Spitzenliberaler im Wahlkampf "EU geht Leuten fürchterlich auf die Nerven"
20.05.2014, 14:51 Uhr
Alexander Graf Lambsdorff: "Es ist nun mal eine Realität, dass unsere Unternehmen in einem europäischen und einem globalen Wettbewerb stehen."
(Foto: imago stock&people)
Nur noch Tage bis zur Europawahl, und die FDP spielt in der Öffentlichkeit keine Rolle. Wofür steht die Partei eigentlich? Spitzenkandidat Graf Lambsdorff spricht mit n-tv.de über "widerwärtige" Populisten und "nervige" Bürokraten, über irrende Ex-Bundeskanzler, aber auch über sein Europa.
n-tv.de: Die Stimme der FDP ertönt im Europawahlkampf nicht besonders laut. Bietet die EU für Liberale keinen Ansatzpunkt für griffige Debatten?
Alexander Graf Lambsdorff: Wir haben sehr klare Botschaften für solide Finanzen, Reformen in den Krisenländern, mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie. Und als Liberale sind wir die drittstärkste Kraft in Europa, gestalten also aktiv mit.
Mit drittstärkster Kraft meinen Sie die europäischen Liberalen. Was ist mit der deutschen FDP?
Wichtig ist auch aus deutscher Sicht, dass es möglichst viele deutsche Liberale in der drittstärksten Fraktion des Europaparlaments gibt, deswegen kämpfen wir für ein gutes Ergebnis für die FDP. Aber natürlich müssen wir nach dem Ergebnis der Bundestagswahl mit einem beschränkten Etat arbeiten. Dafür merken wir auf Wahlkampfveranstaltungen, dass unsere Themen durchaus auf Resonanz stoßen.

Großer Name: Alexander Graf Lambsdorff ist der Neffe des früheren Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff.
(Foto: REUTERS)
Parteien wie der AfD oder der CSU gelingt es deutlich öfter, Akzente zu setzen. Wie erklären Sie sich das?
Naja, AfD und CSU sind ja gerade auch in einem Wettstreit darum, wer die ausländerfeindlichste Parole dreschen kann, die gerade noch gerichtsfest ist. Das erregt natürlich Aufmerksamkeit. Aber das ist widerwärtig und es schadet deutschen Interessen, schließlich braucht unsere Wirtschaft qualifizierte Fachkräfte.
Wie werben die Liberalen für sich? Was steht im Mittelpunkt Ihrer Europapolitik?
Wir sagen klar Ja zu Europa, weil es Frieden und Wohlstand sichert. Wir wollen, dass Europa sich um große Dinge kümmert und zum Beispiel einen gemeinsamen Energiemarkt schafft, damit die Strompreise in Deutschland sinken. Da wollen wir mehr Europa. Wir wollen weniger Europa, wenn es um kleine Dinge geht. Duschköpfe und Glühbirnen müssen nicht von Brüssel geregelt werden. Wir sind die einzige Partei, bei der im Programm steht: Wir wollen die Ökodesign-Richtlinie, aus der all diese Regelungen stammen, abschaffen.
Konventionelle Glühbirnen sind Stromfresser sondergleichen. Ist ihr Verbot nicht klimapolitisch vollkommen sinnvoll?
Ich sehe das anders, aber wenn man das will, dann ist das Mindeste, dass man solche Entscheidungen demokratisch fällen muss. Die Ökodesign-Richtlinie legt ja sogenannte Expertengruppen an, die dann ohne parlamentarische Kontrolle oder mediale Begleitung Recht setzen können. Wenn es Mehrheiten im Parlament gibt, solche Regulierungen zu machen, dann ist es in Ordnung. Solche Entscheidungen in Hinterzimmer zu verlegen und intransparent zu fällen, halte ich für verkehrt.
Sie weichen der Frage aus. Ist das Aus für Glühbirnen nicht klimapolitisch sinnvoll?
Das Verbot hat nur minimale Auswirkungen für das globale Klima. Wenn es überhaupt eine Wirkung hat, wird dieser Effekt wegen des hohen Quecksilbergehaltes und anderer negativer Aspekte wieder aufgehoben. Das Glühbirnenverbot ist insofern überflüssig. Ich glaube, dass die EU den Leuten mit solchen kleinteiligen Regelungen fürchterlich auf die Nerven geht. Und dann wenden sie sich vom großen Projekt Europa ab. Das wollen wir gerade nicht, weil wir den Erfolg Europas wollen.
Über die Klimabilanz von Glühbirnen lässt sich lange streiten. Das Verbot ist aber doch nicht einmal eine Idee aus Brüssel. Ist Kritik an Dingen wie dem Glühbirnenverbot nicht der verzweifelte Versuch, sich gegen die politische Konkurrenz namens AfD zu wehren, indem Sie auf antieuropäische Reflexe setzen?
