Vom Kiffer zum Dschihadisten Die Terroristen-Brüder von Paris
08.01.2015, 11:01 Uhr
Die Brüder Chérif und Said Kouachi (v.l.) sind schon länger polizeibekannt.
(Foto: AP)
Schnell steht nach dem Massaker in Paris fest: Die Täter sind kaltblütig, professionell – und haben einen islamistischen Hintergrund. Doch wer genau sind die Männer, die Frankreich in den Grundfesten erschüttern und schon im Visier der Ermittler waren?
Es ist ein schwerer Fehler, der der Polizei weiterhilft. Auf ihrer Flucht nach dem Attentat auf eine Pariser Zeitungsredaktion mit zwölf Toten wechseln die Täter das Auto, wobei einer der Männer seinen Personalausweis im ersten Fluchtauto vergisst. Schnell identifiziert daraufhin die französische Polizei die Männer: Es handelt sich um den 34-jährigen Said Kouachi und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Chérif - beide seit Jahren polizeibekannt.
Die Brüder Kouachi wurden in Paris geboren und wuchsen laut Medienberichten in französischen Heimen auf. Ihre Eltern, die aus Algerien nach Frankreich eingewandert waren, waren demnach früh gestorben. Bereits vor zehn Jahren, im Januar 2005, wurde Chérif verhaftet. Er gehörte damals der Dschihadisten-Bruderschaft "Des Buttes-Chaumont" an, benannt nach einem städtischen Park. Die Gruppe heuerte in Frankreich Dschihadisten für den Kampf im Irak an.
Offenbar plante auch Chérif, der noch nie in seinem Leben Frankreich verlassen hatte, im Irak gegen die US-Truppen zu kämpfen. Kurz bevor er sich allerdings absetzen konnte, schlugen die Sicherheitskräfte zu und verhafteten den jungen Mann. Neben einem Ticket nach Damaskus fanden sie bei Durchsuchungen bei ihm auch eine Gebrauchsanweisung für eine Kalaschnikow. Chérif wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen 18 Monate zur Bewährung ausgesetzt wurden. Vor Gericht gab er an, dass ihn die Folterbilder aus Abu Ghraib radikalisiert hätten.
Sein Anwalt, Vincent Ollivier, erinnert sich später an einen "Versager, einen Boten mit einer Kappe, der Haschisch rauchte und Pizzas auslieferte, um Drogen zu kaufen. Ein ahnungsloser Bengel, der nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte, bis er von einem Tag auf den anderen Menschen begegnen würde, die ihm das Gefühl geben würden, wichtig zu sein."
"Gelegenheitsmuslim und Kiffer"
Der Mann, der ihm offenbar genau dieses Gefühl gab, war Farid Benyettou, ein selbst ernannter junger Imam mit salafistischem Hintergrund. Der Mann mit den langen Haaren galt vielen jungen französischen Muslimen aus dem Maghreb als eine Art Guru, wie die französische Zeitung "Le Figaro" schreibt. Benyettou radikalisierte sie und überzeugte sie davon, im Irak zu kämpfen - was offenbar auch etlich taten und einige dort das Leben kostete.
Chérif, der sich selbst einen "Gelegenheitsmuslim" nannte, lernte Benyettou in einer Moschee kennen und ließ sich von ihm überzeugen, auch wenn er sich später vor Gericht von ihm distanzierte. Nach seiner Entlassung aus der Haft wurde es um Kouachi erstmal still. Er arbeitete in einem Supermarkt, in seiner Freizeit kiffte er nach eigenen Angaben und hörte Rap-Musik. Und doch fand er wieder zum Dschihad zurück. So wurde sein Name im Zusammenhang mit einem Befreiungsversuch eines inhaftierten Mitglieds einer islamistischen Gruppe genannt.
Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder blieb Said unauffälliger. Allerdings geriet auch er ins Visier der Ermittler - offenbar im Zusammenhang mit den Aktivitäten Chérifs. Doch ergaben sich daraus keine weiteren Erkenntnisse.
Auf Facebook findet sich eine Seite, die von Said stammen könnte. Unter dem Namen Saïd Kouachi wurden hier im vergangenen Jahr Bilder vom Kampf um Kobane gepostet und Solidaritätsbekundigungen für den Gazastreifen. Außerdem zeigt sich eine unverhohlene Begeisterung für Waffen: Auf einem Foto unter dem Titel "Le frero" ist ein junger Mann mit einem Schnellfeuergewehr an einem Schießstand zu sehen, auf einem anderen eine Patrone. Bei "Gefällt mir" markierte Saïd Kouachi unter anderem Michael Timofejewitsch Kalaschnikow - den Erfinder des gleichnamigen Gewehrs.
Nach Angaben des Pariser Innenministers Bernard Cazeneuve wurden Said und Chérif von Sicherheitskräften überwacht. Dabei gab es allerdings keinerlei Hinweise auf einen bevorstehenden Terrorakt. Klar ist jedoch, dass sich die Brüder Kouachi in den vergangenen Jahren gezielt auf die Tat vorbereitet haben müssen: Ihre ruhige Vorgehensweise und ihre Effizienz während des Attentats deuten auf ein gründliches Training militärischer Art hin, vermutet die Polizei.
Noch ist unklar, welche Rolle ein dritter Verdächtiger, Hamyd Mourad, spielte. Half er den beiden Brüdern oder ist er unschuldig, wie er beteuert? Der 18-Jährige, den die Polizei zunächst als obdachlos bezeichnete, ist ein Schwager Chérifs. Nachdem sein Name in sozialen Netzwerken genannt wurde, stellte er sich zwölf Stunden nach dem Attentat in Charleville-Mezieres freiwillig den Sicherheitskräften. Wie die Zeitung "Le Monde" schreibt, liegt gegen ihn aber "nichts Belastendes" vor. Sein Fall werde lediglich geprüft. Mitschüler in Charleville-Mézière sollen Medien zufolge erklärt haben, er sei am Morgen des Attentats in der Schule gewesen.
Hintergründe zur Jagd nach den Attentätern auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" finden Sie im n-tv.de Liveticker und den aktuellen Nachrichten.
Quelle: ntv.de