Politik

"Opposition lacht sich ins Fäustchen" De Maizière tadelt Parteikollegen

Thomas de Maizière fordert Schwarz-Gelb zu mehr Geschlossenheit auf.

Thomas de Maizière fordert Schwarz-Gelb zu mehr Geschlossenheit auf.

(Foto: picture alliance / dpa)

Volksabstimmungen über Europa, Fiskalunion, Gleichstellung der Homo-Ehe: Fast täglich melden sich CDU-Politiker mit neuen Vorschlägen zu Wort. Jetzt hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière genug. "Das lähmt die Koalition", sagt er und fordert mehr Disziplin und Geschlossenheit von seinen Kollegen.

Politische Sommerpausen sind keine Schulferien. Schüler beherrschen es, den Schulranzen vom ersten bis zum letzten Ferientag zu ignorieren. Politikern fällt dieses Abschalten, dieser Tunnelblick auf Freizeit schwerer. Zu groß ist die Verlockung, sich zu profilieren und das Sommerloch mit Inhalt zu füllen. Die einen Parlamentarier beherrschen das Abschalten besser als die anderen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wandert in Südtirol, Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz im Thüringer Wald. Grünen-Chefin Claudia Roth fährt an die türkische Mittelmeerküste. Manche nutzen die viele freie Zeit auch anders, zum Beispiel zum Lesen. Und werden spätestens dabei wieder an ihre lieben Kollegen erinnert.

Politiker kennen keine Ferien?

Politiker kennen keine Ferien?

Auch bei Thomas de Maizière muss das so gewesen sein. Der Bundesverteidigungsminister gilt eher als ruhiger Zeitgenosse. Kein Dampfplauderer, eher ein nüchterner Technokrat. Eigentlich. Doch einen Monat vor Ende der Sommerpause meldet auch er sich zu Wort. Nicht zur Sache, sondern zu den neuesten Ergüssen seiner Koalitionskollegen. Und der Wortlaut lässt erahnen, dass sich einiges aufgestaut haben muss.

Von einer Sommerpause war in der CDU zuletzt wenig zu spüren. Fast täglich las de Maizière neue Wortmeldungen aus seiner Partei. Ob eine Volksabstimmung über Europa oder die steuerliche Gleichsetzung der Homo-Ehe: Mit immer neuen Vorschlägen wählen Einzelne oder sogar kleine Gruppen den direkten Weg in die Öffentlichkeit. Das brachte bei de Maizière das Fass zum Überlaufen.

"Wenn sich immer wieder 13, 14, 20 oder 30 Abgeordnete zusammentun, eine Initiative starten und dann erwarten, dass sich andere danach richten, lähmt das eine Koalition", sagte de Maizière dem "Tagesspiegel". Das sei schon beim Betreuungsgeld falsch gelaufen. So habe man einem Brief entnehmen müssen, dass eine bestimmte Anzahl von CDU-Abgeordneten nicht zustimmen werde. "Das ist kein Beitrag zu einer guten Regierungsarbeit. Da lacht sich die Opposition doch ins Fäustchen", kritisierte der Minister. Es gebe genug andere Wege, Initiativen zu starten, um zu einer geschlossenen Haltung zu kommen. "Das darf die Bevölkerung von einer gut arbeitenden Regierung erwarten."

Falsche Erwartungen

De Maizière fordert mehr Disziplin und Geschlossenheit in der schwarz-gelben Koalition, mehr konzentrierte Aktion als chaotische Alleingänge. In seiner Schusslinie steht auch Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister hatte Ende Juni für eine Fiskalunion geworben. Weil dadurch deutsche Souveränitätsrechte auf europäische Institutionen übertragen werden müssten, sei es fast unumgänglich, dass die deutsche Bevölkerung über ein neues Grundgesetz abstimmen müsse. Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte sich zuletzt für Volksabstimmungen zur politischen Zukunft Europas ausgesprochen.

De Maizière zufolge hätten diese Debatten negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte, "weil sie Erwartungen wecken, die nicht sofort erfüllt werden". Der ehemalige Kanzleramtschef hält es nicht für sinnvoll, darüber zu spekulieren. "Bevor wir das Volk über ein neues Grundgesetz abstimmen lassen, müssen wir doch erst einmal in Europa die Verträge ändern."

Politiker auf Durchreise

Doch auch de Maizière hat sich in seiner "Sommerpause" nicht nur aufs Zuschauen beschränkt. Anfang Juli stattete er den deutschen Soldaten in Afghanistan einen Besuch ab. Mitte des Monats war er zurück in Berlin. Auf dem Paradehof des Bendlerblocks hielt er eine Rede beim Gelöbnis von Bundeswehrsoldaten am Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler. Anschließend reiste de Maizière erneut zu einem Kurzbesuch an den Hindukusch. Erstmals war er im gefährlichen Süden des Landes unterwegs.

Und dann kam Olympia. Der 58-Jährige verfolgte einige der Wettkämpfe live in London. Vor Ort war er plötzlich auch als Politiker gefragt: die Neonazi-Affäre um die deutsche Ruderin Nadja Drygalla. De Maizière störte die Hetzjagd auf die umstrittene Sportlerin, er war bewegt, hatte Mitleid mit ihr. Der Minister gab viele Interviews, aber er antwortete nicht nur auf Fragen. "Soll diese Frau dafür ein ganzes Leben lang stigmatisiert werden? Haben wir nicht auch Schamgrenzen bei der Ausforschung des Privatlebens von Sportlern?", fragte er. Aber wer sprach da: War es der Politiker de Maizière oder der Privatmensch?

Doch besonders begeistert war der Olympia-Tourist in London von einem: Usain Bolt. Ihn beeindruckt vor allem die Lockerheit des jamaikanischen Supersprinters, seine Fähigkeit, alle anderen Einflüsse um ihn herum abzuschalten. In den Lobeshymnen, die de Maizière den Journalisten in ihren Block diktierte, schwang auch Neid mit. "Manche Sportler haben einen Tunnelblick und wollen mit niemandem kommunizieren", sagte der Politiker auf Abruf.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen