Politik

Neues Reiseziel Chodorkowski beantragt Visum für Schweiz

Michael Chodorkowksi trifft nun Berlin auf seine Familie.

Michael Chodorkowksi trifft nun Berlin auf seine Familie.

(Foto: REUTERS)

Der Kreml-Kritiker Chodorkowski wird in nächster Zeit seinen Aufenthaltsort offenbar in die Schweiz verlegen. Heiligabend beantragt er ein Drei-Monats-Visum. Chodorkowski hat zudem eine Botschaft für die Pussy-Riot-Aktivistinnen.

Chodorkowski (m.) mit seinen Eltern Marina and Boris, seinem Sohn Pawel (r.) und seiner ersten Frau Jelena (l.) in Berlin.

Chodorkowski (m.) mit seinen Eltern Marina and Boris, seinem Sohn Pawel (r.) und seiner ersten Frau Jelena (l.) in Berlin.

(Foto: REUTERS)

Der freigelassene Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski hat ein Schengen-Visum für die Schweiz beantragt. Wie das Schweizer Außenministerium in Bern mitteilte, erfolgte der Schritt bei der Schweizer Botschaft in Berlin. Inhaber eines Schengen-Visums können sich in den Staaten des Abkommens bis zu 90 Tage pro Halbjahr aufhalten. Die Schweiz gehört zu den 26 Staaten des Schengener Abkommens. In der Schweiz leben seine Frau und die beiden Zwillingssöhne Gleb und Ilja. Die gemeinsame Tochter Anastasia lebt in Moskau.

Chodorkowski und seine Familie wollten sich am Heiligabend in Berlin treffen. "Die Familie wird heute ankommen", sagte die Sprecherin Olga Pispanen in Moskau. "Sie waren zehn Jahre lang nicht vereint." Chodorkowski hatte bereits angekündigt, nicht nach Russland zurückkehren zu wollen, wo ihm nach eigenen Angaben eine millionenschwere Zivilklage droht.

"Er wartet auf die Ankunft seiner Familie. Sie werden sich zusammensetzen und das alles besprechen", sagte Pispanen über die Zukunftspläne der Familie. Die Familie und der Sohn aus erster Ehe, Pawel, wollen in Berlin Weihnachten und den Jahreswechsel feiern, sagte ein Sprecher.

Kein "Hass und Groll"

Für die ebenfalls freigelassenen Aktivistinnen der Punk-Band Pussy Riot hatte Chodorkowski am Heiligabend eine Botschaft: "Das wichtigste ist nun zweifellos, Kraft zu finden, damit nach dieser schweren Prüfung der Gefängnisstrafe Hass und Groll keinen Platz im Herzen haben",  erklärte Chodorkowski auf seiner Webseite in einem Kommentar zur Haftentlassung der beiden Frauen.

Der 50-Jährige gratulierte Maria Alechina und Nadeschda Tolokonnikowa zu deren Freilassung. "Ich bin froh zu hören, dass die Folter, die einem europäischen Staat im 21. Jahrhundert unwürdig ist, nun zuende ist", schrieb er. "Die Freilassung politischer Gefangener macht die Regierung zumindest ein kleines bisschen menschlicher", schrieb Chodorkowski, der selbst erst am Freitag nach mehr als zehn Jahren Lagerhaft begnadigt und freigelassen wurde. Der Kreml-Kritiker hatte am Sonntag gesagt, er wolle sich nicht beim russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Inhaftierung rächen. Er wolle weder in die Politik, noch in die Wirtschaft gehen, aber politischen Gefangenen in Russland helfen.

Alechina und Tolokonnikowa waren am Montag vorzeitig aus ihren Gefängnissen entlassen worden. Beide Punk-Musikerinnen nutzen ihre Freilassung infolge einer Amnestie-Regelung zur Kampfansage an Putin und den "totalitären" Strafvollzug in Russland. Tolokonnikowa kritisierte, das ganze Land sei ein "einziges Straflager". Alechina warf dem Kreml-Chef einen "PR-Trick" vor den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi vor. Anders als Chodorkowski, wollen die beiden Musikerinnen in Russland bleiben.

Familie verbringt Feiertage in Berlin

Am Wochenende hatte Chodorkowski in Berlin seine Eltern Marina und Boris sowie seine erste Ehefrau Jelena und den gemeinsamen Sohn Pawel getroffen. Der 28-jährige Pawel lebt in den USA.

Michail Chodorkowski war als Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos 2003 festgenommen und wegen umstrittener Finanzgeschäfte in zwei Prozessen zu langjähriger Lagerhaft verurteilt worden. Nachdem er am Freitag freigelassen worden war, reiste er umgehend nach Berlin.

Der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hatte im Fall Chodorkowski vermittelt und sich deshalb auch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin getroffen.

Dreistelliger Millionenbetrag an Schulden?

Auch wenn er das momentan ausschließt, könnte Chodorkowski offenbar 2015 auch ohne Bezahlung seiner Millionenschulden beim russischen Staat nach Moskau zurückkehren. Die Staatsduma bereite ein Gesetz vor, das künftig eine private Bankrotterklärung ermögliche, sagte der Parlamentsabgeordnete Sergej Gawrilow der Zeitung "Iswestija".

Chodorkowski hat nach offiziellen Angaben 17,5 Milliarden Rubel (388,9 Millionen Euro) Schulden beim russischen Staat. Die Summe geht zurück auf ein umstrittenes Strafverfahren von 2003 wegen Steuerbetrugs bei Chodorkowskis inzwischen zerschlagenem Ölkonzern Yukos.

Chodorkowski geht davon aus, dass Putin ihn begnadigt hat, weil er ausreiste. Außerdem erhebt Chodorkowski keine Forderungen auf Rückgabe seines früheren Eigentums. Und er verzichtet darauf, die russische Opposition zu unterstützen. Regulär wäre er im August 2014 aus dem Straflager entlassen worden.

Chordokowski in Russland umstritten

Die Sichtweisen auf den früheren Ölboss, der einst Putin die Stirn bot und die Opposition unterstützte, sind in Russland unterschiedlich. Die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Valentina Matwijenko, warnte vor Vergleichen mit dem früheren Sowjetdissidenten und Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn (1918-2008). "Solschenizyn ist ein Mensch, der viel getan und dabei die Situation nicht politisiert hat. Er war ein echter Kämpfer für die Menschenrechte, für Freiheit, für Gleichheit", sagte Matwijenko.

"Solschenizyn war ein großer Patriot seines Landes, der von allen anerkannt wurde. Und ein Vergleich mit Chodorkowski ist sowohl unangemessen als auch falsch", sagte die kremltreue Politikerin. Solschenizyn hatte mit seinem vor 40 Jahren erschienen Buch "Archipel Gulag" über den blutigen Alltag in sowjetischen Straflagern aufgeklärt und damit dem Kommunismus sein menschliches Antlitz entrissen.

Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa

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