Volles Programm für den Innenminister Bitterer Einstand für Friedrich
03.03.2011, 16:40 UhrDer Wechsel im Bundesinnenministerium ist vollzogen: Der CSU-Politiker Friedrich übernimmt das Amt von Thomas de Maizière. Der Anschlag am Frankfurter Flughafen mit zwei toten US-Soldaten trübt den Einstand. Ungewöhnlich auch, dass Friedrich in seiner ersten Rede als Innenminister den Bundespräsidenten düpiert.
Der neue Innenminister bekommt keine Schonzeit: Direkt nach seinem Amtsantritt musste sich Hans-Peter Friedrich (CSU) mit dem Anschlag auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen beschäftigen, den wohl ein Islamist verübt hat. Eine Anhebung der bundesweiten Sicherheitsstufe hielt Friedrich aber nicht für nötig. Die Zukunft der umstrittenen Polizeireform mit einer möglichen Zusammenlegung von Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei ließ er offen. Im Dauerkonflikt mit der FDP um die Speicherung von Telefon- und Internetdaten strebt Friedrich eine rasche Lösung an.
Am Vormittag hatte Friedrich die Ernennungsurkunde von Bundespräsident Christian Wulff entgegengenommen.
Islam gehört nicht zu Deutschland
Unmittelbar nach seiner Ernennung widersprach Friedrich der Aussage Wulffs, wonach der Islam zu Deutschland gehört. "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt", sagte er in Berlin. Der CSU-Politiker betonte, Menschen islamischen Glaubens, die in der Bundesrepublik lebten, gehörten aber als Bürger natürlich zu diesem Land.
Er stehe zu der Auffassung, die er im Herbst als Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag zu dem Thema geäußert hatte, sagte Friedrich. Damals hatte er zu Wulffs Rede am "Tag der Einheit" gesagt, Leitkultur in Deutschland sei die christlich-jüdisch-abendländische Kultur. "Sie ist nicht die islamische und wird es auch nicht in Zukunft sein." Wulff hatte mit seiner Rede eine wochenlange Debatte ausgelöst.
"Krudes Gesellschaftsverständnis"
Die Grünen reagierten mit Empörung auf die Aussage Friedrichs. "Hans-Peter Friedrich ist noch keine 24 Stunden Innenminister, schon beginnt er, das Porzellan zu zerschlagen", erklärte Fraktionschefin Renate Künast in Berlin. Friedrich müsse nur in Berlin auf die Straße gehen und schauen, wer hier lebe. Es gebe viele Menschen islamischen Glaubens, die seit langer Zeit hier ihren Lebensmittelpunkt haben. "Deshalb gehört der Islam zu Deutschland."
Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte, Friedrich habe offenbar "ein krudes Gesellschaftsverständnis, wenn er Menschen muslimischen Glaubens im Jahr 2011 zugesteht, Teil Deutschlands zu sein und zugleich erklärt, der Islam sei es aus historischen Gründen nicht".
Friedrich unterstrich zugleich, wer in Deutschland lebe oder aufwachse und hier integriert sein wolle, müsse "in allererster Linie Deutsch können". Wie andere Regierungsvertreter widersprach er damit Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der hatte am Wochenende in Düsseldorf vor Landsleuten erklärt, türkische Kinder in Deutschland müssten erst Türkisch und dann Deutsch lernen.
Kompromisssuche bei der Polizeireform
Zum Thema Polizeireform sagte Friedrich, er werde sich kommende Woche die Erkenntnisse der mit dem Thema befassten Expertengruppe vorlegen lassen und dann "zu gegebener Zeit über den weiteren Fortgang der Dinge entscheiden". Als einer der schärfsten Kritiker einer Fusion von BKA und Bundespolizei gilt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Dazu erklärte Friedrich, er kenne aus seiner bisherigen Arbeit als CSU-Landesgruppenchef dessen Argumente und die Sichtweise der anderen Länderinnenminister. "Wir werden eine von allen akzeptierte gute Lösung finden."
Im Herbst hatte die Expertenkommission eine Fusion von BKA und Bundespolizei zu einer neuen Super-Polizei vorgeschlagen. Friedrichs Vorgänger, der neue Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte damals, er finde die Vorschläge gut und wolle sie prüfen. Für Mitte März hatte er eine Entscheidung angekündigt. Aus der CSU kamen zu den Fusionsüberlegungen zuletzt äußerst kritische Stimmen.
Harte Linie bei der Vorratsdatenspeicherung
Über die Vorratsdatenspeicherung will Friedrich bald mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) reden. Die Ermittler müssten in die Lage versetzt werden, effizient das Instrumentarium zu nutzen, was zur Terrorbekämpfung möglich sei. Die Justizministerin hatte Eckpunkte für eine mögliche Neuregelung vorgelegt. Demnach sollen Daten erst beim Verdacht einer Straftat gespeichert und so vor der routinemäßigen Löschung gesichert werden. Unionspolitikern reicht das aber nicht. Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2010 die bis dahin geltende Regelung verworfen.
Auch die Zukunft der Internetsperren ließ Friedrich offen. Nach einer Vereinbarung von Union und FDP soll ein Jahr lang versucht werden, die Seiten zu löschen und nicht zu sperren. Die FDP ist für das Löschen. De Maizière hatte sich - wie andere Unionspolitiker - dafür ausgesprochen, das Löschen und das Sperren zu verfolgen.
Die CSU bekommt nach Ansicht von Parteichef Horst Seehofer mit dem Innenministerposten mehr Gewicht in der Bundesregierung. "Die CSU sitzt jetzt mit dem Bundesinnenminister wieder in der ersten Reihe der Regierungsbank", sagte er. Mit Friedrich besetzt die CSU zum dritten Mal das Amt des Bundesinnenministers. Vorgänger waren Hermann Höcherl (1961 bis 1965) und Friedrich Zimmermann (1982 bis 1989).
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts