"Bedenken nicht ausgeräumt" EU droht Polen mit Sanktionen
27.07.2016, 16:22 Uhr
Die polnische Justizreform ist im eigenen Land und in der gesamten EU umstritten.
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Die EU-Kommission fürchtet um die Rechtsstaatlichkeit in Polen und fordert das Land erneut auf, seine Justizreform zu überarbeiten. Die polnische Regierung reagiert reserviert. Ob die angedrohten Konsequenzen überhaupt umsetzbar sind, bleibt offen.
Die EU-Kommission verlangt von Polen binnen drei Monaten Änderungen an der umstrittenen Justizreform. Die Behörde treibt damit das zum ersten Mal angewandte Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit weiter voran. "Die grundlegenden Bedenken sind weiterhin nicht ausgeräumt", sagte der Vizechef der Brüsseler Behörde, Frans Timmermans. Im Visier hat die EU-Kommission vor allem Gesetze, die die Arbeit des polnischen Verfassungsgerichts behindern. Es gehe um die Unabhängigkeit der Justiz, sagte Timmermans.
Lenkt die Warschauer Regierung nicht ein, könnte die EU-Kommission die Anwendung von Artikel 7 der EU-Verträge vorschlagen. Dieser sieht bei einer "schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte vor, einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz die Stimmrechte zu entziehen.
Die EU-Kommission forderte die polnische Regierung insbesondere auf, mehrere Urteile des Verfassungsgerichts umzusetzen. Damit könnten drei Richter ihr Amt antreten, die noch von der Vorgängerregierung ernannt worden waren. Die spätere Ernennung anderer Richter stuft die Behörde als rechtswidrig ein. Zudem müssten die Urteile des Gerichts künftig grundsätzlich umgesetzt werden. Die Justiz dürfe nicht geschwächt werden.
EU-Kommission auf die Mitgliedstaaten angewiesen
Die nationalkonservative polnische Regierung hat auf die Kritik aus Brüssel bereits mit einer Neufassung der umstrittenen Justizreform reagiert. Allerdings wurden auch in der überarbeiteten Fassung, der noch die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda fehlt, Nachbesserungsvorschläge der Opposition und kritischer Juristen ignoriert. "Die wichtigsten Probleme, die die Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährden, sind unserer Ansicht nach nicht gelöst", sagte Timmermans. Das Verfassungsgericht müsse Gelegenheit bekommen, die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes zu prüfen.
Die polnische Regierung hält die geforderten Änderungen für verfrüht. Das Außenministerium teilte in einer Stellungnahme mit, die Forderungen führten zu der Frage, ob sich die Kommission an die "Grundlage der loyalen Zusammenarbeit mit Regierungen der Mitgliedsländer" halte. Die polnische Regierung sei entschlossen, zum stabilen Funktionieren des Verfassungsgerichts zurückzukehren. Das entsprechende Gesetz sei derzeit in der Schlussphase.
Das dreistufige Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit war Anfang 2014 eingeführt worden. Die Kommission alleine kann allerdings keine Sanktionen wie den Stimmrechtsentzug verhängen, auch die Mitgliedstaaten müssten einstimmig feststellen, dass Polen "schwerwiegend und anhaltend" gegen EU-Grundwerte verstößt. Ungarn hat aber bereits klar gemacht, dass es Sanktionen gegen Warschau nicht unterstützen würde.
Quelle: ntv.de, chr/kpi/dpa/AFP