"Jetzt erst recht" oder Furcht? Forscher: "Hilflosigkeit verstärkt die Angst"
20.12.2016, 20:41 Uhr
Berliner trauern und gedenken am Tatort.
(Foto: REUTERS)
Trauer, Wut und Angst sind Emotionen, die viele nach dem Anschlag von Berlin empfinden. Viele Menschen befürchten weitere Vorfälle, andere machen sich Mut. Ein Angstforscher erklärt, wie die Deutschen mit der Lage umgehen.
Der Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt ist nach Ansicht des Angstforschers Borwin Bandelow besonders schockierend, weil ein solches Attentat lange befürchtet wurde. "Die Menschen sind extrem verängstigt", sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen. "Mit einem Anschlag mitten in Berlin musste man rechnen. Dennoch konnte er nicht verhindert werden - man konnte sich nicht davor schützen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich breit. Das verstärkt die Angst maximal."
Das Umgehen mit der Angst nach dem Ereignis sei schwierig, erläuterte Bandelow. "Dass man jetzt große Angst hat, ist völlig klar. Viele werden nun Menschenansammlungen meiden." Dies zunächst eine Zeitlang zu tun, sei unproblematisch, erklärte der Angstforscher. Es sei nicht wahrscheinlich, dass daraus eine Angststörung entstehe.
Der schnelle Überblick - Ein Lkw ist gestern Abend auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Die Polizei spricht mittlerweile von einem "vermutlich terroristischen Anschlag".
- Zwölf Menschen sind tot, 48 verletzt. Lediglich die Identität eines der Toten ist bekannt: Es ist ein Pole, der im Fahrerhaus saß, aber laut Polizei nicht den Lkw gesteuert hat.
- Der Lkw gehört einer polnischen Spedition, die das Fahrzeug seit gestern Nachmittag, circa 16 Uhr, vermisst hatte.
- Zwei Kilometer vom Unglücksort entfernt wurde am Abend ein Verdächtiger festgenommen. Er wird seit Stunden verhört. Über seine Identität ist von offizieller Seite nichts bekannt geworden. Es gibt Berichte, nach denen es sich um einen Pakistaner handeln soll, der am 31.12.2015 über Passau eingereist sei.
- Mehrere Medien berichten, ein Großaufgebot der Polizei habe eine Flüchtlingsunterkunft in einem Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof gestürmt und durchsucht. Womöglich hat der Verdächtige hier gewohnt.
Eine umfassende Übersicht über die bisherigen Erkenntnisse finden Sie hier.
Dauerhaftes Vermeiden hilft nicht
- Ein Lkw ist gestern Abend auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Die Polizei spricht mittlerweile von einem "vermutlich terroristischen Anschlag".
- Zwölf Menschen sind tot, 48 verletzt. Lediglich die Identität eines der Toten ist bekannt: Es ist ein Pole, der im Fahrerhaus saß, aber laut Polizei nicht den Lkw gesteuert hat.
- Der Lkw gehört einer polnischen Spedition, die das Fahrzeug seit gestern Nachmittag, circa 16 Uhr, vermisst hatte.
- Zwei Kilometer vom Unglücksort entfernt wurde am Abend ein Verdächtiger festgenommen. Er wird seit Stunden verhört. Über seine Identität ist von offizieller Seite nichts bekannt geworden. Es gibt Berichte, nach denen es sich um einen Pakistaner handeln soll, der am 31.12.2015 über Passau eingereist sei.
- Mehrere Medien berichten, ein Großaufgebot der Polizei habe eine Flüchtlingsunterkunft in einem Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof gestürmt und durchsucht. Womöglich hat der Verdächtige hier gewohnt.
Eine umfassende Übersicht über die bisherigen Erkenntnisse finden Sie hier.
Dauerhaft helfe ein solches Vermeidungsverhalten aber nicht, fügte er hinzu. Er rate zu einem "gesunden Fatalismus": "Man muss sich klarmachen, dass man mit der Gefahr leben muss. Sich nur noch zu verkriechen, geht ja nicht."
Die Verarbeitung erschwere, dass Angst im Gehirn in zwei Gebieten verarbeitet werde, die nicht notwendigerweise zusammenarbeiten, erläuterte Bandelow. Es gebe einen intelligenten Teil, der rationalen Argumenten zugänglich sei. Die Angst halte sich aber vor allem im primitiven Teil hartnäckig. "Dennoch muss man die Rationalität einschalten. Es ist statistisch ja sehr unwahrscheinlich, bei einem Anschlag ums Leben zu kommen. " Solche Gedanken seien hilfreich, um mit der Angst weiterzuleben.
In Gesellschaften, in denen es häufig Anschläge gebe, sei zu beobachten, dass sich die Menschen davon langfristig nicht einschüchtern ließen. "Eine gewisse Routine stellt sich ein", sagte Bandelow. "Die Lebensqualität wird dadurch nicht dauerhaft eingeschränkt - die Menschen leben einfach weiter. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig."
Quelle: ntv.de, sgu/dpa/epd