Politik

Rohstoffe und Investitionen in Afrika "China kann ein Vorteil sein"

Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma, links, mit Chinas Präsident Hu Jintao.

Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma, links, mit Chinas Präsident Hu Jintao.

(Foto: Reuters)

Sind Schwellenländer wie China und voll entwickelte Industriestaaten wie Deutschland in Afrika Konkurrenten? Der Blick des asiatischen Riesen ruht auf den Rohstoffen des Kontinents. Auch Deutschland hat wirtschaftliche Interessen in den dortigen Entwicklungsländern. Ein Gegensatz ist das nicht, sagt Afrika-Expertin Pohl.

n-tv.de: Bundeskanzlerin Angela Merkel reist für mehrere Tage nach Afrika, nach Kenia, Angola und Nigeria. Inwiefern finden diese Treffen auf Augenhöhe statt?

Birte Pohl: Entwicklungszusammenarbeit findet natürlich immer noch in dem Rahmen statt, dass Deutschland ein industrialisiertes Land ist, und die afrikanischen Entwicklungsländer. Dennoch wird nun Kooperation betont und die Geber-Nehmer-Beziehung tritt in den Hintergrund. Somit finden die Gespräche auf Augenhöhe statt. So sollte es auch sein.

Nicht mehr: Wir bringen euch Technik mit, wir wissen, wie eure Wirtschaft effektiver wird?

Nein, denn diese Strategie funktioniert nicht. Ein Beispiel wären Kohlekraftwerke, die in Afrika installiert werden sollen, aber dort gar nicht arbeiten können. Wegen der Hitze, oder weil die afrikanischen Beschäftigten nicht ausgebildet sind für die Anwendung einer spezifischen Technik. Es muss erstens eine Möglichkeit geben, die Technologie an die vorherrschenden Bedingungen anzupassen. Zweitens muss neben dem Transfer "harter" Technologie auch "weiche" Technologie wie Fachkompetenzen übertragen werden. Nur dann können sich moderne Technologien auch in Afrika verbreiten. Das klappt nur über Kooperation.

Das Afrika-Konzept der Bundesregierung betont wiederholt die Partnerschaft zu den Staaten des Kontinents. Das war nicht immer so. Warum dieser Paradigmenwechsel?

Es wird eine große Distanz zur Entwicklungszusammenarbeit der vergangenen Jahrzehnte gesucht. "Wir kommen zu euch und zeigen euch, was ihr braucht" bringt offenbar nichts. Im Gegenteil: Es wird klar, dass eine solche Vorgehensweise auch negative Effekte haben kann. Man muss das Gespräch mit den Politik- und Wirtschaftsvertretern vor Ort suchen, damit Gelder auch entwicklungsfördernd verwendet werden. Zusammenarbeit bringt mehr, das ist auch der Bevölkerung hier in Deutschland klar.

Mit welchen Inhalten?

Welche Bedingungen herrschen vor Ort? Was braucht ihr? Dass nicht einfach Modelle aus industriellen Ländern in Afrika aufgesetzt werden. Das Bewusstsein für Kooperation ist inzwischen stärker.

Ein Sudanese feiert die Unabhängigkeit des Südsudan, der über große Ölreserven verfügt.

Ein Sudanese feiert die Unabhängigkeit des Südsudan, der über große Ölreserven verfügt.

(Foto: REUTERS)

Die Betonung der Partnerschaft war also überfällig - und ist genau das, was etwa China spätestens seit 2006 bereits macht. Sind sie den Europäern voraus?

China hat natürlich auch kommerzielle Interessen. Wie effektiv die chinesische Entwicklungspolitik in Afrika bislang war, kann ich persönlich nicht beurteilen. Das gilt auch für die marktwirtschaftliche Seite in Bezug auf China.

Die Chinesen sind etwa stark im Sudan engagiert, dessen Staatschef Omar al-Baschir wegen Menschenrechtsverletzungen international gesucht wird. Der Eindruck ist: China reißt sich Afrika unter den Nagel und Europa hechelt hinterher.

Einerseits: Die Frage ist natürlich, ob wir eine Zusammenarbeit verantworten können. Andererseits: Vielleicht können Partnerschaften mit solchen Ländern aber auch langfristig andere politische Entwicklungen fördern.

Entwicklungen im Sinne westlicher Demokratien?

Die Modelle der industrialisierten Länder kann man nicht einfach auf ein afrikanisches Land übertragen. Aufsetzen klappt nicht, es muss sich entwickeln. Das gilt für den politischen wie auch den wirtschaftlichen Bereich. Zudem sind die Situationen in den einzelnen Staaten unterschiedlich.

