Angst, Scharia und Geistesblüten Geert Wilders rät den Deutschen
04.09.2011, 10:05 Uhr
Wilders zeigt sich im Maritim-Hotel wie eh und je.
(Foto: REUTERS)
Es ist die Stunde der Islamgegner. Der niederländische Rechtspopulist Wilders ist in Berlin und erklärt, was es auf sich hat mit Burkas, Unterdrückung und dem Licht der Wahrheit. Schließlich herrscht Wahlkampf in der Hauptstadt.
Der große Tag beginnt konspirativ, mit einer SMS am frühen Morgen: , so heißt es dort, spreche an diesem Tag im Maritim-Hotel in Berlin. Wilders, die niederländische Ikone der , soll den und Europa erklären – schließlich herrscht Wahlkampf in Berlin und die dümpelnde Partei "Die Freiheit" braucht, wie schon bei ihrer Gründung vor einem Jahr, dringend Schützenhilfe vom großen Bruder aus den Niederlanden.

Demonstranten protestieren gegen Wilders.
Diese allerdings gestaltet sich nicht so leicht. Erst läuft der Ticketverkauf für die Wilders-Veranstaltung schleppend. Selbst die glühendsten Anhänger wollen kaum 100 Euro zahlen, zum Schluss werden die Eintrittskarten für 5 Euro verscherbelt und doch bleiben noch Stühle leer. Und auch mit der Geheimhaltung klappt es nicht ganz. Gegen Mittag drängen sich vor den Absperrungen der Polizei am Hotel nahe der ägyptischen Botschaft Dutzende Gegendemonstranten. Revolutionsfahnen schwenkend, skandieren sie: "Willkommen in Berlin, der Hauptstadt der Angst".
Um Angst geht es auch immer wieder an diesem lauen Sommernachmittag. René Stadtkewitz, einst CDU-Abgeordneter in Berlin und nun Chef der "Freiheit", kennt sich schließlich aus mit ihr. Leitet er doch seit langem eine Firma für Alarmanlagen und Sicherheitstechnik und setzt nun auf die etwas diffusere Angst vor , Europa und "Volksverrat". In dem verspiegelten Saal des Maritim-Hotels warnt der grau in grau gekleidete Mann die rund 700 Anhänger vor "arabisch-türkischen Großfamilien, die in diesem Land ihr Unwesen treiben" und im Mercedes "rotzfrech zum Jobcenter fahren".

Ein wenig blass neben Wilders: Stadtkewitz kann sich nicht viel Hoffnung machen. Umfragen sehen seine Partei unter einem Prozent.
(Foto: REUTERS)
Seine Thesen kommen, wenn schon nicht in Berlin, so doch zumindest in diesem Saal, gut an: "Der Islam und die westliche Welt sind nicht kompatibel", ruft er unter Applaus. Was dies konkret heißt, erläutert er gleich darauf mit belegter Stimme. "Islam bedeutet Intoleranz und Unfreiheit, Unterdrückung und Scharia." Noch immer würden kleine Kinder mit Kopftüchern in die Schule geschickt.
Wilders spendet Trost
Dass es auch anders geht, soll Wilders zeigen. Dessen "Partei für die Freiheit" ist immerhin drittstärkste Kraft im niederländischen Parlament und hat die rechtsliberale Koalitionsregierung gebilligt. Im perfekt sitzenden Anzug, mit wallenden Haaren und fast einen Kopf größer als Stadtkewitz schreitet er ans Rednerpult. Die aus ganz Deutschland angereisten Zuhörer applaudieren frenetisch, als Wilders sagt, was er immer sagt: "Wir können die Islamisierung unserer Gesellschaft stoppen." Zwar habe sich in Deutschland die Situation verschlechtert und der Islam bereite sich immer weiter aus. Doch gebe es Hoffnung: "Das niederländische Beispiel zeigt, dass David Goliath besiegen kann."
Wilders muss aber auch eines klarstellen, was zurzeit doch am Image der islamfeindlichen Parteien Europas kratzt: Mit dem "geistesgestörten narzistischen Psychopathen", der in Norwegen im Juli 77 Menschen umgebracht hatte und dessen Ideen vom gefährlichen Islam an diesem Nachmittag durch den Raum wabern, will er nichts zu tun haben. "Der behauptet fälschlicherweise, er sei einer von uns. Aber er ist keiner von uns." Und dann reißen die Metaphern Wilders fort: "Wir erheben kein Schwert, wir entzünden ein Licht. Das Licht der Wahrheit, und die Wahrheit wird uns frei machen."
Wie diese Wahrheit aussieht, erklärt er gleich darauf. So sollten die Deutschen aufhören, sich zu schämen und wieder stolz sein. "Wir brauchen dringend eine neue Blüte des deutschen Geistes". Dann spricht er mit seinem leichten holländischen Akzent noch von Wohltätigkeit und Ruin, von Weltkrieg, Totalitarismus und Euro-Krisenländern. Und sagt, dass es dringend nötig sei, zu handeln. "Die Zeit für Deutschland und die Niederlande, für alle großen Nationen Europas läuft ab." Schwert hin oder her, Wilders weiß doch auch: "Wir werden unsere Freiheit bis zum Ende verteidigen."
Das gallische Dorf liegt in der Schweiz
So elend Berlin darniederliegt, so hoffnungsfroh die Niederlande: leuchtendes Vorbild und Lichtblick bleibt den hier versammelten Islamgegnern doch die Schweiz, das "gallische Dorf" in einem unterjochten Europa, wie es heißt. Denn hier herrschen noch direkte Demokratie und offenbar viel gute Laune. Zumindest legt sie der Minarettgegner Oskar Freysinger an den Tag, der an diesem Nachmittag im Maritim als letzter Redner seinen Auftritt sichtbar genießt. Als er gehört habe, dass die Konferenz in der Stauffenbergstraße stattfinde, habe er gedacht, da müsse er hin, da herrsche wohl eine "Bombenstimmung". Dann deklamiert der Politiker, wie so oft bei seinen Vorträgen, ein selbst verfasstes Gedicht: diesmal über einen "geilen Eurostier", Erektionen und einen Anschlussplan, und - damit es sich reimt - den Rinderwahn.

Das Trio der Islamgegner gibt sich gut gelaunt: Freysinger, Wilders und Stadtkewitz (von links nach rechts).
(Foto: dpa)
Mit lauter Stimme geißelt der Deutschlehrer, der auch Mitglied im serbischen Schriftstellerverband ist, das "bürokratische und zentralistische Ungeheuer" Europa, und den Bart des Propheten Mohammed. "Der Islam hat keine Eile, denn er hat ja die Ewigkeit vor sich" brüllt er dem Publikum entgegen. "Falls wir diesen Kampf verlieren, gibt es keine zweite Chance mehr."
Der "Barbarei" des Islam stellt er Europa entgegen, dessen Sockel "die transzendente, vorbehaltlose Nächstenliebe" sei. Dann beendet er sanft seine Rede und entlässt die Zuhörer in die raue Wirklichkeit und einen tiefen Nebel der Nachdenklichkeit: "Finden wir zurück zu Tiefe und organischem Wachstum, denn in jedem von uns steckt Gott sei Dank noch ein Sokrates."
Quelle: ntv.de