Politik

Kampf um Moskaus Milliarden tobtEU-Vertreter fürchten die Rache Putins - und Trumps

18.12.2025, 17:50 Uhr verstlVon Lea Verstl
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Putin (l.) und Trump versuchen mit allen Mitteln, die EU davon abzuhalten, das Vermögen der russischen Zentralbank in Belgien für die Ukraine zu nutzen. (Foto: picture alliance / newscom)

Nicht nur der Kreml übt Druck auf die EU aus, die Finger vom eingefrorenen russischen Vermögen in Belgien zu lassen. Auch das Weiße Haus will durch Kampagnen in den europäischen Hauptstädten Einfluss nehmen. Das passt zu Trumps Europapolitik - und seinen Geschäftsinteressen.

Die Beschäftigten der Europäischen Union sind momentan nicht um ihren Job zu beneiden. Bedroht würden sie vom langen Arm des russischen Präsidenten, der bis auf ihre Schreibtische in Brüssel reiche, sagt die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Der Versuch der Einflussnahme geht bis in die Büros der europäischen Institutionen. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, Mitarbeiter werden persönlich bedroht", so die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Europäischen Parlament zu ntv.de.

Wladimir Putin versucht, in der belgischen Hauptstadt Panik zu verbreiten, weil er selbst Angst hat. Etwa 185 Milliarden Euro an Vermögenswerten der russischen Zentralbank wurden auf den Konten des Finanzdienstleisters Euroclear in Brüssel festgesetzt. Auf dem EU-Gipfel wird jetzt darüber entschieden, ob das Geld des Kremls in die Militärhilfe für die Ukraine fließt.

Dagegen stemmt sich bislang insbesondere Belgien als das Land, in dem der überwiegende Teil des russischen Vermögens in Europa (insgesamt sollen es rund 200 Milliarden Euro sein) lagert. Premierminister Bart De Wever versucht, die belgische Regierung für den Fall abzusichern, dass der Kreml erfolgreich gegen Festsetzung und Verwendung seines Vermögens klagt. Die russische Zentralbank hat dies bereits vor einem Moskauer Schiedsgericht gegen Euroclear getan. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax plant sie weitere Klagen gegen europäische Banken, die ebenfalls vom Kreml sanktionierte Gelder auf ihren Konten halten. Auch militärisch lässt die Atommacht Russland gegenüber den Europäern die Muskeln spielen, indem es mit Drohnen und Kampfjets in ihren Luftraum eindringt – auch über Belgien.

Um Garantien für Belgien wird gestritten

Damit Belgien mit den Risiken nicht allein gelassen wird, pocht De Wever auf eine gemeinsame Haftung mit anderen Mitgliedstaaten, falls die russischen Milliarden zurück auf die Konten des Kremls überwiesen werden sollen. Genau darüber wird nun auf dem Gipfel in Brüssel verhandelt. Um die Solidarität mit Belgien zu unterstreichen, teilte Kanzler Friedrich Merz mit, auch russisches Vermögen in Deutschland für die Ukraine nutzen zu wollen. Zudem erklärte sich Berlin zur gemeinsamen Haftung bereit. Allerdings gibt es noch Streit um die Frage, wie weitreichend solche Garantien sein sollen.

Zudem gibt es im Kreis der Staats- und Regierungschefs neben Belgien weitere Länder, die der Nutzung des eingefrorenen Vermögens skeptisch gegenüberstehen. Wenig überraschend gehören die großen Kritiker der europäischen Waffenhilfe an die Ukraine dazu - also Ungarn, die Slowakei und Tschechien. Inzwischen sollen sich auch Italien, Malta und Bulgarien gegen die Verwendung von Moskaus Milliarden stellen, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Brüssel.

Die Kursänderung der Länder soll demnach nicht etwa auf Putins Einschüchterungsversuche zurückzuführen sein. Der Initiator dieser neuen Einflusskampagne in den europäischen Hauptstädten soll auf der anderen Seite des Atlantiks sitzen, im Weißen Haus. Beamte der Regierung Donald Trumps sollen die einzelnen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dazu gedrängt haben, die Nutzung des russischen Vermögens für die Ukraine abzulehnen.

Trump nimmt Einfluss auf Meloni

Das alles passt ins Bild, das sich Brüssel von Trumps Europapolitik bislang machen konnte. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt behauptete Trump, die EU sei gegründet worden, "um die USA über den Tisch zu ziehen". In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten wird unter Rückgriff auf rechte Verschwörungsmythen vom Untergang Europas aufgrund verstärkter Migration fabuliert. In demselben Papier heißt es: "Wir wollen mit verbündeten Ländern zusammenarbeiten, die ihre frühere Größe wiedererlangen wollen."

