"Keine verfolgbare Straftat erkennbar" Gegen Wulff wird nicht ermittelt
22.12.2011, 12:01 Uhr
Wulff lässt sich bei seiner Sommerreise 2007 in einem Heu-Hotel im Wangerland filmen.
(Foto: dpa)
Nach den Strafanzeigen gegen Bundespräsident Wulff im Zusammenhang mit seinem Privatkredit und Urlaubsaufenthalten wird es keine Ermittlungen geben. "Anhaltspunkte für das Erkaufen eines dienstlichen Wohlwollens" seien nicht erkennbar, teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit. Gegen Wulff lagen neun Anzeigen vor.
Die Staatsanwaltschaft Hannover wird nicht gegen Bundespräsident Christian Wulff ermitteln. Die Beziehungen zu den befreundeten Unternehmern und die von ihnen gewährten Vergünstigungen ließen "das Geschehen insgesamt als plausibel und strafprozessual unverdächtig erscheinen", teilte die Staatsanwaltschaft Hannover mit. Die Behörde dürfe grundsätzlich immer nur dann Ermittlungen einleiten, wenn es Anhaltspunkte für eine Straftat gebe.
Bei der Strafverfolgungsbehörde waren in den vergangenen Tagen insgesamt neun Anzeigen im Zusammenhang mit Wulffs privatem Hauskredit aus seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen und mit Urlaubsreisen eingegangen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat, die über bloße Vermutungen hinausgingen, seien weder den Strafanzeigen noch der Presseberichterstattung zu entnehmen, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Opposition lässt nicht locker
Die Opposition will den Bundespräsidenten dennoch nicht ohne eine persönliche Stellungnahme zu den Vorwürfen in die Weihnachtsfeiertage entlassen. SPD-Chef Sigmar Gabriel wünscht sich einige persönliche Worte Wulffs zu dessen Privatkredit und engen Kontakten zu befreundeten Unternehmern. "Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident alle offenen Fragen persönlich beantwortet", sagte Gabriel der "Passauer Neuen Presse". "Dass nicht er, sondern seine Anwälte kommunizieren, halte ich für unglücklich", erklärte Gabriel. Allerdings sei es allein Sache des Bundespräsidenten, wie er mit den Vorwürfen umgeht. "Niemand kann ihm da einen Ratschlag geben, schon gar nicht die Opposition.
Ich fürchte allerdings, dass die Affäre dazu beiträgt, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in Politik haben. Der Titel seines Buches wäre auch jetzt die richtige Leitlinie: 'Besser die Wahrheit'. Dennoch kann sich niemand wünschen, dass innerhalb von zwei Jahren der zweite Bundespräsident zurücktritt", sagte Gabriel weiter. "Damit würde das Vertrauen in die demokratischen Institutionen schwer beschädigt. Umso wichtiger ist jetzt Aufklärung."
Auch die Grünen warfen Wulff vor, die Öffentlichkeit auf Distanz zu halten, und forderten ebenfalls persönliche und umfassende Antworten des Bundespräsidenten. Es sei ein merkwürdiger Vorgang, wenn ein Bundespräsident die Fragen, die es in der Bevölkerung zu Recht gebe, nur noch von seinen Anwälten beantworten lasse, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, der Zeitung "Die Welt". "Mehr Distanz zwischen Staatsoberhaupt und Öffentlichkeit gab es lange nicht." "Wenn Christian Wulff nicht als Salami-Präsident in die Geschichte eingehen will, muss er endlich Antworten geben. Persönlich und umfassend", forderte sie.
Noch vor Weihnachten reinen Tisch machen
Die Antikorruptions-Organisation Transparency International forderte Wulff auf, noch vor seiner Weihnachtsansprache mit einer öffentlichen Erklärung reinen Tisch zu machen. Eine Weihnachtsansprache Wulffs zum Zusammenhalt in der Gesellschaft sei "peinlich hoch drei", solange die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Raum stünden, sagte die Vorsitzende der Organisation, Edda Müller, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Eine Erklärung biete für Wulff die Chance, neues Vertrauen und Respekt bei den Bürgern zu gewinnen. Bisher verschanze er sich hinter Anwaltsbüros und juristischen Spitzfindigkeiten, kritisierte Müller.
Wulff steht in der Kritik, weil er 2008 noch als niedersächsischer Ministerpräsident von der Frau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens einen 500.000-Euro-Kredit für den Kauf eines Privathauses aufnahm, diesen 2010 auf eine Anfrage im Landtag aber unerwähnt ließ.
Auch die große Nähe Wulffs zu Unternehmergrößen ist umstritten. So verbrachte er als Regierungschef zwischen 2003 und 2010 sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf Norderney – als deren Gast. Der mit ihm befreundete Geschäftsmann Carsten Maschmeyer hatte im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007/2008 eine Anzeigenkampagne für das Wulff-Buch "Besser die Wahrheit" finanziert. Von diesen Zahlungen wusste Wulff nach Angaben seines Anwalts, Maschmeyers und des Verlages jedoch nichts.
Quelle: ntv.de, dpa