Syriens Führungszirkel Enger Assad-Vertrauter flieht
06.07.2012, 08:17 Uhr
Sie hoffen, doch auf ihre Freiheit müssen Oppositionelle in Syrien vermutlich noch lange warten.
(Foto: REUTERS)
Das Assad-Regime zeigt immer deutlichere Auflösungserscheinungen. Mit Manaf Tlas flüchtet ein Mitglied des innersten Führungszirkels von Präsident Assad. Doch ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien erscheint noch in weiter Ferne. Daran wird heute wohl auch das internationale Treffen der "Freunde Syriens" in Paris nichts ändern. Moskau stützt weiterhin Assad.
In Syrien hat ein Mitglied des innersten Führungszirkels Präsident Baschar al-Assad den Rücken gekehrt. Mehrere Rebellen bestätigten, mit Manaf Tlas, General der Republikanischen Garde, sei der bislang wichtigste Angehörige der Führungsschicht desertiert. Der General sei erbost über die Entscheidung Assads gewesen, militärisch gegen die Rebellen vorzugehen. Die Online-Nachrichtenseite "Syriasteps" berichtete, Tlas sei in die Türkei geflüchtet.
Tlas Vater diente 30 Jahre lang Assads Vater als Verteidigungsminister. Der Sohn wuchs regelrecht in das Regime hinein. Er galt als Freund von Assad und ist einer der wenigen sunnitischen Muslime in der von Allawiten dominierten Führungsschicht. Tlas Flucht könnte darauf hindeuten, dass der Rückhalt für den autokratisch regierenden Staatschef in den Reihen der wohlhabenden Sunniten schwindet. Diese haben Assad bislang in weiten Teilen unterstützt - oder nicht offen rebelliert. Der Vater und ein Bruder von Tlas haben Syrien nach Ausbruch der Revolte schon vor mehr als 16 Monaten verlassen. Seitdem sind Tausende Syrer getötet worden.
"Das ist ein sehr entscheidender Treuebruch. Seine Brigade ist ihrem General sehr verbunden. Das wirkliche Überlaufen hat jetzt begonnen", sagte ein Assad-Gegner aus der Exil-Opposition. Ein westlicher Diplomat, der Tlas in Damaskus kennengelernt hatte, ergänzte: "Das ist eine wichtige Nachricht, weil sie zeigt, dass der innere Kreis zerfällt."
Kandidat für Nachfolge Assads
Tlas soll vor seiner Flucht in seinem Haus im Damaszener Stadtteil Messe unter Hausarrest gestanden haben. Unter Experten gilt der Kommandeur als möglicher Kandidat für eine Führungsrolle nach einem Zusammenbruch des Assad-Regimes. Ein Mitglied der Sicherheitsbehörden relativierte den Abgang Tlas hingegen nach Angaben von "Syriasteps": "Das bedeutet rein gar nichts", sagte er.
Die Flucht in die Türkei gelang Tlas offenbar durch die Hilfe syrischer Deserteure. So hieß es zumindest in Oppositionskreisen. Nach Angaben eines Sprechers des französischen Außenministeriums machte sich der frühere Vertraute daraufhin auf den Weg nach Frankreich, wo er Familie habe. In Paris findet zudem ein Treffen der sogenannten Gruppe der "Freunde Syriens" statt. Vertreter aus rund 100 Staaten wollen dabei über das weitere Vorgehen in der Syrien-Krise beraten. Ziel des Treffens ist es, den Druck auf Machthaber al-Assad weiter zu erhöhen.
Der Konflikt zwischen syrischen Sicherheitskräften und Regimegegnern hat inzwischen deutlich mehr als 10.000 Tote gefordert. Ein schnelles Ende der Gewalt ist nach wie vor nicht in Sicht. Und auch in Paris wird nicht mit einem Durchbruch gerechnet. Unter anderem, weil Russland, einer von Syriens engsten Vertrauten, die Konferenz boykottiert.
Noch am Tag vor der Konferenz in Paris unterstrich Russlands Außenminister Sergej Lawrow , Guido Westerwelle von der FDP, einmal mehr die Haltung der UN-Vetomacht: Russland lehnt eine Einmischung von außen sowie Forderungen nach einem Rücktritt von Assad kategorisch ab. Vorschläge aus dem Westen, Assad könne in Russland Asyl erhalten, wies er als "Witz" zurück.
Quelle: ntv.de, dpa/rts