Eine mögliche Verbündete sitzt im Palazzo Chigi in Rom. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steht Trump als Rechtspopulistin politisch nah, auf öffentlichen Terminen verstehen sich die beiden blendend. Zwar können die europäischen Staats- und Regierungschefs theoretisch im Rat mit qualifizierter Mehrheit über die Nutzung von Moskaus Milliarden entscheiden. Tatsächlich wird es jedoch niemand wagen, sich gegen ein Veto aus Rom zu stellen. Italien ist schließlich die drittgrößte Volkswirtschaft der EU.

In einem Brief an die EU-Kommission warb Italien neben anderen Mitgliedstaaten dafür, verschiedene Alternativen für die Finanzierung der Ukraine zu prüfen. Theoretisch gibt es die Möglichkeit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme der EU, um Kiew mit frischen Krediten zu versorgen. Dies wiederum wäre für Deutschland unattraktiv, da es als besonders finanzstarkes Land für einen solchen Kredit haften müsste. Zudem ist für die gemeinsame Schuldenaufnahme ein einstimmiger Beschluss im Rat nötig, was wiederum den Fokus auf die pro-russischen Regierungen in Budapest und Bratislava lenkt.

Trump winken Milliarden aus Zentralbankvermögen

Und es gibt nur zwei Wege, um die Vetos Viktor Orbans und Robert Ficos zu umgehen: Entweder werden juristische Kniffe und Notfallklauseln zu den Abstimmungsverfahren aus den Europäischen Verträgen genutzt, um sie auszubooten. Oder den Ministerpräsidenten wird im Gegenzug etwas angeboten, das beide ihr Gesicht wahren ließe. Doch jede Option dürfte sich schwierig gestalten.

Putin und Trump aber wäre es deutlich lieber, würden die Europäer die Finger von dem Zentralbank-Vermögen in Belgien lassen. Trump, bekannt für sein kaufmännisches Denken, dürfte dabei auch seine persönlichen Geschäftsinteressen im Blick haben. Denn Putin lockte seinen US-Amtskollegen mit einem direkten Zugang zum russischen Zentralbankvermögen.

Deutlich wurde das in dem 28-Punkte-Plan für die Ukraine, den die USA vor wenigen Wochen veröffentlichten. "Dieser sogenannte Friedensplan ist bereits Makulatur. Er wurde in Russland aufgesetzt. Trumps Gesandter Steve Witkoff hat den Russen - wie uns berichtet wurde - eine Anleitung gegeben, was sie tun müssen, um den US-Präsidenten im Sinne Russlands positiv zu stimmen", sagte dazu Strack-Zimmermann. Der Plan habe vorgesehen, die in Europa eingefrorenen russischen Vermögenswerte freizugeben, in eine von Washington verwaltete Investmentplattform zu überführen und darüber hinaus 50 Milliarden davon den USA zu überlassen. Trump winkt also viel Geld, sollte es ihm gelingen, russische Interessen in Europa durchzusetzen.

Von der Leyen gibt sich fest entschlossen

Zwist zwischen den Mitgliedstaaten zu sähen und die EU zu Fall zu bringen, könnte Trump außerdem in künftigen Handelsgesprächen weitere Vorteile bringen. "Jeder einzelne europäische Staat ist im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika klein. Eine Spaltung wäre Trumps Ziel, um Europa in eine schwächere Verhandlungsposition zu bringen", sagte David McAllister, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, ntv.de nach einer Reise nach Washington im Frühjahr. Bernd Lange, der als Vorsitzender des EU-Handelsausschusses mit McAllister in die USA reiste, zog nach dem Rückflug das Fazit: "Trump hasst die EU und ihre Institutionen."

Ohne die transatlantischen Verbündeten wird es einsam um Europa. Der Druck, den der Kreml und das Weiße Haus auf die europäischen Staats- und Regierungschefs ausüben, könnte die Solidarität und das gegenseitige Vertrauen am Verhandlungstisch gedeihen lassen. Oder aber er bewirkt das Gegenteil. Ursula von der Leyen jedenfalls will die Ratsmitglieder nicht so einfach aus der Verantwortung entlassen. Die EU-Kommissionspräsidentin droht ihnen angesichts der dramatischen Lage der Ukraine mit einem Endlosgipfel. "Wir werden den Europäischen Rat nicht verlassen, ohne eine Lösung für die Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre gefunden zu haben", sagte sie. Wenigstens eine Person in Brüssel scheint fest entschlossen.

Quelle: ntv.de

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