Politik

Deutschlandtag der Jungen Union Die Welt verändert sich, Merkel bleibt Merkel

Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union: "Wir müssen uns stärker darauf einstellen, unsere Interessen eigenständig wahrzunehmen."

Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union: "Wir müssen uns stärker darauf einstellen, unsere Interessen eigenständig wahrzunehmen."

(Foto: dpa)

Die Merkel-Müdigkeit in CDU und CSU ist groß. Und die Kanzlerin selbst setzt ihr beim Deutschlandtag der Jungen Union wenig entgegen. Zu einem Eklat kommt es trotzdem nicht. Schließlich stehen in Bayern und Hessen schwierige Wahlen an.

"Die Welt verändert sich rasant", sagt Kanzlerin Angela Merkel auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Als Beispiel nennt sie die America-First-Politik von Donald Trump. "Wir müssen uns stärker darauf einstellen, unsere Interessen eigenständig wahrzunehmen", sagt die CDU-Chefin. Sie spricht von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Sie pocht auch darauf, wirklich aus den Fehlern von 2015 zu lernen. Die Kanzlerin meint damit: Deutschland darf nicht so tun, als würden Krisen in geografisch weiter Ferne die Republik nichts angehen. Sie setzt auf Entwicklungszusammenarbeit und die unbedingte Achtung der Menschenwürde.

Wirklich Neues ist von der CDU-Chefin nicht zu hören. Die Rede der Kanzlerin ist unaufgeregt und mit etlichen Details gespickt. Die Welt verändert sich rasant, Merkel bleibt Merkel. Die jungen Vertreter von CDU und CSU haben sich mehr erhofft. Paul Ziemiak, Chef der Jungen Union, machte schon am Vortag deutlich, worum es ihnen geht: Er forderte mehr "konkrete Ideen in der Sache" und weniger "leere Worthülsen". Zu einem Eklat kommt es trotzdem nicht.

Merkel bekommt nach der Rede höflichen Applaus, die Delegierten stehen für ihre Kanzlerin auch auf. Die mit Spannung erwartete Fragerunde fällt zahm aus. Delegierte sprechen die Rente an und den Solidaritätszuschlag. Merkel kann die Schuld dafür, dass es nicht so läuft, wie es die Jungen in der Union wünschen, bequem auf den Koalitionspartner SPD abwälzen. Beim Streitthema Diesel – ein Delegierter fürchtet um die deutsch Autoindustrie – gibt die Kanzlerin ausführlich Einblick in ihren Sachverstand: Sie spricht von "Inversionswetterlagen" in München und den hohen Stickoxidwerten in Kiel, nicht wegen Autos, sondern weil die Schiffe am Kai noch von altmodischen Generatoren ihren Strom bekommen. Sie erklärt, dass es nun mal nicht für alle Autos aller Schadstoffklassen Hardware-Lösungen gebe, für viele Autos aber schon. Oberstes Ziel sei es, dass alle Betroffenen weiterfahren können.

Auf einen Delegierten, der fragt, warum die Bundesregierung die Grenzwerte nicht einfach hochsetzt, reagiert Merkel fast schon mütterlich und erklärt, dass die Grenzwerte in einer EU-Richtlinie geregelt sind, an der auf absehbare Zeit kein Weg vorbei führt. Es ist kompliziert, das ist die Botschaft, die bei den meisten Delegierten angekommen sein dürfte. Die Debatte plätschert vor sich hin. Viele tippen etwas anteilslos auf ihren Handys herum. Die Delegierten sind nicht auf Krawall aus, auch, wenn sie sich eigentlich viel mehr Frische und Visionen wünschen. Und das hat auch einen Grund.

Absolute Mehrheit in Bayern ist illusorisch

In Bayern und Hessen stehen Landtagswahlen an. In den jüngsten Umfragen liegt die CSU zwischen 33 und 35 Prozent. Weit weg von den 47,7 Prozent von 2013. Hoffnungen auf eine absolute Mehrheit, die für die CSU in Bayern lange eine Selbstverständlichkeit war, wirken illusorisch. Dafür wird auch der anhaltende unionsinterne Streit verantwortlich gemacht. In Hessen ist die Lage kaum besser. Dort oszilliert die CDU zwischen 28 und 32 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2013 waren es noch 38,3 Prozent. Ministerpräsident Volker Bouffier fürchtet, dass in der heißen Wahlkampfphase vor allem über Berlin gesprochen wird und nicht genug über Hessen.

"Die Wähler goutieren es nicht, wenn wir miteinander streiten", sagt Merkel. Vielsagend fügt sie hinzu, dass Auseinandersetzungen in der Sache selbstverständlich eine Ausnahme seien. Die meisten Delegierten in Kiel sehen es offenbar ähnlich. Bloß nicht noch mehr Streit vor den wichtigen Wahlen.

Doch die Merkel-Müdigkeit in der Union ist groß. Das lässt sich kaum verbergen. Ein Vertreter des Kreisverbands München Nord schafft es denn auch nicht, sich eine Personalfrage zu verkneifen. Er spricht von der "Herrschaft des Unrechts", wirft Merkel vor, die Lehren aus 2015 nicht gezogen zu haben und fragt, wie das Vertrauen zwischen Basis und Führung wieder wachsen könne. "Ich glaube nicht, dass das mit Ihnen möglich ist." Der Applaus für diese Wortmeldung fällt allerdings mager aus.

Junge Union will Kanzlerschaft zeitlich begrenzen

Dass Merkel nicht noch einmal als Spitzenkandidatin für eine Bundestagswahl antritt, gilt vielen als sicher. Für die Kanzlerin sind dies trotzdem entscheidende Tage. Nach den beiden Landtagswahlen steht im Dezember ein Parteitag der CDU in Hamburg an. Einige in der Union erwarten von der Kanzlerin, dass sie dann nicht mehr für den Vorsitz kandidiert. Für Merkel selbst gehören Kanzlerschaft und Parteivorsitz aber zusammen. Das stellte sie zuletzt vor rund einer Woche selbst klar. Sie ist für die 18. Legislaturperiode gewählt und will diese auch durchregieren.

Sollte es in Bayern und Hessen mies für CDU und CSU laufen, dürften die Delegierten nicht so zurückhaltend agieren, wie die Männer und Frauen auf dem Deutschlandtag in Kiel. Der Druck, ihren Rückzug von der Macht einzuleiten, dürfte dann gewaltig sein. Doch soweit ist es noch nicht. Aber es zeichnet sich ab.

Als die Kanzlerin die Arena in Kiel verlässt, stehen etliche nur zögerlich auf. Die Delegierten aus Bayern bleiben überwiegend sitzen. Der Applaus ist mäßig. Ein paar Minuten später ist das völlig anders. Merkel ist weg. Und die Delegierten der Jungen Union stimmen über eine Begrenzung der Amtszeit von Bundeskanzlern oder Bundeskanzlerinnen ab. Einer der Fürsprecher wirbt mit einer "natürlichen Fluktuation" und einer "natürlichen Regeneration" für diesen Beschluss. Die Botschaft: Steht das Ende von vornherein fest, bleibt der Union in Zukunft vielleicht die eine oder andere lästige Personaldebatte erspart. Merkel hatte sich in ihrer Rede gerade noch gegen eine begrenzte Amtszeit ausgesprochen. Die Delegierten stimmen nun für ein fixes Ende der Kanzlerschaft.

Quelle: ntv.de

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