Es wäre so, wenn wir vorher eine andere Position gehabt hätten und jetzt versuchten, hinter den Euroskeptikern hinterherzurennen. Aber wir haben schon zu Zeiten der Großen Koalition den Versuch gemacht, die Diskussion über die Glühbirne ins Parlament zu holen, aber gegen Grüne, SPD und CDU verloren. Dass wir beim Nein zum Glühbirnenverbot bleiben, ist eben nicht dem Wahlkampf geschuldet, sondern ist in unserer Haltung der vergangenen Jahre begründet.
Als Beispiel für mehr Europa nennen Sie einen europäischen Strommarkt: Sie heben den Preis besonders hervor. Verkürzt dies das Thema Energiewende nicht allzu sehr?
Natürlich ist der Strompreis nicht das einzige Element, aber ihn kleinzureden und für unwichtig zu erklären, halte ich für vollkommen falsch. Es ist nun mal eine Realität, dass unsere Unternehmen in einem europäischen und globalen Wettbewerb stehen. Da muss man als Wirtschaftspartei schon mal den Finger in die Wunde legen.
Muss man den Finger beim Thema Energiepolitik nicht vor allem in eine andere Wunde legen: Die EU legt ihre Klimaziele politisch auf Grundlage von Faktoren wie dem Strompreis fest. Was Wissenschaftler angesichts des Klimawandels für nötig halten, spielt praktisch keine Rolle.
Gerade in der Klimadebatte gilt: Zwei Wissenschaftler, drei Meinungen, und die Politik soll dann anschließend entscheiden. Ich glaube, dass Klimapolitik realistisch sein muss. Es ist in Ordnung, wenn man sich ehrgeizige Ziele setzt. Aber wenn verschiedene Ziele zueinander im Widerspruch stehen, dann macht das keinen Sinn
Neben Wohlstand nennen Sie Frieden als Kern der liberalen Europapolitik. Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt hat der EU gerade eine enorme Mitschuld an der Eskalation in der Ukraine vorgeworfen.
Bei allem Respekt vor Herrn Schmidt, hier irrt er. Die EU hat Kiew ein Angebot für bessere Zusammenarbeit gemacht. Genau das gleiche Angebot hat die EU Moskau gemacht. Russland hat es ausgeschlagen. Dass die EU einen Fehler begangen haben soll, weil sie den beiden großen Nachbarn Zusammenarbeit angeboten hat, kann ich nicht erkennen. Günther Verheugen hat ja auch öffentlich klar dokumentiert, wie die Entscheidungen gefallen sind in den letzten Jahren und kommt zu einem exakt entgegengesetzten Ergebnis wie sein Parteifreund Helmut Schmidt.
Schmidts Thesen erfreuen sich dennoch großen Zuspruchs. Wie erklären Sie sich das?
Ich glaube, das hat zwei Gründe: In Deutschland gibt es eine sehr verständliche, stark ausgeprägte Friedenssehnsucht. Man möchte keine Eskalation und ist deswegen bereit, Russland besonders aufmerksam zuzuhören. Und die Position von Herrn Schmidt ist ja sehr nah an dem, was auch aus Moskau zu hören ist. Der zweite Grund ist: Wir haben mit Russland eine sehr alte historische Verbindung. Die Ukraine dagegen ist als junges Land in den vergangenen 20 Jahren vor allem durch Probleme, Missmanagement und Korruption aufgefallen. Den Interessen Kiews fehlt in Deutschland der Resonanzraum.
Die EU setzt angesichts des Auftretens des Kreml auf Sanktionen. Ist das richtig?
Mit der Krim gab es das erste Mal seit 1945 eine Annektion in Europa. Das ist ein schwerer Völkerrechtsbruch. Da können wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Liberale Entspannungspolitik bedeutet aber auch, dass geredet wird, selbst wenn die Situation schwierig ist. Das gilt auch jetzt: Man muss mit Moskau reden. Wir haben in den dunkelsten Stunden des Kalten Krieges immer noch einen Gesprächskanal zu Moskau offen gehalten. Diese Doppelstrategie gilt auch heute.
Gehören zu dieser Doppelstrategie auch harte Wirtschaftssanktionen, wenn Moskau die Wahlen diskreditiert?
Es gibt hier keinen Automatismus. Sanktionen sind immer Teil eines Gesamtkonzeptes. Jetzt schon darüber zu spekulieren, was passiert, wenn, verbietet sich. Wir werden die Situation am Abend des 25. Mai einzuschätzen haben.
Mit Alexander Graf Lambsdorff sprach Issio Ehrich
Quelle: ntv.de