Die FDP und der Bundestag "Darüber will ich gar nicht nachdenken"
29.04.2017, 11:40 Uhr
Das jüngste Motto der FDP, in magentafarbenem Graffiti-Charm.
(Foto: imago/Gerhard Leber)
Die FDP will bei der Wahl im Herbst wieder die Rückkehr in den Deutschen Bundestag schaffen. Doch wie gut ist die Partei aufgestellt, um dieses Ziel zu erreichen? Welche Koalitionsoptionen gibt es für die Liberalen? Johannes Vogel, Mitglied des Bundesvorstandes und Generalsekretär der nordrhein-westfälischen FDP, erklärt im Gespräch mit n-tv.de, was seine Partei in Zukunft plant.
n-tv.de: Christian Lindner wurde mit 91 Prozent zum FDP-Chef wiedergewählt. Das ist ein schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren und schlechter als das von SPD-Chef Martin Schulz, der auf glatte 100 Prozent kam. Ist das eine Schlappe?
Johannes Vogel: Bei den Freien Demokraten gibt es keine sozialistischen Ergebnisse wie bei Martin Schulz. Und das ist auch gut so. Christian Lindner hat ein Topergebnis erzielt, über 90 Prozent sind ein großartiger Vertrauensbeweis.
Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen in zwei Wochen tritt Lindner als Spitzenkandidat an, im Herbst will er sich aber auch in den Bundestag wählen lassen. Führt die FDP ihre Wähler in die Irre?
In Nordrhein-Westfalen ist das seit über einem Jahr die bekannte Geschäftsgrundlage. Die Bürgerinnen und Bürger wissen bei Christian Lindner, woran sie sind. Jeder Stimme für die FDP in NRW ist eine Stimme für den Politikwechsel. Christian will auch in der Phase der Regierungsbildung im Landtag Verantwortung tragen. Gleichzeitig zählt jede Stimme für die FDP in Nordrhein-Westfalen doppelt, weil die Wahl dort auch ein starkes Signal an die ganze Republik sendet.
Der Einzug in den Bundestag ist ein zentrales Ziel Ihrer Partei. Wie traumatisch ist es, wenn Sie diesen wieder verfehlen?
Darüber denke ich nicht nach.
Und doch, gibt es einen Plan B?

Johannes Vogel ist Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen und Mitglied des Bundesvorstands der Partei.
(Foto: imago/Sven Simon)
Das wird klappen. Es fehlt ja offenbar eine zukunftsoptimistische, reformorientierte Kraft der Mitte im Bundestag, eine Stimme für Marktwirtschaft, einen wehrhaften Rechtsstaat und eine weltoffene Gesellschaft. Aber das Projekt, an dem wir seit drei Jahren arbeiten, die Erneuerung der FDP, wird dann nicht zu Ende sein. Das wird auch nach der Bundestagswahl weitergehen.
Mit welcher Partei wollen Sie denn an die Macht?
Wir gehen so unabhängig wie nie zuvor in die Bundestagswahl - und deshalb auch ohne Koalitionsaussage. Aber die Bürgerinnen und Bürger - und das ist die zentrale Lehre aus der Krise der FDP - können sich darauf verlassen, dass es mit uns eine echte inhaltliche Veränderung geben wird. Im Bundestag beschäftigt sich die SPD immer noch mit der Rückabwicklung der Agenda 2010, will eher eine Art Agenda 90er. Der CDU fällt nicht mehr ein, als den Status Quo zu verteidigen, deren Agenda heißt Stillstand. Wir machen uns Gedanken, wie wir Deutschland mit einer Zukunftsagenda fit machen und modernisieren können. Für dieses Ziel sind wird offen für Gespräche. So, wie sich die anderen Parteien im Moment aufstellen, kann es allerdings leider auch sehr gut sein, dass niemand als Partner für echte Veränderungsprojekte zur Verfügung steht. Dann gehen wir in die Opposition.
SPD-Chef Martin Schulz umwirbt seit Kurzem die FDP. Ist das ein gutes Gefühl für die FDP und eine Verlockung?
Ich bin fasziniert, dass Martin Schulz einerseits rhetorisch auf die FDP zugeht und andererseits sagt, er wolle die Agenda 2010 weiter zurücknehmen - was das Gegenteil von dem ist, was Deutschland braucht und wofür wir stehen. Wir sind wie gesagt offen für Gespräche mit jedem, der mit uns eine Modernisierungsagenda für Deutschland machen will. Im Moment kann ich von den wenigen programmatischen Aussagen, die Martin Schulz gemacht hat, aber nicht erkennen, dass er in diese Richtung will. Er scheint zurück in die Vergangenheit zu wollen. Die SPD muss erstmal klären, was sie wirklich will. Aktuell ist das vor allem der Versuch, von der Rot-Rot-Grün-Debatte im Zuge der Saarland-Wahl abzulenken.
Seit dreieinhalb Jahren ist die FDP in der außerparlamentarischen Opposition. Wie lehrreich ist so etwas?
Wir haben uns frei gemacht von Opportunismus und Ängstlichkeit. Allein unsere Überzeugung zählt, auch dann, wenn sich dabei vielleicht mal ehemalige Unterstützer vor den Kopf gestoßen fühlen. Die Kritik halten wir aus. Und wir haben verstanden, dass wir uns auch im Stil modernisieren müssen. Das betrifft die Art, wie wir Politik machen, wie wir kommunizieren, wie unsere Parteitage aussehen - und vor allem den Umgang miteinander. Die FDP ist zum echten Team geworden. In der Vergangenheit gab es in der alten FDP auch schlechtes Reden übereinander. Jetzt betreiben wir seit drei Jahren jeden Wahlkampf geschlossen.
Und doch scheint die FDP seit ihrem Rauswurf aus dem Bundestag nicht sonderlich vermisst worden zu sein. Warum sollte man sie wieder wählen?
Weil es im Deutschen Bundestag niemanden gibt, der sich über eine Zukunftsagenda 2030 Gedanken macht. Weil wir im Deutschen Bundestag eine Politik der Großen Koalition erleben, die zum Beispiel milliardenschwere Wahlkampfgeschenke in der Rente verteilt, ohne sich Gedanken zu machen, wer das jemals zahlen soll. Weil es wirtschaftspolitisch nur noch Opposition von links gibt, was nicht ausreicht. Und weil wir erlebt haben, dass die aktuellen Parteien im Bundestag nicht die Kraft haben, wichtige gesellschaftspolitische Projekte wie ein Einwanderungsgesetz und ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht aus einem Guss anzugehen. Das alles zeigt: Eine reformorientierte, weltoffene, eben liberale Kraft der Mitte fehlt.
Mit Johannes Vogel sprach Gudula Hörr
Quelle: ntv.de