Bundespräsident formiert sein Team Gauck holt rot-grüne Gesichter
19.03.2012, 18:46 Uhr
(V.l.n.r.) Schulze, Gill, Sturm: ziehen mit ins Schloss.
(Foto: dpa)
Bundespräsident Gauck verliert keine Zeit. An seinem ersten Arbeitstag im Schloss Bellevue stellt er entscheidende Weichen. Die engsten Berater des ersten Bürgers stehen fest. Gauck ist schon lange mit ihnen verbunden - und sie kommen aus dem rot-grünen Lager.
Der Neue im Berliner Schloss Bellevue fackelt nicht lange: Am Tag nach seiner Wahl hat Bundespräsident Joachim Gauck die Amtsgeschäfte übernommen und erste wichtige Personalentscheidungen getroffen. Er ernannte seinen Vertrauten David Gill zum Staatssekretär im Präsidialamt. Der bisherige Amtsinhaber Lothar Hagebölling wurde in den einstweiligen Ruhestand verabschiedet. Auch Andreas Schulze als Sprecher und Johannes Sturm als persönlicher Referent werden Gauck ins neue Amt begleiten.
Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt wurden zunächst im Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Präsidenten, offiziell begrüßt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der als Präsident des Bundesrates vier Wochen lang kommissarisches Staatsoberhaupt war, sowie Altpräsident Christian Wulff empfingen Gauck an seinem neuen Arbeitsplatz. Wulff war am 17. Februar zurückgetreten, weil die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt.
Auf Fragen von Reportern ging das neue Staatsoberhaupt nur kurz ein. Er empfinde großen Respekt vor dem Amt, sagte er. Auf sein Herz deutend meinte er: "Mir pochert es hier drin." Nach ausführlichen Gesprächen mit Seehofer und Wulff traf er am Nachmittag auch mit den Mitarbeitern des Bundespräsidialamtes zusammen. Dort erhielt Gill die Ernennungsurkunde. Er folgt auf Hagebölling, der mit Gaucks Vorgänger Wulff aus Hannover nach Berlin gekommen war.
Aus dem Umfeld
Gill war bisher Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche in Deutschland und ist SPD-Mitglied. Seit zwei Jahrzehnten ist der Jurist ein enger Weggefährte Gaucks. Von 1991 bis 1992 war er dessen Sprecher in der Stasi-Unterlagenbehörde. Er hat bereits in den vergangenen Wochen Gaucks Termine gemanagt. Als Staatssekretär kann er künftig an allen Kabinettssitzungen der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Der künftige Sprecher Schulze gehört den Grünen an, Sturm ebenfalls der SPD. Die bisherige kommissarische Sprecherin des Amtes, Petra Diroll, wurde von dieser Aufgabe entbunden.

Vorgänger Wulff (l.) und Bayerns Ministerpräsident Seehofer (r.; mit Gattin) empfangen die neuen Schlossherren.
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Sturm betreute Gauck bereits bei dessen erster Präsidentschaftskandidatur - als Pressemann. Zehn Jahre lang war er in der SPD-Parteizentrale mit Presseaufgaben betraut und von dort auch ins Wahlkampfteam Gaucks "ausgeliehen". Sturm diente unter dem früheren SPD-Chef Kurt Beck und unterstützte nach Becks Sturz den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Wahlkampf 2009. Zuletzt arbeitete er in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin. Sturm gilt als sehr verschwiegen.
Schulze, in Ost-Berlin geboren, ist Gründungsmitglied der Ost-Grünen. In der DDR engagierte er sich in Umweltinitiativen. Er flog von der Schule, weil er offen den Wehrdienst ablehnte. Wegen versuchter Republikflucht bekam der 16-Jährige eine Bewährungsstrafe. Eine Lehre bei der Bahn wurde ihm zugewiesen. Danach schlug er sich als Heizer durch. Die Kirche sei ein Schutzraum gewesen, sagt er. Der geschiedene Vater dreier Töchtern ist fest im Grünen-Milieu verankert: Vorstandssprecher bei den Berliner Grünen, Referatsleiter und Sprecher im Verbraucherministerium bei Renate Künast, Sprecher der Stasi-Unterlagen-Behörde unter Marianne Birthler, Wahlkampfmanager. Er gilt als "Erfinder" der Gauck-Kandidatur: 2009, als es um die Wiederwahl Horst Köhlers ging, machte Schulze der Grünen-Spitze bereits einen entsprechenden Vorschlag.
Gauck hatte in der Bundesversammlung 991 von 1228 gültigen Stimmen erhalten. Seine Kandidatur wurde von Union, SPD, Grünen und FDP unterstützt. Das entspricht einer Zustimmung von gut 80 Prozent. Mit der Annahme der Wahl ist Gauck als Staatsoberhaupt offiziell im Amt. Die Vereidigung des elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Auf seiner ersten Auslandsreise will Gauck Polen besuchen.
Im Ausland wurde die Wahl Gaucks mit Aufmerksamkeit registriert. Kreml-Chef Dmitri Medwedew gratulierte und würdigte dabei die engen Beziehungen beider Länder. Russland und Deutschland leisteten mit ihrer "stabilen Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherheit", hob Medwedew in einer am Montag in Moskau veröffentlichten Botschaft hervor.
Von einem bisherigen Engagement nahm Gauck unterdessen Abschied. So gab er den Vorsitz des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie" inzwischen ab. Gauck war seit Ende 2003 Vorsitzender des bundesweit agierenden Vereins, der die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen und das Unrecht der SED-Diktatur wachhalten will. Wer sein Nachfolger wird, sei noch offen, hieß es aus dem Verein.
Linke-Chef Klaus Ernst wünscht sich vom neuen Bundespräsidenten mehr Respekt vor der gesamten Lebensleistung der Ostdeutschen. Deren Biografien dürften nicht einseitig auf Diktatur und Unfreiheit reduziert werden. "Das wird weder dem Lebensgefühl der Menschen gerecht noch ihrer Lebensleistung", sagte der in Westdeutschland aufgewachsene Ernst. Es sei ein großer Akt gewesen, dass die Ostdeutschen die Mauern niedergerissen hätten. "Aber das war nicht die einzige Leistung der Menschen, die in diesem Land gelebt und gearbeitet haben."
Quelle: ntv.de, jmü/dpa/AFP/rts