Wo stehen die Deutschen im Vergleich zu China, das sich seit Jahren um Partnerschaften auf dem Kontinent bemüht?

In meinen Studien ist klargeworden, dass es ein Vorteil sein kann, wenn Entwicklungs- oder Schwellenländer wie China und Indien in anderen Entwicklungsländern investieren. Etwa, weil die von ausländischen Unternehmen aus Entwicklungsländern eingesetzten Technologien besser für den Standort geeignet sind, oder weil diese viel mehr Erfahrung mit den Bedürfnissen von Konsumenten mit niedrigen Einkommen haben. Das kann hinsichtlich der Verbreitung neuer Technologien und der Schaffung von Arbeitsplätzen viel effektiver sein, als wenn ein deutsches Unternehmen dorthin kommt. Investitionen und Kooperationen chinesischer Investoren werden allerdings genauso wie solche aus Deutschland von kommerziellen Interessen und dem Bedarf an Rohstoffen geleitet.

Gibt es ein Beispiel für besser angepasste Technologien?

Ein Beispiel aus dem Bankensektor: Togos Ecobank hat etwa ein Schulden-Rating-Modell entwickelt, speziell vor dem Hintergrund der häufig unvollständigen oder fehlenden Bilanzen kleiner und mittlerer Unternehmen in Afrika.

Empfang von höchster Stelle: Angela Merkel mit Kenias Präsident Mwai Kibaki in Nairobi.

Empfang von höchster Stelle: Angela Merkel mit Kenias Präsident Mwai Kibaki in Nairobi.

(Foto: dpa)

Beispiel angepasste Produkte: Südafrikanische Banken haben "mzansi"-Konten für das Privatkundengeschäft entwickelt, die für Kunden mit niedrigem Einkommen in Südafrika und anderen afrikanischen Ländern geeignet sind.

Der Status Chinas als Schwellenland ist also in Afrika ein Vorteil?

Man spricht von "Spill over"-Effekten - dass also eine neue Technologie in ein Land kommt und in der Folge auch dort verbreitet wird. Solche Süd-Süd-Kooperationen, also zwischen Ländern ähnlicher Entwicklungsniveaus, kann für eine Zusammenarbeit effektiver sein.

Wie steht Europa im Vergleich zu China in Afrika da?

Nord-Süd-Kooperationen, also zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, sind auf keinen Fall überflüssig und können ersetzt werden durch Kooperationen mit Ländern wie Indien und China. Vielmehr ergänzen sie sich. 

Ist die gemeinsame Kolonialgeschichte ein Problem für die europäisch-afrikanische Zusammenarbeit - im Gegensatz zu China, das als unbeteiligter Dritter auftreten kann?

Wie die lokale Bevölkerung in afrikanischen Ländern die Investoren aus Ländern der ehemaligen Kolonialmächte wahrnehmen, kann ich nicht genau beurteilen. Genau wie deutsche, US-amerikanische und weitere Industrieländer übernehmen aber beispielsweise auch chinesische Investoren große Bodenflächen auf Kosten lokaler Bauern. Wenn akut das Land genommen wird, hat man natürlich keinen guten Eindruck von dem verantwortlichen Investor, egal woher er kommt.

Die Bundeskanzlerin reist auch nach Angola, einer der aufstrebenden Staaten des Kontinents. Die chinesische Bilanz im Jahr 2009 weist 14,6 Milliarden US-Dollar Importe von dort aus, aber nur Exporte im Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar. Kommt dieser Exportüberschuss den Menschen in Angola zugute?

Es ist nicht per se von Vorteil für die lokale Entwicklung, wenn ein Land einen Handelsbilanzüberschuss hat. Dies gilt umso mehr, wenn diese Überschüsse auf Erdölexporte zurückzuführen sind. Dabei ist natürlich auch gerade die Intransparenz der Regierungsführung in einigen Ländern ein großes Problem. Obwohl Angola mittlerweile aufgrund der Erdölerlöse kein Niedriglohnland mehr ist, lebt ein Großteil der Angolaner in extremer Armut ohne Zugang zu Bildung oder Gesundheit.

Und bei der Rohstoffförderung?

Das muss man genau betrachten. Was passiert, wenn die Rohstoffe exportiert werden, was ist die Konsequenz für das Land? Im Vergleich zum Industrie- oder Dienstleistungssektor besteht im Rohstoffsektor ein geringeres Potenzial für die Übertragung und Verbreitung neuer Technologien oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auch dann, wenn die Devisen nicht verwendet werden, um lokale Projekte anzustoßen, sondern nur wenige Personengruppen davon profitieren.

Mit Dr. Birte Pohl vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg sprach Roland Peters

Quelle: ntv.de

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