Franzosen bestehen auf Züchtigung Europa streitet über Prügelstrafe
02.03.2015, 15:40 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet sind, verbieten viele europäische Staaten Gewalt als Erziehungsmittel nicht grundsätzlich. Der Europarat berät nun über eine Beschwerde gegen Frankreich. Der Papst ist nicht der einzige, der prügelnde Väter normal findet.
Haben Eltern das Recht, ihre Kinder auch mit Hilfe von Ohrfeigen oder gar von Stockschlägen zu erziehen? Die Frage ist in Europa umstritten - vor allem seit den unglücklichen Äußerungen von Papst Franziskus zur Rolle der Väter als Zuchtmeister. Nun könnte die Diskussion vom Europarat neu entfacht werden. Der paneuropäischen Länderorganisation mit Sitz in Straßburg liegt eine Beschwerde der britischen Kinderschutzorganisation Approach gegen Frankreich vor, das - im Gegensatz etwa zu Deutschland und Österreich - Prügelstrafen für Kinder bisher nicht verboten hat.
Das Komitee für soziale Rechte erklärte die Beschwerde im vergangenen Juni für zulässig. Das Gremium soll nun am Mittwoch entscheiden, ob das Fehlen eines Verbots der Prügelstrafe gegen die Europäische Sozialcharta verstößt. Im Gegensatz zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind Entscheidungen des Komitees für die betroffenen Länder zwar nicht bindend - aber sie können den politischen Druck auf Regierungen verstärken.
In Frankreich hatte das Thema bereits kontroverse Debatten gesorgt. Ein Vorstoß der Grünen, jegliche körperliche Züchtungen für Kinder - auch innerhalb der Familie - zu verbieten, fand in der Nationalversammlung keine Mehrheit. Nicht zuletzt konservative katholische Familienverbände pochen auf das Recht der Eltern, bei der Erziehung auch die "fessée" einzusetzen, also ihren Kindern den Hintern versohlen zu dürfen.
Deutschland hat Charta nicht ratifiziert
Derzeit erlaubt das französische Gesetz "leichte" Züchtigungen zu "erzieherischen Zwecken" in der Familie, nicht aber in der Schule. Das Gesetz ist so vage, dass Familienrichter relativ breiten Spielraum haben. Im Herbst 2013 rief eine Geldstrafe von 500 Euro für einen Vater, der seinen damals neun Jahre alten Sohn versohlt hatte, heftige Reaktionen hervor. Im Internet kritisierten viele Franzosen diese Strafe als unverhältnismäßig hart.
Artikel 17 der 1996 revidierten Europäischen Sozialcharta verpflichtet eigentlich alle die Unterzeichnerstaaten, "jede Form" von Gewalt gegen Kinder mit "klaren, verbindlichen und präzisen" Regelungen zu unterbinden. Das Abkommen wurde bisher von 33 Staaten, darunter Frankreich, ratifiziert. Deutschland hat den Text zwar 2007 unterzeichnet, die Ratifizierung aber noch nicht abgeschlossen.
20 Länder erlauben Züchtigung
Von den insgesamt 47 Europaratsländern haben 27 bisher jede Form körperlicher Strafen für Kinder - sei es in der Schule oder zu Hause - verboten. Vorreiter war Schweden, das Eltern bereits 1979 untersagte, ihre Kinder zu züchtigen. Diesem Beispiel folgten im Laufe der Jahre Staaten in allen Teilen Europas, zuletzt Mazedonien (2013) und im vergangenen Jahr Malta, der Zwergstaat San Marino und Estland. Österreich erließ 1989 ein vollständiges Verbot von Prügelstrafen für Kinder, Deutschland im Jahr 2000.
In einigen Ländern wird nach Angaben des Europarats derzeit über ein solches Verbot diskutiert - etwa in den Kaukasus-Republiken Aserbaidschan und Armenien sowie in Litauen. Frankreich gehört zu den europäischen Staaten, in denen Verfechter des Prügelstrafenverbots auf besonders heftigen Widerstand stoßen. Ähnlich ist die Lage dem Europarat zufolge in Russland, Großbritannien, Irland und Belgien.
Quelle: ntv.de, mbo/afp