Politik

"Ich bin kaputt" Deutscher Arzt darf Gazastreifen nicht verlassen

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Nach einem Luftangriff im südlichen Gazastreifen. Mahmoud Abu Khater  und seine Familie wollen raus aus dieser Hölle.

Nach einem Luftangriff im südlichen Gazastreifen. Mahmoud Abu Khater und seine Familie wollen raus aus dieser Hölle.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ein deutscher Neurochirurg und seine Familie können den Gazastreifen nicht verlassen, obwohl Ausländer eigentlich ausreisen dürfen. Der Grund: eine Namensgleichheit. Der Arzt, seine Frau und die Kinder sind mitten im Kriegsgebiet gefangen.

Der Arzt Mahmoud Abu Khater lebt mit seiner Frau Roba und den vier gemeinsamen Kindern im Gazastreifen. Seit dort Krieg herrscht, versuchen sie, nach Deutschland auszureisen, denn Abu Khater und seine Familie sind Deutsche. Irgendwann, nach langem Warten, standen ihre Namen endlich auf einer Liste der Behörden am Grenzübergang in Rafah. Das große Problem: Es waren nur vier von sechs Namen. Die Kinder hatten eine Ausreiseerlaubnis erhalten, Mama und Papa aber nicht. Sie mussten weiter im Gazastreifen bleiben, während die Kämpfe immer weiter eskalieren. Für Abu Khater und seine Familie ist das langsam zu viel: "Ich bin kaputt", sagt er ntv am Telefon. "Seelisch und mental können wir die Lage nicht mehr aushalten."

Seit Anfang November haben Ausländer und Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit in Gaza die Möglichkeit, nach Ägypten auszureisen. Jede Nacht veröffentlicht die Grenzbehörde auf Facebook und Telegram eine Liste mit Personen, die eine Ausreiseerlaubnis erhalten haben. Damit Deutsche auf diese Liste kommen können, müssen sie sich bei der deutschen Vertretung in Ramallah anmelden. Das Büro im Westjordanland untersteht dem deutschen Auswärtigen Amt und kann die Namen der Ausreisenden dann auf die Liste setzen lassen.

Um herauszufinden, warum er und seine Frau auf der Ausreiseliste fehlten, rief Abu Khater das Vertretungsbüro an. Schließlich können seine Kinder, Zwillinge im Alter von drei Jahren, ein Achtjähriger und ein neunjähriges Mädchen, schlecht allein ausreisen. Am Telefon bekommt der Arzt die Erklärung: Er und seine Frau hätten Namen, die denen von Menschen mit einem Ausreiseverbot ähneln. Deshalb hätten israelische Behörden veranlasst, dass Abu Khater und seine Frau das Gebiet nicht verlassen dürfen.

Dass ihm die Ausreise untersagt wurde, ergibt für den Arzt keinen Sinn. "Ich bin sehr liberal und habe mit der Hamas nichts zu tun. Ich hasse Gewalt!" Laut sagen kann er das im Gazastreifen nicht, schließlich sitzen er und seine Familie noch in dem Gebiet, das von der Terrorgruppe kontrolliert wird. Abu Khater arbeitet im Al-Aksa-Krankenhaus in Gaza, weil er als Neurochirurg lieber dort helfen wollte, wo es sonst keiner tut. Studiert hat er in Deutschland, in Münster. Auch sonst führt Abu Khater ein modernes, nach westlichen Maßstäben normales Leben. Politisch ist er bei der SPD zuhause. Alte Bilder zeigen ihn mit Gerhard Schröder - in einer Zeit, als der noch Kanzler war.

Während sie weiter auf die Ausreiseerlaubnis warten, geht es Abu Khater und seiner Familie immer schlechter. Seit Kriegsbeginn fehlen der Zivilbevölkerung in Gaza immer mehr überlebenswichtige Ressourcen. Israel hat bereits kurz nach den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober aufgehört, Strom und Treibstoff in das Gebiet zu liefern. Lastwagen mit humanitären Hilfslieferungen kommen zwar über die Grenze, aber es sind zu wenig und sie bringen nicht genug, um mehr als zwei Millionen Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Für die meisten heißt das: kein Essen, kein Wasser, kein Gas und kein Internet. Abu Khaters Gehalt vom letzten Monat liegt bei gerade mal 500 Schekeln. Umgerechnet sind das etwa 125 Euro. Und die müssen jetzt reichen, für eine sechsköpfige Familie.

Dem Auswärtigen Amt zufolge sind bereits über 440 Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft aus dem Gazastreifen ausgereist. Ein Team der deutschen Botschaft sei auf der ägyptischen Seite des Grenzübergangs stationiert, um die Ausreisenden dort in Empfang zu nehmen. Für Deutsche ohne Ausreiseerlaubnis setze sich das Auswärtige Amt weiter ein.

Die Abu Khaters sitzen währenddessen weiter im Gazastreifen fest. "Die Kämpfe haben inzwischen unseren Ort Chan Junis erreicht. Ich bin mit meinen Nerven am Ende", sagt Abu Khater. Wie es weitergehen soll, weiß die Familie nicht. Auf den Ausreiselisten fehlen die Namen von Mahmoud und Roba Abu Khater weiter.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen