Politik

E-Mail-Affäre im US-Wahlkampf Für Comey ist gut gemeint nicht gut genug

James Comey hält es eigenen Angaben für irrenführend, den Amerikanern die Ermittlungen vorzuenthalten.

James Comey hält es eigenen Angaben für irrenführend, den Amerikanern die Ermittlungen vorzuenthalten.

(Foto: dpa)

Der Ruf von FBI-Chef Comey ist schon jetzt ruiniert. Wenn er Pech hat, geht er auch noch als der Mann in die Geschichte ein, der Hillary Clinton den Wahlsieg gekostet hat.

FBI-Direktor James Comey behauptete mal, es sei leicht, ethische Entscheidungen zu fällen. "Es gibt richtig, und es gibt falsch, und es ist nicht schwer, den Unterschied zu erkennen." Comey hat sich offensichtlich geirrt.

Der Chef der Bundespolizei entschied sich, elf Tage vor der US-Wahl neue Ermittlungen in Hillary Clintons E-Mail-Affäre bekanntzugeben – obwohl er bis heute nicht weiß, ob die E-Mails, die seine Behörde entdeckt hat, wirklich neu oder strafrechtlich relevant sind.

Weil das FBI es nicht schaffen wird, die Dokumente vor der Wahl am 8. November auszuwerten, hat die Kampagne Clintons einen Dämpfer bekommen. Ein Verdacht steht im Raum, und niemand weiß, ob eine Wahl für die 69-Jährige eine Wahl für eine Kriminelle ist.

Clintons Gegner Donald Trump kann das für seine Kampagne ausschlachten und Comey könnte mit dafür verantwortlich sein, dass der Republikaner das Rennen um die Präsidentschaft am Ende doch noch gewinnt – selbst, wenn sich herausstellt, dass die Ermittlungen keine echte Grundlage haben.

Comey wird nun von Demokraten und einigen Republikanern vorgeworfen, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Zuletzt meldete sich US-Präsident Barack Obama zu Wort. "Ich denke, dass es bei Ermittlungen eine Norm gibt, dass man nicht auf der Grundlage von Unterstellungen, unvollständigen Informationen oder undichten Stellen agiert", sagte er. Zuvor wurde schon bekannt, dass das Justizministerium Comey entsprechend der üblichen Praxis der Behörde davon abriet, kurz vor dem Wahltag mit einer Wasserstandsmeldung an die Öffentlichkeit zu gehen.

Comeys Schicksal scheint nun besiegelt, eine Karriere, die lange als nahezu makellos wahrgenommen wurde, ist endgültig befleckt.

Ruf unantastbar zu sein

Comey kam 1960 in Yonkers, New York, auf die Welt. Er studierte Chemie und Religion, setzte später einen Abschluss in Rechtswissenschaft drauf. Er arbeitete 15 Jahre als Staatsanwalt bevor er in die Administration des damaligen Präsidenten George W. Bush einstieg und sich zum stellvertretenden Justizminister hocharbeitete. Bushs Nachfolger Obama machte ihn vor drei Jahren zum Direktor des FBI, obwohl Comey Mitglied der Republikaner ist. Obama wollte damit die Gräben zwischen seinen Demokraten und der Grand Old Party verkleinern.

Seinen einst so guten Ruf verdiente Comey sich unter anderem durch einen Vorfall im Jahr 2004. Damals verhinderte er, dass der damalige Justizminister John Ashcroft ein umstrittenes NSA-Abhörprogramm verlängerte. Ashcroft lag nach einer Operation im Krankenhaus. Hochrangige Beamte der Bush-Regierung versuchten, ihm in dieser Lage die notwendige Unterschrift zu entlocken. Mit Sirenen und Blaulicht raste Comey ihnen hinterher, als er davon erfuhr und stellte sich den Männern noch rechtzeitig in den Weg.

Comey erarbeitete sich so den Ruf des Unantastbaren, wenn es um moralische Fragen geht, eines überparteilichen Mannes mit Sinn für Recht und Gerechtigkeit – und vor allem für Transparenz. Zu dieser Erzählung passte auch, dass er im Sommer frühere Ermittlungen zur Clinton-Email-Affäre als nicht strafrechtlich relevant einstufte. Republikaner wetterten, dass er völlig vergesse, dass er doch einer von ihnen sei. Aber auch Demokraten waren empört. Comey fügte seiner Entscheidung nämlich hinzu, dass Clintons Umgang mit vertraulichen E-Mails nichtsdestotrotz "extrem fahrlässig" gewesen sei. Schon das war eine unübliche Bewertung für einen FBI-Mann. Außerdem steht er im Verdacht mit zweierlei Maß zu messen: Medienberichten zufolge ermittelt das FBI auch gegen den Wahlkampfstab Trumps wegen einer angeblichen Beeinflussung durch Russland. Die Beweislage ist ähnlich unkonkret wie im Falle von Clintons E-Mails, die Ermittlungen zu Trump gab Comey offiziell aber nicht bekannt.

Plötzlich Ziel des Spotts

Der Ruf des FBI-Direktors ist jetzt endgültig dahin, denn es kann so wirken, als gäbe er dem Druck seiner Parteikollegen nach. Von der schillernden Persönlichkeit ist Comey binnen Tagen Ziel von Spott geworden. Die "Washington Post" kreierte eine fiktive Entschuldigung Comeys: "Was ich heute tun will, ist, Ihnen drei Fragen zu beantworten: Was wir getan haben? Warum wir es getan haben? Was wir gefunden haben?" Die Antwort, die sich das Blatt für Comey ausgedacht hat: "Wir haben es verbockt, ich wollte mich nur absichern, ich hab keine Ahnung."

Die intensive Berichterstattung über ihn fördert zudem viele seiner früheren Verfehlungen noch einmal zutage. Zum Beispiel, dass er das NSA-Abhörprogramm, das er angeblich so heldenhaft verhinderte, später doch noch zuließ - mit marginalen juristischen Anpassungen. Comey wird nun vorgeworfen, zwar ein strahlendes Image zu pflegen, sich aber nicht ernsthaft moralisch verpflichtet zu fühlen, das Richtige zu tun, sondern vor allem daran zu denken, welche Handlung am ehesten seinem guten Ruf zuträglich sein könnte.

Auch von einer Episode aus dem vergangenen Jahr ist nun oft wieder die Rede. Comey behauptete damals: Es gebe einen Zusammenhang zwischen steigenden Mordraten und der Angst von Polizisten, bei ihrer Arbeit gefilmt oder fotografiert zu werden. Er sprach vom "Ferguson-Effekt". In der gleichnamigen Stadt im Bundesstaat Missouri wurde 2014 der unbewaffnete afroamerikanische Schüler Michael Brown von einem weißen Polizisten erschossen. Die Tat löste landesweit Proteste gegen rassistische Polizeigewalt aus. Beweise für seine gewagte These legte Comey nicht vor.

Eine Lose-Lose-Situation

Der FBI-Chef selbst vermied bisher öffentliche Äußerungen im Falle Clinton. Auch das wurde ihm vorgeworfen. Bei Mitarbeitern rechtfertigte er sich der "Washington Post" zufolge, indem er sagte, es wäre "irreführend für das amerikanische Volk", die neuen Ermittlungen zu verheimlichen – "trotz des hohen Risikos, falsch verstanden zu werden".

Eine ehemalige Mitarbeiterin stützt diese Darstellung eines Mannes, der von sich behauptet, gute Absichten gehabt zu haben. Wie jetzt mit ihm umgesprungen werde sei ein Beleg dafür, dass "gute Menschen" nicht nach Washington gehen sollten.

Spätestens jetzt dürfte Comey begriffen haben, dass es womöglich doch nicht immer so leicht ist, die richtige von der falschen Entscheidung zu unterscheiden, wie er es einst behauptete – zumindest, wenn man auch nur ansatzweise an Realpolitik interessiert ist. Denn hätte Comey sich anders entschieden, hätte auch das berechtigten Grund zur Kritik liefern können – wenn sich nach einem Wahlsieg Clintons herausgestellt hätte, dass sie sich strafbar gemacht hat.

Quelle: ntv.de

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