Jemen: Saleh spricht von Neuwahlen Dutzende Tote in Syrien
20.05.2011, 22:42 Uhr
Bilder des TV-Senders Al Arabia zeigen eine Demonstration bei Damaskus.
(Foto: dpa)
In Syrien erschießen Sicherheitskräfte im Zuge diverser Proteste mindestens 27 Demonstranten. Ein NATO-Einsatz ist aber weiterhin kein Thema. Unterdessen schlägt Präsident Saleh vorgezogene Neuwahlen im Jemen vor, um den Protesten gegen seine Regierung ein Ende zu setzen. Doch es bestehen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Vorhabens.
In Syrien sind nach Angaben von Menschenrechtlern Sicherheitskräfte erneut gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen und haben dabei mindestens 27 Menschen getötet. Den Angaben zufolge wurden allein bei Protesten in Homs im Zentrum des Landes elf Menschen getötet, darunter ein zehnjähriges Kind und ein 16-jähriger Jugendlicher. Zehn Menschen starben nahe der Stadt Idlib im Westen Syriens, wie Aktivisten festhielten. Auch in der Region Daraa sowie nahe der Hauptstadt Damaskus und in der Hafenstadt Latakia starben demnach mehrere Menschen. In vielen Städten hatte das Regime Panzer auffahren lassen, um die Proteste zu ersticken.
In der nordwestlichen Stadt Banias trugen die Demonstranten Olivenzweige als Zeichen der Gewaltfreiheit. Männer gingen zudem mit nacktem Oberkörper auf die Straße, um Behauptungen der Regierung entgegenzutreten, sie seien bewaffnet. Auch in Banias schossen die Sicherheitskräfte nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten in die Menge. Ob es Verletzte oder Tote gab, war zunächst unklar.
Aus Tel Kalach an der Grenze zum Libanon zog sich das syrische Militär nach einer Woche wieder zurück. Tausende Menschen waren aus Angst vor Repressionen der Geheimpolizei über die Grenze ins Nachbarland geflüchtet. Nach Angaben von Augenzeugen töteten die Sicherheitskräfte in dieser Zeit 30 Menschen, 300 weitere wurden verschleppt. Truppen rückten hingegen in Al-Arida, einem anderen Grenzort, ein.
Regierung verurteilt Obama-Rede
Nach Angaben von Menschenrechtlern und der UNO kamen seit dem 15. März mindestens 850 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ums Leben, mehr als 8000 Menschen wurden festgenommen. Laut UN-Flüchtlingskommissariat flohen zudem bislang etwa 4000 Menschen in den benachbarten Libanon.
Syriens Führung verurteilte indes die Grundsatzrede von US-Präsident Barack Obama, in der dieser Staatschef Baschar al-Assad vor die Wahl gestellt hatte, "den Wandel anzuführen oder zur Seite zu treten". Dies zeige deutlich, wie sehr sich "die USA in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen", stellte die staatliche Nachrichtenagentur Sana in einer Erklärung fest.
Eingreifen der NATO nicht geplant
Eine Intervention der NATO ist indes nicht zu erwarten. Wie Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, hat das Nordatlantik-Bündnis keine Pläne zu einem militärischen Eingreifen in Syrien. "Die NATO hat nicht vor, in Syrien einzugreifen, auch wenn wir die Brutalität der syrischen Sicherheitskräfte und die eiserne Faust gegen die Zivilbevölkerung scharf verurteilen", erklärte Rasmussen gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Der einzig mögliche Ausweg für das Land sei, den "legitimen Forderungen des Volkes nachzugeben und einen friedlichen Übergang zu einer Demokratie zuzulassen".
Rasmussen verglich die Situation in Syrien mit dem von einem blutigen Bürgerkrieg erschütterten Libyen, wo die NATO seit Ende März eine von den Vereinten Nationen gebilligte Militäroperation zum Schutz der Zivilbevölkerung leitet. "In Libyen operiert die NATO auf der Basis eines UN-Mandats und hat zudem die Unterstützung der gesamten Region. In Syrien ist keines davon der Fall", betonte der Generalsekretär.
Saleh regt Neuwahlen an

Staatschef Saleh sieht Neuwahlen als einen Ausweg aus der Krise im Jemen.
(Foto: REUTERS)
Der jemenitische Staatschef Ali Abdullah Saleh hat sich derweil für vorgezogene Neuwahlen als Ausweg aus der seit Monaten andauernden politischen Krise im Land ausgesprochen. "Wir rufen zu demokratisch organisierten vorgezogenen Präsidentschaftswahlen auf, um Blutvergießen zu vermeiden", sagte Saleh vor tausenden Anhängern. Der Vorschlag schien ein weiterer Schachzug des seit 33 Jahren regierenden Präsidenten zu sein, der sich zunehmenden Rücktrittsforderungen der benachbarten Golfstaaten und der USA ausgesetzt sieht.
Vertreter der Regierungspartei und der Opposition hatten erklärt, ein von Vermittlern der Golfstaaten vorgeschlagenes Einigungsabkommen, das den Rücktritt Salehs vorsieht, solle am Sonntag unterzeichnet werden. Der Versöhnungsplan sieht die Bildung einer Übergangsregierung sowie Salehs Rücktritt innerhalb eines Monats vor. In den kommenden 60 Tagen sollen dann Präsidentschaftswahlen stattfinden. Saleh weigerte sich bislang, das Abkommen zu unterzeichnen, das von Regierung und Opposition bereits gebilligt wurde. Die Opposition wirft dem Präsidenten vor, bei jedem Unterzeichnungsversuch einen neuen Vorwand zu liefern, um sich an der Macht zu halten.
Ein Toter in Sanaa

In Sanaa rollten nach Salehs Ansprache Panzer.
(Foto: AP)
Zeitgleich zur Ansprache Salehs gingen erneut hunderttausende Menschen in der Hauptstadt Sanaa auf die Straße, um den sofortigen Rücktritt des Präsidenten zu fordern. Auch in der zweitgrößten Stadt Taes gab es eine vergleichbare Demonstration. In der Stadt Sindschibar ist bei Zusammenstößen Bewaffneter mit jemenitischen Sicherheitskräften nach Angaben von Augenzeugen und eines Arztes ein Zivilist erschossen worden.
Am Vortag hatte Obama in seiner Rede den jemenitischen Staatschef aufgefordert, sich dem Wandel nicht länger in den Weg zu stellen und der Machtübergabe nachzukommen. Bei den seit Ende Januar andauernden Protesten gegen Saleh wurden Schätzungen zufolge bislang 180 Demonstranten getötet.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa