätten in der internationalen Öffentlichkeit mehr Unruhe geschaffen als dem russischen Präsidenten Wladimir Putin lieb sein konnte. "Wir alle wissen, dass diese Winterspiele eine Herzensangelegenheit von Putin sind", sagte die Grünen-Politikerin. "Dieser Traum begann zu bröckeln. Da konnte eine bescheidene Amnestie schon helfen."
Scharf kritisierte Beck das russische Justizwesen, das der "politischen Nutzbarmachung durch die Nomenklatura ausgeliefert" sei. "Diese Nomenklatura ist nicht mehr eine kommunistische Partei mit einem übermächtigen ZK, sondern das Netzwerk aus Ex-KGB-Genossen, Beamten und Geschäftsleuten, die das Land und seine Menschen gemeinsam ausplündern."
Zur Rolle Putins sagte Beck: "Putin ist dabei der Schlussstein des Systems, der Pate quasi." Beck hatte sich in den vergangenen Jahren für die Freilassung Chodorkowskis eingesetzt. Am Samstag traf sie ihn erstmals persönlich. Gleichzeitig forderte sie den Westen auf, Russland wegen seiner Menschenrechtspolitik stärker unter Druck zu setzen: "Die Herren im Kreml sind keine politischen Sensibelchen, denen man nichts zumuten darf."
Snowden will keinen Asyl-Tauschhandel
Nach der Erteilung eines Visums an Chodorkowski bekräftigte unterdessen die Linkspartei ihre Forderung, dass Deutschland auch den Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden aufnehmen soll. Deutschland sei jetzt effektiv Exilland für Chodorkowski geworden, sagte der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger der "Passauer Neuen Presse". "Lösungen finden sich also, wenn man nur will." Snowden habe so viel für Deutschland geleistet, dass die Bundesregierung die vorhandenen rechtlichen Spielräume ausnutzen sollte.
Snowden hatte mit seinen Enthüllungen die NSA-Geheimdienstaffäre ins Rollen gebracht. Er wird von der US-Justiz per Haftbefehl gesucht und bekam von Russland im August für ein Jahr politisches Asyl gewährt. Sein genauer Aufenthaltsort ist unbekannt. Die alte schwarz-gelbe Bundesregierung hatte sich geweigert, ihm Asyl zu gewähren.
Snowden selbst will sich derweil einem Medienbericht zufolge auf keinen Asyl-Tauschhandel einlassen. Er werde niemals Informationen für die Aufnahme in einem Land hergeben, zitierte der brasilianische Fernsehsender "O Globo" aus einem schriftlich mit Snowden geführten Interview. Asyl müsse aus rein humanitären Gründen gewährt werden, wird Snowden weiter zitiert. Falls Brasilien ihm ein solches anbiete, dann werde er es annehmen. "Wenn die brasilianische Regierung die Menschenrechte verteidigen will, wird es mir eine Ehre sein, daran teilzunehmen", so Snowden. Die Auswirkungen seiner Enthüllungen bezeichnete er als "ermutigend".
Snowden hatte vergangene Woche in einem von der Zeitung "Folha de São Paulo" veröffentlichten Brief angeboten, Brasilien bei der Aufklärung der US-Spähaktivitäten zu unterstützen. Zu den Zielen des US-Dienstes NSA gehörte neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP