Anschlag auf afghanisches Ministerium Berlin zieht 50 Berater ab
26.02.2012, 17:49 Uhr
An einer Polizeisperre in Kabul.
(Foto: REUTERS)
Als Reaktion auf die Gewalt in Afghanistan zieht die Bundesregierung ihre Berater aus den Behörden im Raum Kabul ab. Sie kehren erst wieder zurück, wenn die Tötung von zwei US-Soldaten im Kabuler Innenministerium aufgeklärt ist. Die beiden Opfer sollen ihren Mörder zuvor verhöhnt haben. Die deutsche Opposition zweifelt zunehmend am Afghanistan-Einsatz.
Angesichts gewalttätiger Proteste gegen Koranverbrennungen durch das US-Militär wachsen in der deutschen Opposition Zweifel am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. "Die nächsten zwei bis drei Wochen werden zeigen, ob das ein Wendepunkt war. Dann wird sich klären, ob die Isaf-Soldaten jegliches Vertrauen der Bevölkerung verloren haben und deshalb nichts mehr bewirken können", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour der "Süddeutschen Zeitung".
Aufgrund der angespannten Situation in Afghanistan zog die Bundesregierung vorerst alle Mitarbeiter aus afghanischen Behörden ab. "Es handelt sich hierbei um eine reine Vorsichtsmaßnahme mit Augenmaß", erklärte Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel. Sobald sich die Lage wieder beruhige, würden die Mitarbeiter ihre Arbeit wieder aufnehmen. Auch das französische Außenministerium ordnete den unverzüglichen Abzug französischer Beamter aus afghanischen Behörden an. Zuvor hatte bereits die Nato sämtliche Mitarbeiter aus den Ministerien abgezogen.
Von der Entscheidung der Bundesregierung sind alle deutschen und internationalen Mitarbeiter des vor Ort ansässigen "Risk Management Office" betroffen. Die Anordnung betreffe alle Experten, die im Auftrag der Bundesregierung die afghanische Regierung beraten und ihrer täglichen Arbeit unmittelbar in den Behörden und Ministerien nachgehen, hieß es in einer Erklärung des Bundesentwicklungsministeriums in Berlin. Die Regelung gelte, bis es hinreichend Klarheit über die Hintergründe des Vorfalls im Kabuler Innenministerium gebe.
Derzeit sind nach Angaben der Bundesregierung rund 2000 Experten für die staatlichen Organisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan im Einsatz, davon 339 entsandte internationale Fachkräfte.
US-Berater verhöhnten Afghanen
Aus afghanischen Regierungskreisen verlautete unterdessen, dass sich die beiden getöteten US-Berater vor ihrer Ermordung offenbar über die Proteste aufgebrachter Afghanen lustig gemacht hatten, die nach der Verbrennung von Koran-Exemplaren aufgeflammt waren. In Anwesenheit eines afghanischen Kollegen hätten sie die Demonstranten mit Schimpfwörtern bedacht und den Koran ein "schlechtes Buch" genannt, zudem hätten sie den Afghanen bedroht. Dieser habe die US-Beamten daraufhin erschossen und sei anschließend geflüchtet.
"Wir sollten jetzt in der Nato mit den Amerikanern darüber reden, wie diese Dinge haben passieren können. Wir müssen deutlich machen, dass Aufklärung notwendig ist", forderte auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Den Fahrplan zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Seite hält er aber "für weiter durchführbar". Am Donnerstag hatte die Bundeswehr ihren Stützpunkt in der Stadt Talokan wegen der Proteste vorzeitig geräumt. "Dieser Standort mitten in der Stadt wäre nicht zu verteidigen gewesen", sagt auch Nouripour. Es sei aber versäumt worden, die lokalen Behörden in die Entscheidung einzubinden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP