Politik

Hilft Euro-Populismus über 5-Prozent-Hürde? FDP will angeblich Westerwelle opfern

Verhältnis abgekühlt? Westerwelle mit Rösler.

Verhältnis abgekühlt? Westerwelle mit Rösler.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die FDP bereitet einem Zeitungsbericht zufolge schon ein Krisenszenario vor, sollte die Partei aus dem Berliner Abgeordnetenhaus fliegen. Demnach soll Außenminister Westerwelle durch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ersetzt werden. Derweil versuchen die Euro-Kritiker die FDP auf ihren Kurs zu zwingen.

In der FDP gibt es offenbar Streit über die Zukunft von Bundesaußenminister Guido Westerwelle. So wird im Parteivorstand einem Medienbericht zufolge an einem Krisenszenario für den Fall gearbeitet, dass die Partei am Sonntag bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte. Nach einem Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" solle Westerwelle in diesem abgelöst und durch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ersetzt werden, heißt es unter Berufung auf mehrere Mitglieder des FDP-Bundesvorstandes. FDP-Sprecher Wulf Oehme wies den Bericht allerdings noch am Abend als "kompletten Nonsens" zurück.

Das Gremium habe sich nach den Niederlagen in Bremen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Tagen auf einen Notfallplan geeinigt, schreibt die HAZ. Er sehe vor, dass der Haushaltsexperte Otto Fricke das Justizressort übernehmen solle. In der Parteizentrale habe es geheißen, dass Westerwelle sicherlich nicht für die Wahlergebnisse in der Stadt Berlin verantwortlich gemacht werden dürfe. Allerdings wollten die Liberalen bundesweit ihren Neustart unter dem neuen Parteichef Philipp Rösler betonen.

FDP holzt zurück

Fliegen sie raus? Rösler und der Berliner FDP-Spitzenkandidat Meyer.

Fliegen sie raus? Rösler und der Berliner FDP-Spitzenkandidat Meyer.

(Foto: dpa)

Nach der scharfen Kritik von Rösler am Euro-Rettungskurs hat die FDP in einer Umfrage allerdings wieder zugelegt. Die Liberalen gewannen im bundesweiten Deutschlandtrend der ARD zwei Punkte auf fünf Prozent. Ob der neue kritische Euro-Kurs auch am Sonntag in Berlin hilft, ist ungewiss. Zuletzt lag die Berliner FDP klar unter der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Abgeordnetenhaus.

In der schwarz-gelben Koalition aber auch bei den Liberalen geht die Diskussion um die Euro-Hilfen nach Röslers Pleite-Spekulationen zu Griechenland weiter. Nach der deutlichen Kritik der Union ging FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle zum Gegenangriff über. "Ich halte die Art und Weise, wie vom Koalitionspartner mit dem FDP-Vorsitzenden umgegangen wird, auch nicht für ganz in Ordnung", sagte Brüderle im Deutschlandfunk.

"Das ist 'ne Ente"

Rösler hatte eine geordnete Insolvenz Griechenlands ins Spiel gebracht. Kanzlerin Angela Merkel rügte ihn dafür indirekt. Brüderle war Merkel nun vor, sie habe ähnliche Gedanken ebenfalls schon geäußert. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die Kanzlerin arbeite mit Rösler "gut und vertrauensvoll" zusammen. Seibert wiederholte die Vorgabe, dass Aussagen von allen Regierungsmitgliedern immer konstruktiv und Teil der Lösung sein sollten. Rösler betonte im Berliner Wahlkampf, dass er als Wirtschaftsminister dem Volk verpflichtet sei. "Ich bin ausdrücklich nicht den Finanzmärkten verpflichtet, und ich tue das, was ich für richtig halte."

Am Montag nach der Berlin-Wahl will Rösler seinen Euro-Kurs präzisieren und neue Vorschläge für die FDP-Strategie vorlegen. Generalsekretär Christian Lindner wies Berichte zurück, wonach dabei Bedingungen für den Fortbestand der Koalition diktiert würden: "Das ist 'ne Ente. Ein Koalitionspapier mit roten Linien - das ist nicht beabsichtigt und das wird nicht kommen."

In der FDP geht derweil die Initiative für einen Mitgliederentscheid zur Frage des ständigen Euro-Rettungsschirms weiter. Für eine Befragung der Mitglieder haben die "Euro-Rebellen" bisher nach eigenen Angaben rund 1800 Unterschriften gesammelt. Das ist mehr als die Hälfte der benötigten rund 3300 Mitglieder. Um die Befragung der Basis zu erzwingen, sind laut Satzung Unterschriften von fünf Prozent der Mitglieder, Anträge von fünf Landesverbänden oder einem Drittel der Kreisverbände nötig.

Juli kritisieren Schäffler

Die Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und den Altliberalen Burkhard Hirsch wollen den künftigen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM verhindern. Schäffler schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter: "Halbzeit! 1800 Mitglieder unterstützen den FDP-Mitgliederentscheid zum Euro."

Euro-Kritiker Frank Schäffler.

Euro-Kritiker Frank Schäffler.

(Foto: Frank Schäffler)

Der Landesverband Schleswig-Holstein sprach sich am Abend als zweiter nach Bremen offiziell für einen Mitgliederentscheid aus. Der Landesvorsitzende Jürgen Koppelin sagte, nach seiner Kenntnis seien bereits fünf Landesverbände dafür.

Die Jungen Liberalen kritisierten die Schäffler-Linie und sprachen sich gegen ihren Antrag für einen Mitgliederentscheid aus. Zwar teilen die Julis grundsätzlich die Kritik an einem dauerhaften Rettungsmechanismus. Doch zeigten die Euro-Kritiker um Schäffler keine positiven Alternativen auf, kritisiert der Nachwuchs der Liberalen in einem Positionspapier, das n-tv.de vorliegt. Die Julis fordern im Gegensatz zu Schäffler etwa eine "stärkere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik" und formulieren "eine Vision von einem Europäischen Bundesstaat". Gerade deshalb komme eine Unterstützung von Schäfflers Antrag nicht in Frage, heißt es in dem Papier.

Die Organisation zur Befragung der rund 65.000 Mitglieder dauert erfahrungsgemäß etwa zehn Wochen. Selbst wenn Bundesvorstand und Geschäftsstelle es beschleunigen, könnte es für die von Schäffler & Co. geforderte Entscheidung bis zum Parteitag am 12. und 13. November in Frankfurt/Main knapp werden. Die FDP könnte aber nun wohl mehr Zeit haben, falls die ESM-Abstimmung im Bundestag von Dezember auf Anfang 2012 verschoben wird.

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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