Politik

Plan B: Große Koalition Gabriel sorgt schon mal vor

Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel am 23. Mai beim Festakt zum 150. Geburtstag der SPD in Leipzig.

Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel am 23. Mai beim Festakt zum 150. Geburtstag der SPD in Leipzig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Vor acht Jahren knickte die SPD ein: Statt die "Merkelsteuer" zu verhindern, vereinbarte sie mit der Union eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Die Opposition warf den Sozialdemokraten daraufhin vor, gelogen zu haben. Diesen Vorwurf will Gabriel sich nicht noch einmal machen lassen.

Er könne nur Wahlkampf machen, indem er "jeden Nerv, alles, was ich einbringen kann, jeden Teil meines Kopfes darauf konzentriere, eine rot-grüne Bundesregierung zu bilden", sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am vergangenen Sonntag im Interview mit n-tv. Damit begründete er, warum er für eine Große Koalition nicht zur Verfügung stehe.

Für Steinbrück funktioniert diese Strategie, nicht jedoch für die SPD insgesamt. Natürlich denkt die Parteispitze über mögliche Szenarien nach der Bundestagswahl nach, alles andere wäre ja geradezu fahrlässig. Beschlossen ist bereits, dass kurz nach der Wahl am 22. September ein kleiner Parteitag zusammentritt. Der könnte dann die Weichen in Richtung Schwarz-Rot stellen - auch wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel solche Überlegungen "albern" nennt.

Nun hat Gabriel ein großes Hindernis für eine Koalition mit der Union abgeräumt. "Die Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerdumping ist der bessere Weg zum Schuldenabbau und zu höheren Investitionen in Bildung und Infrastruktur in Deutschland als Steuererhöhungen", sagte er dem "Spiegel".

Der Satz schlug ein. Denn er legt nahe, dass die SPD von ihrem Wahlprogramm abrückt, das bekanntlich Steuererhöhungen für Spitzenverdiener vorsieht. Steinbrück beeilte sich denn auch klarzustellen, dass es zwischen ihm und Gabriel hier keinen Meinungsunterschied gebe: "Ja, wir sagen, der Spitzensteuersatz soll für diejenigen steigen, die als Verheiratete ein zu versteuerndes Einkommen von über 200.000 Euro haben", sagte er in der RTL-Sendung "An einem Tisch mit Peer Steinbrück". Und er fügte hinzu: "Wenn wir nachweislich erfolgreicher sind bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, dann kann man darüber nachdenken, ob man Steuersätze auch wieder senkt. Aber in dieser Reihenfolge bitte."

Auch Gabriel rudert mittlerweile ein bisschen zurück. Die SPD stelle ihr Steuerkonzept zur Wahl, "und davon nehmen wir nicht ein Wort zurück". Um anzufügen: "Wenn Sie feststellen, dass der Kampf gegen Steuerdumping und Steuerhinterziehung erfolgreich ist, dann werden Sie vielleicht einen Teil dieser Steuererhöhungen nicht machen müssen."

Diese Steuererhöhungen wären ein zentrales Hindernis für die Bildung einer Großen Koalition: "Will die CDU nicht unglaubwürdig werden, kann sie sich nicht auf Steuererhöhungen einlassen", sagte IW-Chef Michael Hüther n-tv.de. "Dagegen muss die SPD höhere Leistungen ins Schaufenster stellen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will." Hüthers Fazit: Eine schwarz-rote Koalition zu bilden würde "deutlich schwieriger als 2005".

Den möglichen Kompromiss hat Gabriel mit seinem Satz im "Spiegel" vorweggenommen. Man kann sich schon jetzt vorstellen, was er nach dem Abschluss von Koalitionsverhandlungen sagen würde: Die SPD habe ihre Forderung nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent leider nicht durchsetzen können. Dafür habe man beschlossen, nicht nur Steuerbetrug verstärkt zu bekämpfen, sondern vor allem dafür zu sorgen, dass große Konzerne künftig nicht mehr damit durchkommen, mit legalen Tricks weitaus weniger Steuern zu zahlen als kleine Handwerksbetriebe in Deutschland.

Das ganze Gerede über eine Große Koalition sieht die FDP als Chance: Nur in einer Koalition mit Union und FDP werde es nicht zu Steuererhöhungen kommen, beeilte sich FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle zu versichern. "Alle anderen Konstellationen sorgen für kräftige Steuererhöhungen - auch eine Große Koalition." 2005 war es tatsächlich so, damals vereinbarten Union und SPD eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Die entsprach allerdings den Plänen der Union - die SPD hatte im Wahlkampf angekündigt, die "Merkelsteuer" zu verhindern.

Vor acht Jahren mussten sich die Sozialdemokraten vorhalten lassen, ein zentrales Wahlversprechen gebrochen zu haben. Der damalige FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von der "Mehrwertsteuerlüge", mit der sich die SPD an die Regierung "heranbetrogen" habe. In diesem Jahr würden die Vorwürfe nicht von den Liberalen kommen, sondern von Grünen und Linken - Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin hat die SPD schon jetzt vor "hasenfüßigen Signalen" gewarnt.

Sigmar Gabriel gibt sich große Mühe, seinen Wahlkampf ehrlich wirken zu lassen. "Das Schlimmste, was man in der Politik machen kann, ist, Dinge zu versprechen, die nach der Wahl unter Garantie nicht kommen", sagte er im Juni im Interview mit n-tv.de. Für eines hat er gesorgt: Einen Lügner wird Trittin ihn nicht nennen können.

Quelle: ntv.de

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