Die Union und ihr Atom-Schwenk CDU-Abgeordneter murrt
05.06.2011, 11:02 Uhr
Die Stromnetze müssen noch deutlich ausgebaut werden.
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In der Union regt sich Unmut über die Energiedebatte. "Wir haben den falschen Zugang zu diesem Thema gewählt", sagt Sachsens CDU-Generalsekretär Kretschmer. Unterdessen geben führende Politiker von Schwarz-Gelb den Grünen Ratschläge. Sie sollten aus dem "Schmollwinkel" herauskommen, meint etwa FDP-Fraktionschef Brüderle.

Kretschmer wünscht sich mehr "sächsischen Pragmatismus".
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Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer ist unzufrieden mit der Energiedebatte seiner Partei. "Wir haben den falschen Zugang zu diesem Thema gewählt", sagte Kretschmer. "Statt moralisch über Gut und Böse zu urteilen, was nur in Sackgassen führt, müssen wir Aspekte wie Wirtschaftlichkeit und technische Machbarkeit beleuchten. Das kommt mir in der gegenwärtigen Energiedebatte viel zu kurz."
Den jetzt erzielten Konsens nannte Kretschmer eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Es sei nicht garantiert, dass die Stromleitungen schnell genug ausgebaut oder die Preise für die alternativen Energieträger wie geplant sinken würden.
Kretschmer wünscht sich deutschlandweit "ein bisschen mehr sächsischen Pragmatismus". "Wir in Sachsen sind technologieoffen. Solarstrom hat in unserem Energiemix genauso seinen Platz wie die Windenergie oder auch die Braunkohle. Die Union hätte die Position vertreten müssen, dass keine Technologie per se gut oder schlecht ist."
Energieversorgung sei Daseinsvorsorge, betonte der Bundestagsabgeordnete. "Die Union als Volkspartei muss immer im Auge behalten, dass Energie nicht so teuer wird, dass sie zum Luxusprodukt wird." Die Grünen seien eine Partei der Besserverdienenden - "von dort darf man nicht erwarten, dass auf die Bezahlbarkeit geachtet wird".
Druck auf Grüne
Führende Politiker von Schwarz-Gelb versuchen, die Grünen mit dem Thema Atomausstieg unter Druck zu setzen. Sie sollen dem Koalitionsmodell zustimmen.
"Ich kann verstehen, dass sie Angst vor dem Verlust ihres wichtigsten Themas haben", sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle dem "Hamburger Abendblatt". "Jetzt gilt es aber, aus dem Schmollwinkel herauszukommen und gesamtstaatliche Verantwortung zu übernehmen." Die Opposition müsse "von Dagegen auf Dafür umschalten".
CSU-Chef Horst Seehofer erklärte in der "Bild am Sonntag", die Grünen hätten "mit dem Atomausstieg ein ähnliches Problem wie die FDP mit ihrer Forderung nach Steuersenkungen: Sie verengen sich auf ein Thema". Das koste auf Dauer Zustimmung in der Bevölkerung. "Am besten wäre ein breitestmöglicher Konsens. Aber wenn die Grünen sich zu einem Konsens außer Stande sehen sollten, machen wir es mit denen, die zum Konsens bereit sind. Dann reicht es auch mit der SPD", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Auch Umweltminister Norbert Röttgen machte Druck: "Wer sich der Energiewende verweigert, wird das den Bürgern erklären müssen. Denn ein solcher Konsens schafft nicht zuletzt zuverlässige Rahmenbedingungen für die erforderlichen Investitionen in Milliardenhöhe", sagte der CDU-Politiker der Sonntagszeitung. "Wenn die Opposition mitmacht, kann einer der größten gesellschaftlichen Konflikte in der Geschichte der Bundesrepublik gelöst werden."
Meiler werden stufenweise abgeschaltet
Merkel hatte sich am Freitag mit den Ländern auf einen verständigt. Die deutschen Atommeiler sollen danach stufenweise bis 2022 abgeschaltet werden. Am Abend segneten die Spitzen von Union und FDP den Plan im Kanzleramt ab. "Das ist selbstverständlich rechtssicher", sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach dem Treffen mit Blick auf mögliche Klagen der Konzerne. Am Montag will das Kabinett das neue Atomgesetz beschließen.
Die Abschaltreihenfolge bei den verbleibenden neun Atomkraftwerken in Deutschland ist inzwischen weitgehend geklärt. Wie aus Regierungskreisen verlautete, soll nach den acht bereits vorläufig abgeschalteten AKW als nächstes 2015 der bayerische Meiler Grafenrheinfeld den Betrieb einstellen.
2017 soll Gundremmingen B in Bayern und 2019 Philippsburg II in Baden-Württemberg folgen. 2021 könnten Grohnde in Niedersachsen, Brokdorf in Schleswig-Holstein und Gundremmingen C (Bayern) vom Netz gehen. Als letzte Kernkraftwerke würden 2022 Isar II in Bayern, Neckarwestheim II in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen abgeschaltet werden.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa