Politik

FDP suhlt sich in Aufmerksamkeit Der versaute Landtagswahlkampf

Oink, Oink - Der brandenburger FDP-Vorsitzende Gregor Beyer (l.) quitscht mit dem Gummischwein. Spitzenkandidat Andreas Büttner belässt es beim Plakat.

Oink, Oink - Der brandenburger FDP-Vorsitzende Gregor Beyer (l.) quitscht mit dem Gummischwein. Spitzenkandidat Andreas Büttner belässt es beim Plakat.

(Foto: picture alliance / dpa)

So viel Interesse an der FDP gab es lange nicht mehr. Der Brandenburger Landesverband lockt mit einer besonderen Landtagswahlkampagne etliche Journalisten nach Potsdam. Die Parteispitze in Berlin ist nicht begeistert. Von wegen "Aufmerksamkeit ist alles".

Die Mailbox springt an: "Keine Sau braucht die FDP! Leider können wir daher Ihren Anruf nicht entgegen nehmen." Mehrere Tage lang ertönt diese Ansage aus der Geschäftsstelle der Brandenburger Liberalen. "Keine Sau braucht die FDP!", auch auf 110 großflächigen Plakaten und der Webseite der Partei prangt dieser Spruch.

Christian Lindners Begeisterung über die Brandenburger Kampagne dürfte sich in Grenzen halten.

Christian Lindners Begeisterung über die Brandenburger Kampagne dürfte sich in Grenzen halten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Landesverband geht mit dem ungewöhnlichen Slogan in die heiße Phase des Wahlkampfes. Schon am 14. September entscheiden die Brandenburger, ob die FDP im Landtag bleibt oder wie die Bundespartei ihre Sitze im Parlament räumen muss. Die Aussichten, düster. Lassen sich die Liberalen deshalb wieder zu Spaßwahlkämpfen hinreißen? Dieses Mal mit Galgenhumor? Oder bricht sich die vollkommene Resignation im Angesicht des Niedergangs bahn? Hinter der Kampagne steckt mehr, als sich zunächst vermuten lässt. Doch sie birgt Gefahren - nicht nur für die Zukunft der Brandenburger FDP.

Nach Tagen des Rätselratens will die Landesspitze die Kampagne auf einer Pressekonferenz erklären. Eine Lokalreporterin blickt sich ungläubig im Tagungsraum um: "Wo kommen die ganzen Leute her?", fragt sie. "Die Gesichter hab ich in Potsdam ja noch nie gesehen." Fernsehteams sind angereist, Hauptstadtkorrespondenten aus Berlin. Eines ist dem Landesverband gelungen: Er hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Das Motto "Aufmerksamkeit ist alles" ist aber eben nur das: ein Motto.

Dem Bundesvorstand im Berliner Thomas-Dehler-Haus ist das längst bekannt. Viele dort erinnern sich noch allzu gut an das "Guido-Mobil" und den Auftritt "Saufen mit Brüderle " in der Harald Schmidt Show. Mit "Skepsis" habe man die Kampagne wahrgenommen heißt es denn auch aus Führungskreisen. "Mit großer Aufmerksamkeit gehen große Ansprüche einher."

Die "Störer" liegen bereit

Siegen um jeden Preis? Berlin-Bashing und Zweitstimmenkampagne - auch die sächsische FDP setzt auf eine krawallige Kampagne.

Siegen um jeden Preis? Berlin-Bashing und Zweitstimmenkampagne - auch die sächsische FDP setzt auf eine krawallige Kampagne.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der brandenburgische Landesvorsitzende Gregor Beyer schickt sich an, diese Ansprüche zu erfüllen. Er sitzt auf dem Podium. In der einen Hand hält er eine Gummi-Sau. Drückt er drauf, quietscht es. "Oink, Oink." In der anderen hält er ein Plakat, wieder mit diesem Spruch: "Keine Sau braucht die FDP." Es tue ihm sehr leid, aber er müsse die Anwesenden enttäuschen. Ironisch sei all das nicht gemeint. Zur Aufmerksamkeit kommt Verwunderung. Doch Beyer beseitigt sie schnell. Bei Ortsterminen habe er immer wieder gehört, dass die Leute die FDP tatsächlich nicht brauchen. "Lieber ehrlich, als immer nur beliebt", so das Motto. Mit "die FDP" meint Beyer allerdings auch vor allem "die" in Berlin. Die Ausführungen die darauf folgen, lassen sich in etwa so zusammenfassen: Was die Bundespartei zwischen 2009 und 2013 in Regierungsverantwortung abgeliefert hat, war Mist, der brandenburger Landesverband aber habe gute Arbeit geleistet. Beyer sagt: "Bitte differenzieren Sie." Die Brandenburger machen Wahlkampf auf Kosten der Bundespartei.

In einer zweiten Kampagnenphase überklebt die Truppe von Beyer die großflächigen Plakate mit sogenannten Störern. Dort wo jetzt noch "Keine Sau braucht die FDP!" zu lesen ist, steht dann: "Jeder Brandenburger braucht die FDP!" Danach geht es an die Inhalte. Es folgen weitere Slogans wie: "Der Mittelstand braucht die FDP! … damit Wirtschaft in der Politik Beachtung findet." Oder: "Jeder Bürger braucht die FDP!... damit jemand auf die Steuergelder aufpasst." Es heißt auch: "Jeder Schüler braucht die FDP! ... damit nicht Millionen Unterrichtsstunden ausfallen."

Es verwundert kaum, dass auch dieser Spin im Thomas-Dehler-Haus nur bedingt Begeisterung auslöst. Schon in Sachsen, dort wählen die Bürger am 31. August einen neuen Landtag, gibt es mit Holger Zastrow einen Liberalen, der mit Parolen gegen die Bundespartei für sich wirbt. "Sachsen ist nicht Berlin", heißt es dort auf den Plakaten. In der Berliner Führung befürchtet man deshalb nicht nur, dass die Brandenburger den Spannungsbogen ihrer Kampagne zu lange gehalten haben. Der Schriftzug mit der Sau prangte schließlich Tage lang im ganzen Land und bot mächtig Angriffsfläche. Nein, in Berlin bereitet auch Sorgen, dass die Bundespartei zusehends zum Feindbild der Landesverbände mutiert. Schließlich soll auch die irgendwann einmal wieder Wahlen gewinnen.

Ein doppelter Schlag

Der Berliner Führung bleibt allerdings kaum etwas anderes übrig, als die Sache möglichst lautlos hinzunehmen. "Was ist schädlicher? Wahlniederlagen in den Ländern, oder ein Imageschaden, der sich reparieren lässt?", heißt es aus Führungskreisen. Außerdem hat man ja auch ein gewisses Verständnis für den Kurs. Denn dass die Jahre in der Bundesregierung nicht ruhmreich waren, ist auch dort längst bekannt. Die FDP-Führung gibt sich deshalb optimistisch. Die Kritik, die in den Ländern jetzt auflodert, sei eine Kritik an der alten FDP. Aber es sei doch so, dass gerade eine neue FDP im Entstehen begriffen sei.

Ob dieser Optimismus gerechtfertigt ist? Derzeit sieht noch alles danach aus, dass die Partei sowohl Wahlniederlagen als auch den Imageschaden im Bund hinnehmen muss. Laut der jüngsten Umfragen des Instituts Infratest Dimap liegt die Partei in Sachsen bei 4 Prozent, in Thüringen bei 2 Prozent - und in Brandenburg nicht einmal im messbaren Bereich.

Quelle: ntv.de

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