Sparkurs zwingt zu Rolle rückwärts FDP will Hotelermäßigung prüfen
31.05.2010, 08:30 UhrAngesichts der drastischen Sparzwänge schließt die schwarz-gelbe Koalition Steuererhöhungen nicht mehr aus. So soll die umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hotels nach dem Willen der FDP "auf den Prüfstand". CSU-Chef Seehofer kündigt aber bereits Widerstand an. Einig sind sich Union und FDP bei den Kürzungen von Subventionen.
Die FDP ist dazu bereit, im Zuge des geplanten Sparprogramms auch die heftig umstrittene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers wieder in Frage zu stellen. "Wer das Steuersystem vereinfachen will, muss den Steuerdschungel lichten", sagte der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, der "Süddeutschen Zeitung". "Es ist niemandem zu erklären, dass etwa Babywindeln mit 19 und edle Zuchtpferde mit sieben Prozent besteuert werden." Vor diesem Hintergrund müsse auch das vor kurzem erst eingeführte Mehrwertsteuerprivileg für Hoteliers "auf den Prüfstand gestellt" werden.
Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe von 19 auf sieben Prozent war zu Jahresbeginn auf Druck von FDP und CSU in Kraft getreten. Damit sollen grenznahe Beherbergungsbetriebe im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten unterstützt werden. Die Steuererleichterung war parteiübergreifend kritisiert worden und von der Opposition als Beleg der Klientelwirtschaft der Liberalen gewertet worden.
Die Koalition muss von 2011 bis 2016 jedes Jahr ein Etatloch von zehn Milliarden Euro dauerhaft schließen, um die Schuldenbremse im Grundgesetz einzuhalten. Wie dies geschehen soll, will die Regierung in einer Klausurtagung am kommenden Wochenende entscheiden.
Subventionen sollen fallen

FDP-Haushaltsexperte Fricke kann sich eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes vorstellen.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Fricke sprach sich zudem dafür aus, Subventionen zu streichen, "auch und gerade im Bereich des von uns geführten Wirtschaftsministeriums", und bei militärischen Beschaffungsvorhaben sowie Verkehrsprojekten zu kürzen. "Und dann müssen natürlich unsinnige Dinge wie die gerade eingeführte "Kuhprämie" auf den Prüfstand", sagte er. Auch bei Hartz IV müsse der Grundsatz der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit gelten, zum Beispiel bei den Heizkosten. Steuer- und Beitragserhöhungen lehnte Fricke dagegen kategorisch ab.
Auch FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger zeigte sich offen, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf eine Anzahl von Produkten anzuheben. "Die Mehrwertsteuer mit ihren unterschiedlichen Sätzen ist undurchschaubar und führt zu teilweise absurden Ergebnissen. Sie muss dringend insgesamt überarbeitet werden", sagte Homburger der "Bild"-Zeitung. Dabei verwies sie auf eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag. "Ich erwarte, dass der Finanzminister schnell eine Kommission einsetzt", sagte sie.
CSU kündigt Widerstand an
Eine Anhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes dürfte aber an der CSU scheitern. Parteichef Horst Seehofer hat massiven Widerstand gegen alle Pläne angekündigt, zur Sanierung des Haushalts Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge anzuheben. "Mit der CSU wird es keine Steuererhöhungen geben, nicht beim halben oder ganzen Mehrwertsteuersatz, nicht bei der Lohn- oder Einkommenssteuer", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Süddeutschen Zeitung". Das gelte auch für mögliche Beitragserhöhungen bei der Kranken- oder Arbeitslosenversicherung.
"Höhere Steuern oder Abgaben würden die Philosophie des Koalitionsvertrages auf den Kopf stellen", sagte Seehofer. Das komme mit ihm nicht in Frage. "Änderungen hier wären ohne eine Neubefassung meiner Partei auf einem Parteitag schlechterdings unmöglich."
Eine Ausnahme will Seehofer hingegen bei einer Finanztransaktionssteuer machen. "Wir können den Menschen nicht Sparanstrengungen zumuten, ohne bei der Finanztransaktionssteuer unmissverständlich Farbe zu bekennen", sagte der CSU-Chef. Hier sei "baldmöglichst eine glasklare Regelung" nötig.
Brüderles Sparvorschläge
Wirtschaftsminister Rainer Brüderle will nach Informationen der "Financial Times Deutschland" bei Steinkohle und den Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe (GA) zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur kürzen. Die GA-Förderung (664 Mio Euro) fließe vor allem in die neuen Länder und Berlin, die Steinkohlesubvention (1,5 Mrd Euro) nach Nordrhein-Westfalen.
Brüderle regte an, Subventionen von Anfang an auf drei bis fünf Jahre zu befristen, um dann jeweils neu zu entscheiden. Entschieden wandte er sich gegen Steuererhöhungen. "Damit reduzieren wir die Binnennachfrage nur weiter. Auch von Steuern auf Luxusgüter halte ich nichts."
Grüne wollen Reiche belasten
Dagegen fordern die Grünen eine Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine stärkere Belastung großer Vermögen. "Wir schlagen eine zeitlich befristete, einmalige Vermögensabgabe für große Privatvermögen und eine Reform der Erbschaftssteuer vor", sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir der "Rheinischen Post". Zudem müsse der Spitzensteuersatz von derzeit 42 auf 45 Prozent steigen. Ähnliche Forderungen hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel schon am Wochenende erhoben.
Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte die Deutschen am Wochenende auch auf Milliardenkürzungen im Gesundheitsbereich und bei Hartz IV eingestimmt. Zur Sanierung des Haushalts würden "alle Bürger in einem für sie zumutbaren Maße beitragen müssen". Schäuble sprach von einer schwierigen, aber nicht unmöglichen Aufgabe.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP