Subventionen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutsche Industrie darf Milliarden behalten
08.04.2014, 14:07 Uhr
Wirtschaftsminister Gabriel verteidigt den Industriestandort Deutschland - das jedenfalls ist seine Botschaft.
(Foto: dpa)
Die EU tastet die milliardenschweren Rabatte für die deutsche Industrie bei der Ökostrom-Umlage nicht an. Dass Privatverbraucher folglich nicht mit sinkenden Strompreisen rechnen können, findet Wirtschaftsminister Gabriel nicht schlimm.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat Nachrichten im Gepäck, die man sehr unterschiedlich darstellen kann. Man könnte sagen: Viele Industriebetriebe in Deutschland werden ihre Ökostrom-Rabatte behalten - das sorgt dafür, dass der Strompreis für andere Unternehmen und für private Haushalte nicht sinkt. Oder man sagt: Ja, die Rabatte bleiben, und um die privaten Verbraucher kümmern wir uns später.
Der SPD-Chef hat sich für einen anderen, einen offensiven Ansatz entschieden. Er könne nicht versprechen, dass die Strompreise sinken. Was er versprechen könne: Die "Hunderttausende von Arbeitsplätzen" in der energieintensiven Industrie sollen erhalten bleiben.
Es geht um die Ausnahmen, die die Bundesregierung zahlreichen Unternehmen von der EEG-Umlage gewährt - von der Umlage also, mit der der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert wird. Nach Auffassung der EU-Kommission widersprechen die Rabatte den europäischen Beihilfe-Leitlinien, die derzeit neu gefasst werden. In der Nacht zum Dienstag hatten EU-Kommission und Bundesregierung ihren Streit jedoch beigelegt. Die Rabatte werden nun deutlich weniger stark eingeschränkt, als ursprünglich von Brüssel gefordert.
"Ein frivoles Unterfangen"
Für Gabriel ist das ein Erfolg. Er sieht die Industrierabatte nicht als unzulässige Beihilfe und schon gar nicht als Subvention auf Kosten der Verbraucher. So sieht seine Rechnung aus: Insgesamt gebe es 45.000 Betriebe in Deutschland, davon seien "ganze 2000" privilegiert. Das kostet 2014 immerhin 5,1 Milliarden Euro.
Wenn es aber keine Ausnahmen für die Industrie gäbe, so rechnet Gabriel vor, würde ein Drei-Personen-Haushalt "vielleicht 40 Euro im Jahr" sparen. Das möge eine relevante Summe sein, nutze aber nichts, wenn man dadurch seinen Job verliere. Diese 40 Euro zu tauschen gegen Hunderttausende Industriearbeitsplätze, "das hielte ich für ein frivoles Unterfangen".
Kein Wort verliert Gabriel darüber, dass die schwarz-gelbe Koalition die Ausnahmen noch erheblich ausgeweitet hatte. Das hat einen Grund: Die Beteiligung der Industrie an der EEG-Umlage soll auch künftig nicht steigen. Lediglich zwischen den Unternehmen werde es Verschiebungen geben, sagt Gabriel. Und: Wahrscheinlich "etwas weniger als 400 Unternehmen" werden keine Rabatte mehr bekommen. Allerdings würden besonders energieintensive Betriebe künftig nur bis 0,5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung an der Umlage beteiligt.
Geklagt hatten deutsche Unternehmen
Das Verfahren gegen Deutschland hatte die EU-Kommission im Dezember eingeleitet - nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil deutsche Unternehmen in Brüssel geklagt hatten. Das waren Unternehmen, die keine Rabatte bekommen hatten und sich deshalb benachteiligt fühlten.
Tatsächlich werden die energieintensiven Unternehmen in Deutschland doppelt entlastet: Sie sind nicht nur von der EEG-Umlage befreit, sie profitieren auch vom niedrigen Strompreis. Denn an der Strombörse sinkt der Strompreis infolge des Überangebots an Ökostrom. Im innereuropäischen Vergleich kann von einem Wettbewerbsnachteil durch die EEG-Umlage daher keine Rede sein. Im Gegenteil: Der französische Industrieverband kritisierte im vergangenen Dezember, dass die Industriestrompreise in Deutschland um 30 Prozent unter denen in Frankreich lägen.
Aber Gabriel argumentiert auch nicht mit europäischer Konkurrenz, sondern mit Wettbewerbern aus den USA, Russland, China und Lateinamerika. Was in den 80er und 90er Jahren die Debatte um die Arbeitskosten gewesen sei, das seien jetzt die Energie- und Rohstoffpreise.
Ein Dank geht an Merkel
In der Praxis sind die Ausnahmen bei der EEG-Umlage also durchaus eine Subvention, mit der die deutsche Industrie einen Wettbewerbsvorteil bekommen soll. Bezahlt werden diese Wettbewerbsvorteile von den Unternehmen, die keinen Zutritt zu den Privilegien bekommen. Und von den privaten Stromkunden. Am Ende zahle der Verbraucher die Zeche, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bei n-tv. Nach Berechnungen des Öko-Instituts drohen durch neue Industrie-Privilegien Belastungen von zusätzlich 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. "Das ist ein echtes Problem", sagte Hofreiter.
Am Vormittag hatte das Bundeskabinett die Reform der Ökostrom-Förderung beschlossen. Ziel ist es, den Strompreis bis 2017 stabil zu halten. Um eine Neuregelung der Industrierabatte ging es dabei noch nicht, dafür kam der Kompromiss mit Brüssel zu spät.
In der Pressekonferenz vergisst Gabriel nicht, den Mitarbeitern seines Ministeriums zu danken. Und der Bundeskanzlerin, die in Brüssel klargestellt habe, dass sie hinter ihrem Wirtschaftsminister stehe. Mit anderen Worten: Angela Merkel hat ihren Einfluss bei der Europäischen Union voll geltend gemacht. Diese Nachricht hat Gabriel immer im Gepäck: Zwischen Merkel und ihrem Vizekanzler läuft alles rund.
Quelle: ntv.de