Vor möglichen Verhandlungen Große Koalition keine ausgemachte Sache
19.10.2013, 12:41 Uhr
Zwischen den Verhandlungspartnern ist noch Luft.
(Foto: dpa)
Am Sonntag will die SPD-Basis über Koalitionsverhandlungen mit der Union abstimmen. Die sich abzeichnende große Koalition ist alles andere als sicher. Vor der Entscheidung werben alle Seiten deshalb um Vertrauen und formulieren mögliche Bedenken.
Mit gegenseitigen Vertrauensbekundungen haben sich CSU-Parteichef Horst Seehofer und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel auf die geplanten Koalitionsverhandlungen eingestimmt. "Mein Verhältnis zu Gabriel ist ungetrübt herzlich", sagte der bayerische Ministerpräsident Seehofer der "Süddeutschen Zeitung". Gabriel und er würden sich zwar nicht Duzen, aber vertrauen.
"Uns beiden ist die Kumpanei mit dem Berliner Hauptstadtbetrieb fremd." Gabriel und er bräuchten "keinen Glitzer", sondern könnten "gut eine Bratwurst an der Ecke essen", sagte Seehofer. "Sieben-Gänge-Menüs sind uns fremd." Gabriel definiere "seine Politik aus dem praktischen Leben heraus" und seine Haltung speise "sich stark aus seiner Biografie, er hat seine Herkunft nicht vergessen". Dies imponiere ihm, sagte Seehofer. Auch weil es bei ihm genauso sei.
Der SPD-Parteivorsitzende Gabriel seinerseits sprach in der "Bild"-Zeitung sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Seehofer sein Vertrauen aus. "Ich habe sie häufig und scharf für manches in ihrer Politik kritisiert. Aber auf ihr persönliches Wort konnte ich mich immer verlassen", sagte Gabriel auf die Frage, ob er Merkel vertraue. Dies gelte auch für den CSU-Chef, betonte er.
Seehofer geht fest davon aus, dass der SPD-Konvent am Sonntag der Aufnahme von Verhandlungen über eine große Koalition zustimmen wird. "Ich rechne mit einem klaren Ja", sagte der bayerische Ministerpräsident bei der Landesversammlung der Frauen-Union Bayern in Regensburg. "Die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition ist groß. Das Vertrauen auf beiden Seiten ist vorhanden." Er habe bei keinem wichtigen Punkt das Gefühl, dass man nicht zu einer Einigung kommen könne. Als Beispiele nannte Seehofer den Verzicht auf Steuererhöhungen und auf neue Schulden sowie die Einführung einer Maut für ausländische Pkw-Fahrer.
Vernünftiges Ergebnis
In der SPD gilt die große Koalition hingegen noch lange nicht ausgemachte Sache. Es gehe darum, hart zu verhandeln, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz beim Landesparteitag der Südwest-SPD in Reutlingen. "Es muss etwas Vernünftiges dabei rauskommen." Sonst werde sich das Ergebnis vor keinem Bürger rechtfertigen lassen.
Scholz bekräftigte die SPD-Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, nach mehr Geld für den Erhalt von Infrastruktur sowie für Kitas und Krippen. Auch die Hochschulen müssten besser finanziell ausgestattet werden, sagte Scholz, der Mitglied der SPD-Sondierungsgruppe in den Gesprächen mit der Union war.
"Es ist ein Politikwechsel möglich, für den die SPD seit Jahren gekämpft hat", sagte auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". In einer großen Koalition könnten in wichtigen Themenfeldern nachhaltige Verbesserungen erreicht werden. "Der Rahmen, dieses Land gerechter zu machen, ist da, sonst würden wir ja auch unseren Mitgliedern vor Ort und dem Konvent nicht empfehlen, in Koalitionsverhandlungen zu gehen", betonte Kraft. Der nordrhein-westfälische SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer betonte jedoch, die Aufnahme von Koalitionsgesprächen sei kein Freifahrtschein in eine große Koalition. "Es gibt keinen Automatismus zur Regierungsbeteiligung. Bevor die SPD ein Bündnis mit der Union schließt, müssen die Mitglieder zustimmen", sagte Schäfer der "Rheinischen Post". Wichtig sei, dass die SPD von der Union unterscheidbar bleibe.
Vor allem bei den SPD-Linken gibt es erhebliche Bedenken. Die dem linken Flügel angehörende SPD-Politikerin Hilde Mattheis sagte im Deutschlandradio Kultur, die Sorge sei groß, dass die Partei inhaltlich zu stark zurückstecken müsse und wieder an Glaubwürdigkeit verliere. Es bleibe trotz Zugeständnissen aus der Union "eine gehörige Skepsis".
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Donnerstag bei ihrer dritten Sondierungsrunde in Berlin auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer großen Koalition verständigt. Auf Seiten der SPD wird die Entscheidung hierüber am Sonntag von einem Parteikonvent getroffen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa