Gleiche Rechte für Homosexuelle? CDU in der Zwickmühle
25.02.2013, 16:11 Uhr
Jeder solle "nach seiner Façon glücklich" werden, sagt CDU-Bundesvize Strobl.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die CDU versucht den klassischen Spagat einer Volkspartei: Den Konservativen signalisiert sie, dass es für Homosexuelle kein volles Adoptionsrecht geben soll. Allen anderen stellt sie eine Gleichstellung beim Ehegattensplitting in Aussicht. Doch die Konservativen und auch die CSU wollen sich zu dieser Modernisierung lieber vom Bundesverfassungsgericht zwingen lassen.
Nach der Welle der Kritik an ihrem möglichen Schwenk in der Haltung zur Homo-Ehe bemüht sich die CDU, die Erwartungen ein wenig zu dämpfen. Aus Kreisen der Bundestagsfraktion heißt es, übereilte Entscheidungen werde es nicht geben. Das Verfassungsgerichtsurteil zum Adoptionsrecht werde genau analysiert. Erst dann werde entschieden, wie mit weiteren Fragen - also einem vollen Adoptionsrecht oder der Zukunft des Ehegattensplittings - umzugehen sei.
Das Thema dürfte bei der Fraktionssitzung an diesem Dienstag eine Rolle spielen. Mit Entscheidungen noch in dieser Woche wird aber nicht gerechnet.
Laut "Focus" hat Unionsfraktionschef Volker Kauder den Rechtsexperten Günter Krings damit beauftragt, Modelle für eine steuerliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare zu entwickeln. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" soll es noch vor der Sommerpause ein Gesetz zur Gleichberechtigung von Homo-Ehen geben.
Tatsächlich gibt es Handlungsbedarf: Ebenfalls bis zur Sommerpause dürfte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts über eine Ausweitung des Ehegattensplittings auf die Homo-Ehe vorliegen. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Richter im Sinne der Kläger entscheiden; erst in der vergangenen Woche hatte Karlsruhe homosexuellen Lebenspartnern zugestanden, Adoptivkinder ihres Partners oder ihrer Partnerin zu adoptieren.
Adoption Nein, Splitting Ja?
Aus der baden-württembergischen CDU kamen Signale, die einen radikalen Kurswechsel der CDU unwahrscheinlich erscheinen lassen. Es herrsche ein breiter Konsens in der Partei, Lebenspartnern nicht wie heterosexuellen Paaren die gemeinsame Adoption eines Kindes zu erlauben, sagte CDU-Landeschef Thomas Strobl nach einer Sitzung von Präsidium und Vorstand. Er gehörte zu den ersten Christdemokraten, die eine steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnern gefordert hatten.

Thomas Strobl ist stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender. Sein baden-württembergischer Landesverband gilt eigentlich als konservativ.
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An dieser Forderung hielt Strobl fest. Wenn Lebenspartner die gleichen Pflichten wie Eheleute hätten, sollten sich auch gleiche Rechte bekommen, argumentierte er. Es gehe um eine "Gerechtigkeitsfrage" und darum, eine "Schieflage" zu korrigieren. Damit werde die Ehe nicht entwertet, betonte Strobl. Er befürworte es, wenn Menschen sich dauerhaft binden und unterstützen. Die Politik setze dafür den Rahmen, in dem "jeder nach seiner Façon glücklich sein kann". Der Rahmen dürfe aber nicht zu eng sein.
Auf dem CDU-Parteitag im Dezember hatten die Gegner einer Ausweitung des Ehegattensplittings auf die Homo-Ehe zwar die Mehrheit erhalten. Allerdings hatten die Befürworter einer solchen Ausweitung sowohl die Debatte als auch die Abstimmung als großen Erfolg verbucht.
Konservative wollen auf Karlsruhe warten
CSU und die Konservativen in der CDU führen den vom Grundgesetz geforderten Schutz von Ehe und Familie als Argument gegen eine mögliche Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft ins Feld. "Artikel 6 des Grundgesetzes verlangt, dass Ehe und Familie besonders geschützt und gefördert werden", sagte der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner, einer der Wortführer des konservativen "Berliner Kreises", dem Hessischen Rundfunk. Dies dürfe nicht zugunsten der Homo-Ehe nivelliert werden.
Ähnlich ist die Haltung der CSU-Spitze. "Die Privilegierung und Förderung von Ehe und Familie muss auch in Zukunft völlig außer Frage stehen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. "Ich sehe überhaupt keinen Änderungsbedarf an den bestehenden steuerlichen Regelungen." Dobrindt lehnte jede Diskussion über diese Frage ab - es sei denn, dass das Bundesverfassungsgericht Vorgaben macht: "Falls Karlsruhe zu einem anderen Ergebnis kommen sollte, würde ich mich damit befassen, vorher nicht." Und auch dann stehe der Grundsatz der Privilegierung von Ehe und Familie über allem übrigen.
CDU will Urteil "zügig umsetzen"
Die Führung der CDU ist bei diesem Thema bereits sehr viel weiter als die bayerische Schwesterpartei. In der vergangenen Woche hatte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Interview mit n-tv.de angekündigt, dass die Union das Karlsruher Urteil zügig umsetzen will. "Kinder, egal ob leiblich oder adoptiert, brauchen nicht nur ein liebevolles Zuhause, sondern auch Rechtssicherheit", so Gröhe.
Gröhe machte deutlich, dass er sowohl dem Förderungsanspruch von Ehe und Familie als auch dem "Anspruch auf Diskriminierungsschutz von Homosexuellen" gerecht werden wolle. "Ich glaube die Art, wie wir als CDU dieses Thema diskutieren, hat dazu beigetragen, dass feindselige Töne gegen Homosexuelle heute gesamtgesellschaftlich als etwas Unanständiges empfunden werden."
"Aus Grundsätzen folgen Konsequenzen"
Der Präsident des Bundesverfassungsgericht, Andreas Voßkuhle, zeigte sich unterdessen verwundert über die Resonanz auf das Karlsruher Urteil zur Gleichstellung von Homosexuellen bei Adoptionen. "Warum gerade diese Entscheidung jetzt die Debatte auslöst, hat mich überrascht", sagte Voßkuhle bei einer Buchvorstellung in Karlsruhe. Der Richterspruch stehe in einer Reihe ähnlicher Entscheidungen aus den vergangenen Jahren und sei "sehr vorhersehbar" gewesen.
Nach Ansicht Voßkuhles sind die dogmatischen Grundsätze des Verfassungsgerichts in dieser Frage schon länger bekannt. "Und aus solchen Grundsätzen folgen gewisse Konsequenzen." Ob eine dieser Konsequenzen sein könnte, dass das immer wieder beschworene Abstandsgebot zwischen der Ehe und Lebensgemeinschaften aufgegeben werden muss, wollte Voßkuhle nicht kommentieren.
"Merkel macht CDU zum Hohlkörper"
SPD und Grüne reagierten auf die mögliche Öffnung der CDU mit Häme. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf CDU-Chefin Angela Merkel vor, ihre Partei immer mehr in einen politischen "Hohlkörper" zu verwandeln. Im Vergleich dazu sei die CSU ein "Fels in der Brandung".
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir sieht bei der CDU eine zunehmende inhaltliche Entkernung. "Wofür steht die Union überhaupt noch?", fragte Özdemir. "Unter dem Strich bleibt nur das Streben nach dem Machterhalt." Özdemir betonte, wenn es Merkel in dieser Frage um die Sache und nicht nur um ein Wahlkampfmanöver gehe, seien die Grünen rund um die Uhr ansprechbar.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP