Kiews Absicht, eine Mauer zu bauen Ein antirussischer Schutzwall ist grotesk
04.09.2014, 14:47 Uhr
Russische Soldaten im März an einer Wand in Sewastopol, auf die die ukrainische Fahne gemalt ist.
(Foto: REUTERS)
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hat große Pläne. Er will eine 2000 Kilometer lange Mauer entlang der Grenze zu Russland bauen. Dies ist nicht nur historisch völlig abwegig, es hilft auch der Ukraine nicht.
Die ukrainische Regierung in Kiew will eine Mauer bauen. "Wir beginnen das Projekt Mauer, denn wir wollen einen echten Schutz", sagt Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Wie die "Ukrainischen Nationalen Nachrichten" berichten, ist eine Machbarkeitsstudie des Bauprojektes schon unterwegs zum ukrainischen Präsidialamt.
Rund 2000 Kilometer lang soll die Mauer sein und entlang der Grenze zu Russland verlaufen. Denkbar sei auch ein Elektrozaun mit Minen und Stacheldraht, sagt Jazenjuk. Viel sympathischer werden die jüngsten Pläne Kiews dadurch auch nicht. Ganz im Gegenteil: Der antirussische Schutzwall ist eine völlig abwegige Idee, die einmal mehr zeigt, wie verzweifelt die Regierung in Kiew inzwischen ist.
Zugegeben: Die Sorge vieler Ukrainer ist nachvollziehbar. Weil die gemeinsame Grenze offen ist, gelingt es Russland in den vergangenen Wochen offenbar nach Belieben, Waffen und Kämpfer in das Nachbarland zu bringen. Nach anfänglichen Erfolgen wurde die Armee aus Kiew in der Ostukraine wieder zurückgedrängt. Kiew sieht sich in seiner territorialen Integrität bedroht, aber muss man deshalb eine Mauer bauen? Nein!
Jazenjuk betreibt unnötige Scharfmacherei
Der antirussische Schutzwall würde den Konflikt nicht lösen, sondern ihn endgültig zementieren. So vertrackt die Lage auch ist: Daran kann wirklich niemandem gelegen sein. Gerade in der Ostukraine gibt es eine starke Bindung nach Russland. Beide Länder haben nicht nur eine gemeinsame Geschichte, sondern auch enge verwandtschaftliche Verbindungen. Eine befestigte Grenze würde Kontakte zwischen Russen und Ukrainern noch schwerer machen, als sie ohnehin schon sind. Und: Würde eine Mauer tatsächlich verhindern, dass Waffen und Kämpfer die Grenze überqueren? Es gibt Hubschrauber und Fallschirmspringer. Ausgeschlossen wäre dies wohl auch dann nicht.
Politik hat in so einer verfahrenen Lage die Aufgabe, nach Lösungen zu suchen, anstatt die Situation weiter aufzuheizen. Jazenjuk betreibt unnötige Scharfmacherei, sein Plan zeugt von historischer Unkenntnis. Eine Mauer, die mitten durch Europa verläuft - was wäre das 25 Jahre nach dem Mauerfall in Berlin für ein fatales Signal! Das Projekt hinkt auch in anderer Hinsicht. Der Bau des Schutzwalls würde nicht nur lange dauern, laut der Machbarkeitsstudie soll er geschätzt 100 Millionen Euro verschlingen. Geld, das die Ukraine, die so gut wie pleite ist, eigentlich gar nicht hat.
Ein Gedankenspiel zum Schluss: Mal angenommen, der Vorschlag wäre aus Moskau gekommen, das Echo wäre wohl wesentlich heftiger ausgefallen. Bemerkenswert ist hingegen, wie schnell Jazenjuks Absichtserklärung in diesem Fall verhallte. Öffentliche Reaktionen gab es fast keine. Es bleibt zu hoffen, dass die Spitzenpolitiker des Westens ihren Einfluss, etwa beim Nato-Gipfel in Wales, geltend machen. Wenn es darum geht, die Regierung in Kiew von einer Dummheit abzuhalten.
Quelle: ntv.de