Widerstand aus Österreich EU erwägt legale Fluchtwege für Afghanen
18.08.2021, 19:41 Uhr
Die Passagiere an Bord der Lufthansa-Maschine aus Kabul haben Visa. Die EU rechnet mit tausenden Flüchtlingen ohne Einreiseerlaubnis.
(Foto: REUTERS)
Noch ist unklar, ob die Taliban erneut eine Schreckensherrschaft errichten, doch in der EU rechnet man mit steigenden Flüchtlingszahlen aus Afghanistan. Während die EU-Innenkommissarin legale Fluchtwege vorschlägt, kündigt Österreich massiven Widerstand gegen solche Pläne an.
Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat bei einer Videokonferenz der EU-Innenminister darauf gedrängt, legale und sichere Fluchtrouten aus Afghanistan nach Europa zu schaffen. "Die Lage in Afghanistan ist eindeutig nicht sicher und wird es auch noch einige Zeit nicht sein", sagte sie laut einer Mitteilung bei dem Treffen. Zudem betonte sie, wie wichtig es sei, dass man auch weiterhin andere Länder - vor allem in der Nachbarschaft Afghanistans - dabei unterstütze, Flüchtlinge aufzunehmen. Ihren Angaben zufolge sind 80 Prozent der zur Flucht gezwungenen Menschen Frauen und Kinder. Seit Anfang des Jahres seien rund 550.000 Afghanen innerhalb des Landes vertrieben worden, zusätzlich zu den 2,9 Millionen, die bereits zuvor innerhalb des Landes geflohen waren.
Österreich ist dafür, einem möglichen Zustrom an Flüchtlingen aus Afghanistan durch Hilfe vor Ort und Abschiebezentren in der Nachbarregion Afghanistans zu begegnen. "Ziel muss es sein, den Großteil der Menschen in der Region zu halten", sagte Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) vor einem Treffen der EU-Innenminister. Außerdem müsse sich die EU durch weitere Anstrengungen beim Außengrenzschutz gegen eine aus Nehammers Sicht mögliche illegale Zuwanderung wappnen. Der Minister erklärte, Österreich beheimate mit aktuell 44.000 Afghanen die - bezogen auf die eigene Bevölkerung - bereits zweitgrößte afghanische Gemeinschaft in der EU. Weitere Belastungen lehne er ab, so Nehammer.
Die organisierte Kriminalität mache aktuell mit fluchtwilligen Afghanen großes Geld. Dabei würde mit falschen Versprechungen gearbeitet, wie der, dass kein Afghane mehr aus Österreich abgeschoben werde. Das stimme nicht, betonte der Minister. Es gelte weiterhin, das aktuelle Recht durch Abschiebung gewalttätiger Asylbewerber durchzusetzen. Österreichs Regierung legt nach den Erfahrungen der Migrationskrise 2015 großen Wert darauf, eher politische Signale zu senden, die Menschen vor einem Asylgesuch abschrecken sollen.
Lage in Belarus eigentlich auf der Tagesordnung
Eine Debatte über eine möglicherweise steigende Zahl an Flüchtlingen, die wegen der Lage in Afghanistan nach Europa kommen könnten, stand nach Angaben der slowenischen Ratspräsidentschaft nicht auf der Tagesordnung. Es werde daran gearbeitet, das Thema bei einem gesonderten Termin zu besprechen. Der offizielle Hauptaspekt des Treffens betraf die Lage an der belarussisch-litauischen Grenze.
Litauen hatte wegen einer illegalen Grenzüberschreitung durch belarussische Sicherheitskräfte eine Note an die Führung des benachbarten Belarus übermittelt. Nach Angaben des litauischen Grenzschutzes hatte am Dienstag ein Dutzend belarussischer Sicherheitskräfte illegal die Grenze zum benachbarten Litauen überschritten. Demnach sollen die mit Schilden und Helmen ausgestatteten Beamten eine Gruppe von 35 Migranten über die Grenze gedrängt und dabei litauisches Territorium betreten haben. Litauen hat seit Wochen mit einem verstärkten Andrang von Migranten vor allem aus dem Nahen Osten über die Grenze zu Belarus zu kämpfen. Nach offiziellen Angaben wurden in diesem Jahr bereits gut 4100 Menschen an der fast 680 Kilometer langen Grenze aufgegriffen, im Vergleich zu gut 70 im gesamten Vorjahr.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde - als Reaktion auf die gegen sein Land verhängten EU-Sanktionen. Wegen vieler irregulär einreisender Migranten setzt Polen nun an seiner Grenze zu Belarus die Armee ein. Mehr als 900 Soldaten würden den polnischen Grenzschutz verstärken, schrieb Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak auf Twitter.
Quelle: ntv.de, mau/dpa