Politik

Röslers Macht offenbart sich beim Parteitag Der Strippenzieher

FDP-Chef Rösler kann gelassen in den Parteitag gehen.

FDP-Chef Rösler kann gelassen in den Parteitag gehen.

(Foto: REUTERS)

Noch im Januar erscheint das Aus für FDP-Chef Rösler besiegelt. Kaum zwei Monate vergehen. Nun gilt seine Wiederwahl beim Parteitag am Wochenende als so sicher, dass es nicht einmal eine Debatte darüber gibt. Wie hat er das geschafft? Der 40-Jährige hatte Glück. Doch das allein erklärt seine Wiederauferstehung nicht.

Die FDP steht vor einem Parteitag der Kampfkandidaturen. Wenn die Delegierten am Wochenende in Berlin zusammenkommen, wird sich das Spitzenpersonal der Liberalen um die wenigen Stellvertreterämter balgen und um die Beisitzerposten im Präsidium. Zündstoff für den internen Kleinkrieg liefern verletzte Gefühle und Rachegelüste. Doch ein Liberaler aus der ersten Reihe kann das Delegiertentreffen ganz entspannt angehen: Philipp Rösler. Ausgerechnet Philipp Rösler. Wie hat der umstrittene Parteivorsitzende das geschafft?

Vor kaum zwei Monaten war der heute 40-Jährige nur noch eine schattenartige Erscheinung. Er hatte das Amt des Vorsitzenden inne, Medien, Wähler, ja selbst Parteikollegen zeigten sich aber überzeugt, dass seine Zeit abgelaufen sei. Sie rechneten mit einem ernüchternden Ergebnis der FDP bei der Landtagswahl in Niedersachsen und dann mit dem Rücktritt des Parteichefs. Es kam anders.

Ende Januar reüssierte die FDP in Hannover mit 9,9 Prozent der Stimmen. Ein Glücksfall für Rösler. Den Überraschungssieg erklärten sich die meisten Beobachter mit Zweitstimmen, die CDU-Wähler dem schwächelnden Wunschkoalitionspartner "liehen". Doch, dass Rösler jetzt ohne Gegenkandidat zur Wiederwahl als Vorsitzender antreten kann, dass es bei ihm nurmehr darum geht, den Delegierten ein anständiges Wahlergebnis abzuringen, scheint mit Glück nur bedingt zu tun zu haben.

Der überrumpelte Pfälzer

Durch einen Kniff gelang es Rösler zunächst, seinen schärfsten Konkurrenten, Fraktionschef Rainer Brüderle, zu bändigen. Bei der Präsidiumssitzung am Tag nach der Niedersachsenwahl bot Rösler überraschend seinen Rücktritt an, forderte Brüderle auf, die Verantwortung zu übernehmen. Der Pfälzer war überrumpelt, wagte nach dem Erfolg in Hannover nicht, Rösler in Frage zu stellen. Brüderle übernahm das Amt des Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, in dem ihn die Delegierten an diesem Wochenende wohl bestätigen werden, Rösler blieb Vorsitzender, ein gestärkter Vorsitzender. Röslers Umgang mit Brüderle trug zu seinem Ansehen in der Partei bei.

Dass sich die Debatte über die FDP kurz vor dem Auftakt des Parteitages nicht darum dreht, wie viele Delegierte am Wochenende für Rösler stimmen müssten, hat noch einen zweiten Grund: Jenen Zoff um Stellvertreterämter und Beisitzerposten im Präsidium. Und auch der lässt sich als ein geschickter Coup Röslers lesen.

Kampf gegen die Müllabfuhr

Röslers (3.v.r) Triumph ist Niebels (2.v.r.) Niederlage.

Röslers (3.v.r) Triumph ist Niebels (2.v.r.) Niederlage.

(Foto: REUTERS)

Für die drei Stellvertreterposten kandidieren mindestens vier Spitzenliberale. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Sachse Holger Zastrow und die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger wollen sich in dem Amt bestätigen lassen. Der frühere Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, will es erobern.

Der liberale Hoffnungsträger Lindner und die geschätzte Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger gelten als gesetzt. Zastrow und Homburger haben sich dagegen schon auf ein Duell eingestellt. Für Zastrow ist ein Verzicht undenkbar, weil er für die ostdeutschen Landesverbände steht. Für Homburger hat die Wahl eine persönliche Komponente. 2011 schubsten Parteikollegen sie schon von ihrem Fraktionsvorsitzenden-Posten. Dabei musste sie heftige verbale Hiebe einstecken. Von "Müllentsorgung" war die Rede. Sich nach derartigen Attacken mit dem Aus in der ersten Reihe der Partei einfach abzufinden, dürfte ihr schwer fallen.

Dass es am Wochenende überhaupt zu dieser Kampfabstimmung kommt, liegt auch am Parteivorsitzenden. Als die CDU vor einem halben Jahr in einer ähnlich verfahrenen Situation steckte, erhöhte die Partei einfach die Zahl der Stellvertreter, um den Konflikt auf dem Parteitag zu verhindern. Rösler will davon offensichtlich nichts wissen. Hinzu kommt, dass die Kandidatur Lindners, dem vierten Reifen am Dreirad, angeblich auf ausdrücklichen Wunsch Röslers erfolgt.

Der neue Scheintote heißt Niebel

Auch bei den Beisitzerposten besteht der Eindruck, als wäre zumindest das Ausmaß des Streits begrenzbar gewesen. Zunächst standen vier Bewerber um die drei Posten im Raum, Entwicklungsminister Dirk Niebel, Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki und der hessische Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn. Nur wenn Homburger das Duell um den Stellvertreterposten gegen Zastrow verlieren sollte, will auch sie sich für einen der Plätze bewerben. Es hätte also glimpflich ablaufen können.

Doch kurz vor dem Parteitag kündigte Gesundheitsminister Daniel Bahr seine Kandidatur an – mit ziemlich deutlichen Worten. "Ich will dazu beitragen, dass die FDP sich mehr mit dem politischen Gegner als mit sich selbst beschäftigt", sagte er dem "Spiegel". Das klingt nach Revanche. Bahr will offenbar sicherstellen, dass es für Entwicklungsminister Niebel künftig auf keinen Fall mehr Platz im Präsidium gibt. Niebel hatte wie kein Zweiter Parteichef Rösler kritisiert, ihn mehrmals offen als Vorsitzenden in Frage gestellt und damit der Partei geschadet. Davon zeigen sich zumindest Parteikollegen überzeugt.

Kurz vor dem Auftakt in Berlin steht so nun vor allem eine Frage im Raum: Übersteht Dirk Niebel seinen Putschversuch?

Der Vorsitzende der FDP hätte Bahr die Kandidatur gegen Niebel sicher ausreden können, um den parteiinternen Kampf zu verhindern. Der Gesundheitsminister war früher Staatssekretär in Röslers Ministerium, er gilt als einer seiner engsten Vertrauten. Doch Rösler forderte ihn offensichtlich nicht zum Verzicht auf. Und nun wirkt nicht mehr der Parteichef wie eine schattenartige Erscheinung, sondern der umstrittene Entwicklungsminister. Noch ist Niebel Beisitzer im Präsidium. In einem Duell mit Bahr räumt ihm aber niemand große Chancen ein.

Quelle: ntv.de

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