Wer oder was ist die CDU? Die SPD ist wieder da
04.09.2011, 20:41 Uhr
Steinbrück, Gabriel, Steinmeier. Noch ist nicht entschieden, wer als Kanzlerkandidat der SPD 2013 ins Rennen geht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern sind bundespolitisch weitgehend bedeutungslos, und doch blicken alle Parteien in den Nordosten. Denn die Wahl zeigt, wohin das Wählerpendel auch im Bund ausschlägt: CDU und FDP sind am Ende, die SPD könnte die Gunst der Stunde nutzen - und sich spätestens 2013 den Koalitionspartner frei aussuchen.
Wenn man ganz unten ist, geht es meist irgendwann wieder nach oben. Und wer oben steht, muss aufpassen, dass er nicht abstürzt. Beides zeigt die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern in exemplarischer Weise.
Da ist zunächst die SPD, die spätestens seit der vergeigten Bundestagswahl 2009 am Boden lag. Ohne Themen, ohne Personal, spielte sie in der politischen Wahrnehmung nur noch eine untergeordnete Rolle. Doch in den letzten Monaten konnte sich die Partei wieder selbst in die Spur bringen. Sicher, dies liegt vor allem, wenn nicht sogar ausschließlich, am desolaten Zustand der Regierungskoalition von Union und FDP, einer Koalition, die von der Atomdebatte über die Außenpolitik bis zur Finanzkrise keinerlei Linie und keine Prinzipien des eigenen Handels mehr erkennen lässt.
Aber immerhin ist es dem Trio Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück gelungen, sich diese Schwäche mit bedachtem Auftreten zunutze zu machen. Und mit Steinbrück, der noch vor Kurzem als Finanzminister der Großen Koalition für Angela Merkel die heißen Eisen aus dem Feuer holte, können die Sozialdemokraten auch personell einen Gegenentwurf zur Kanzlerin vorweisen. Einer, der sagt, was er denkt, der auch ungeliebte Wahrheiten ausspricht und den Eindruck vermittelt, mit gesundem Menschenverstand seine Politik am Allgemeinwohl und nicht an Lobbyisten-Interessen auszurichten. Im direkten Vergleich mit Merkel liegt der 64-Jährige in der Wählergunst inzwischen deutlich vorne.
Vielfältige Machtoptionen

Klaus Wowereit will Regierender Bürgermeister von Berlin bleiben. Die Wahl findet in 14 Tagen statt. Auch er käme als SPD-Kanzlerkandidat in Betracht.
Das alles führt dazu, dass die SPD nicht nur im Nordosten über sechs Prozent zulegen kann. Auch im Bund hat die SPD, glaubt man den Umfragen, gegenüber den 23 Prozent von 2009 um rund 6 Prozent zugelegt – und liegt damit nur noch knapp hinter der Union. Gut, 30 Prozent plus x: Das klingt auf den ersten Blick nicht so, als könne man damit zufrieden sein. Auf den zweiten Blick aber, und das wissen die Strategen im Willy-Brandt-Haus längst, kommt es heute nicht mehr darauf an, Wahlergebnissen von 45 Prozent wie aus den 1970ern nachzutrauern, sondern sich realistische Machtoptionen zu erarbeiten. In Mecklenburg-Vorpommern kann Ministerpräsident Erwin Sellering zwischen zwei Partnern wählen: CDU und Linken. Auch in Berlin, wo in zwei Wochen Wahlen anstehen, wird sich Klaus Wowereit ein ähnliches, wenn nicht sogar identisches Bild bieten. Und selbst im Bund ist es nur eine Frage der Zeit, wann die derzeit ordentlich unter Druck stehenden Linken als koalitionsfähig eingestuft werden.
Die ungeahnte Stärke der Grünen – in allen Landtagen vertreten, im Bund in sämtlichen Umfragen bei über 20 Prozent – wird für die SPD dabei erst dann ein Problem, wenn die einstigen Ökos und heutigen neuen Bürgerlichen an den Sozialdemokraten vorbeiziehen sollten – wie in Baden-Württemberg. Aber auch der Grünen-Hype wird sich wieder einpendeln. Ansonsten sind sie der ideale strategische Machtbeschaffer, gerade auf Bundesebene.
Gefahr könnte der SPD noch von der Regierungskoalition drohen, sollte sich diese noch einmal berappeln. Aber danach sieht es nicht aus.
Merkel hat die CDU wegmoderiert
Viel ist geschrieben worden über den kometenhaften Aufstieg von Guido Westerwelles FDP, mündend in einem Traumergebnis von 14,5 Prozent vor zwei Jahren, und den sagenhaften Abstieg Westerwelles und der FDP. Es war eine Stimmung im Herbst 2009, ein Aufflackern nur. Inhaltlich, aber auch was die führenden Köpfe der Partei angeht, haben die Liberalen nichts zu bieten - gar nichts. In Mecklenburg-Vorpommern hat die FDP konsequenterweise nicht nur den Einzug in den Landtag verpasst; zwei Drittel der Wähler sind ihr abhanden gekommen.
Und die Union? Sie erzielte 2009 im Bund mit 33,8 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1949. Nur der damalige Erfolg der FDP und das noch miesere Abschneiden der SPD ließen diese Tatsache schnell in den Hintergrund treten. Aber seitdem hat sich bei der Union nichts ins Bessere gewendet. Im Gegenteil. Der einst so vielversprechende, wohltuende, moderierende Stil Angela Merkels ist an seinem Ende angekommen.
Kaum der Großen Koalition entronnen, zeigte sich erschreckend deutlich, dass der Kanzlerin politische Überzeugungen weitgehend abgehen. Und dass das Krisenmanagement ihre Sache nicht ist. Merkels Wirken im Zuge der Euro- und Finanzmarktturbulenzen führt nun sogar zu offener Rebellion in der eigenen Anhängerschaft. Einer Anhängerschaft, die sich nicht erst seit Kohls Zwischenruf die Augen reibt und fragt, was ist eigentlich CDU? Wofür steht diese Partei? Wo will sie hin?
Die Union ist damit an einem Punkt angekommen, den die SPD, wenn auch gerade erst, hinter sich gelassen hat. Die CDU muss sich, noch weit stärker als die CSU übrigens, mit neuem Personal und neuen Akzenten auf die Zeit nach Angela Merkel einstellen. Mit welchen Themen und mit welchen Gesichtern? Das weiß derzeit niemand, nicht mal in der CDU. Einen, sagen wir, Peer Steinbrück, den könnte die CDU jetzt gut gebrauchen.
Quelle: ntv.de