Trotz zwei Jahren Krieg Deutsche fürchten Migranten viel mehr als Putin
12.02.2024, 12:04 Uhr Artikel anhören
Putin startete vor fast zwei Jahren den Großangriff auf die Ukraine. Dennoch sinkt die Wahrnehmung von Russland als Risikofaktor.
(Foto: REUTERS)
Obwohl Russland noch immer Krieg gegen die Ukraine führt: Die Sorge vor Moskau sinkt - in Deutschland wie auch in einigen anderen G7-Staaten. Dies zeigt eine Umfrage der Münchner Sicherheitskonferenz. Statt eines russischen Angriffs fürchten die Deutschen nun anderes mehr.
Knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Wahrnehmung Russlands als Bedrohung in der westlichen Welt laut einer Umfrage für die Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) wieder gesunken. Das geht aus dem Münchner Sicherheitsindex 2024 hervor, den die Sicherheitskonferenz in Berlin vorstellte. Demnach werden hingegen "Massenmigration", Cyberangriffe, die Klimaerwärmung und islamischer Extremismus wieder zunehmend als Risiken wahrgenommen.
Für den Index wurden im vergangenen Herbst repräsentativ Bürger der G7-Staaten, der ursprünglichen BRICS-Länder mit Ausnahme Russlands (Brasilien, Indien, China und Südafrika) und der Ukraine befragt. Die Wahrnehmung Russlands als Risikofaktor fiel demnach in fast allen Ländern. Nur noch in Großbritannien und Japan nehmen die Bürger Russland als das größte Sicherheitsrisiko wahr. Im vergangenen Jahr war dies noch in fünf G7-Ländern der Fall.
Die deutschen Bürger benannten in der Umfrage im Vorjahr noch Russland als Risiko Nummer eins, nun allerdings nur noch als ihre siebtgrößte Sorge. Stattdessen nahm die Wahrnehmung von Migration und islamischem Extremismus als Risiko ebenso wie beim Nachbarn Frankreich deutlich zu. In Kanada, Italien und Brasilien machen Wetterextreme und Waldbrände den Menschen am meisten Sorgen. In China und den USA stehen laut Bericht Cyberangriffe an oberster Stelle.
Priorität auf eigenen Vorteil bringt negative Dynamik
Der vier Tage vor Beginn der Sicherheitskonferenz veröffentlichte Bericht warnt vor dem Rückgang globaler Zusammenarbeit im Rahmen einer regelbasierten Ordnung. Die Priorisierung eigener Vorteile über den allgemeinen Nutzen globaler Zusammenarbeit führe zu einer "Lose-Lose"-Dynamik, in der es nur noch darum gehe, wer weniger verliert. Als Beispiele führt der Bericht die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten an, aber auch Streitigkeiten um Einflussbereiche, wie etwa im Pazifik.
Die geopolitischen Konflikte würden dazu führen, dass Kapital und Handel nur noch entlang der Grenzen dieser Konflikte fließen könnten. Auch der Kampf gegen die Erderwärmung drohe an geopolitischen Konflikten zu scheitern, technologischer Fortschritt werde zunehmend instrumentalisiert. Das begrenzt laut Bericht den Fortschritt selbst sowie auch die daraus entstehenden Wohlstandschancen und verhindert zudem notwendige globale Regularien, etwa für Künstliche Intelligenz (KI).
Statt eine Reform der regelbasierten Ordnung anzustreben, bewege die Weltgemeinschaft sich derzeit in die Gegenrichtung, schreiben die Autoren des Berichts. Für die transatlantischen Verbündeten und ihre gleichgesinnten Partner ergebe sich daraus ein schwieriger Balanceakt: Sie müssten angesichts der Weltlage in Verteidigung und Abschreckung investieren und sich auf die Stärkung ihres Einflussbereichs konzentrieren. Gleichzeitig dürfe dies nicht in einen Teufelskreis münden, in dem die globale Zusammenarbeit in immer mehr Bereichen wegfalle, heißt es in dem Bericht.
Die 60. Münchner Sicherheitskonferenz findet vom 16. bis zum 18. Februar in der bayerischen Landeshauptstadt statt. Es werden zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu dem Treffen erwartet, Medienberichten zufolge nimmt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj daran teil.
Quelle: ntv.de, als/AFP