Politik

Journalist kritisiert leisen Protest Berlin mahnt zu Pressefreiheit in Türkei

Die Journalisten Dündar (r.) und Gül im Februar diesen Jahres, als sie nach einem Gerichtsbeschluss aus dem Gefängnis entlassen werden mussten.

Die Journalisten Dündar (r.) und Gül im Februar diesen Jahres, als sie nach einem Gerichtsbeschluss aus dem Gefängnis entlassen werden mussten.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Einen Tag nach der Verurteilung zweier Journalisten in Istanbul äußert sich die Bundesregierung besorgt. Sie spricht von einem Lackmustest für die Pressefreiheit. Einer der Verurteilten fordert von Deutschland, stärker dafür einzutreten.

Die Bundesregierung hat sich besorgt über die Verurteilung zweier regierungskritischer Journalisten in der Türkei zu mehrjährigen Haftstrafen geäußert. "Das Verfahren gegen die beiden Journalisten ist ein Lackmustest für die Unabhängigkeit der Justiz und die Presse- und Meinungsfreiheit. Deshalb haben wir die Nachricht über die Urteilsverkündung mit erheblicher Sorge aufgenommen", erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts in Berlin.

Der "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar und sein Ankara-Büroleiter Erdem Gül waren zuvor in Istanbul zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Gül forderte von der Bundesregierung ein stärkeres Eintreten für die Pressefreiheit in seinem Land.

"Wir erleben einen exorbitanten Abbau der europäischen Rechte", sagte Gül der "Welt". "Aber das, was von der Bundesregierung dazu zu hören ist, ist viel zurückhaltender als zum Beispiel die Stellungnahmen der amerikanischen Regierung." Einerseits arbeite die deutsche Regierung beim Flüchtlingsthema mit der Türkei eng zusammen, sagte Gül weiter. Andererseits erhebe sie nur sehr leise ihre Stimme, wenn es um europäische Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit gehe.

Roth: "Rachejustiz"

Dündar und Gül wurden für schuldig befunden, geheime Dokumente veröffentlicht zu haben, die türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien 2015 belegen sollen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die beiden angezeigt und erklärt, Dündar und Gül würden "teuer dafür bezahlen". Ein Verfahren wegen Unterstützung einer Terrororganisation soll noch folgen.

Das Washingtoner Außenministerium hatte die türkische Regierung nach dem Urteil gemahnt, "unabhängige und freie Medien zu unterstützen, die ein zentraler Bestandteil jeder demokratischen, offenen Gesellschaft" seien. Als "Freund und Nato-Alliierter" dränge Washington die Türkei zur Einhaltung der demokratischen Grundprinzipien, hieß es. Auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen sprach von "Rachejustiz" und erklärte: "Unter Präsident Erdogan verlässt das Land immer deutlicher den Weg von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Richtung Autokratie und Unterdrückung."

Keine Flucht ins Ausland

"Das sind Willkürurteile eines autokratischen Regimes", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem "skandalösen Urteil", mit dem "die türkische Justiz ihre völlige Geringschätzung für die Pressefreiheit unmissverständlich klargemacht" habe. Human Rights Watch erklärte, die Urteile in dem politischen Verfahren zeigten, "wie Gerichte in der Türkei Präsident Erdogans Kampagne der Rache gegen Kritiker folgen".

Ob er und Dündar ins Gefängnis müssten, werde sich nach dem Berufungsverfahren zeigen, sagte Gül. Eine Flucht ins Ausland schloss er aus, obwohl das Gericht eine Ausreisesperre gegen ihn und Dündar gleichzeitig mit dem Urteil aufgehoben hatte. "Daran habe ich nicht eine Sekunde gedacht. Wir tragen dafür Verantwortung, wie es mit Freiheit und Demokratie in diesem Land weitergeht."

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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