Ein guter Freund der Politik Der Fall Maschmeyer
20.12.2011, 19:51 Uhr
Carsten Maschmeyer: Die Frau an seiner Seite heißt Veronica Ferres.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bundespräsident Wulff hat nicht nur einen Urlaub in der Ferienvilla des AWD-Gründers Maschmeyer verbracht - Maschmeyer hat auch die Werbung für ein Wulff-Buch bezahlt, das im Landtagswahlkampf 2007 erschien. Verboten ist das, soweit bislang bekannt, nicht. Es ist nur ein kleiner Dienst in einer nützlichen Freundschaft.
Die Geschichte des Finanzdienstleisters Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD) könnte als leuchtender Erfolg dastehen, wären da nicht die klagenden Stimmen unglücklicher Anleger und anhaltende Kritik an AWD-Gründer Carsten Maschmeyer.

Man kennt sich aus Hannover: Bettina und Christian Wulff, Carsten Maschmeyer (v.l., Archivbild).
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Debatte um wirft nun ein weiteres Schlaglicht auf den umtriebigen Unternehmer, der als AWD-Gründer zu großem Reichtum gelangte, in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Veronica Ferres zusammenlebt und sich gerne auf Wohlfahrtsveranstaltungen blicken lässt.
"Unabhängige, kundenorientierte Finanzberatung": Die Idee, mit der sich AWD-Gründer Carsten Maschmeyer 1988 selbstständig machte, hat die deutsche Finanzbranche für immer verändert - und nebenbei den langjährigen AWD-Chef Maschmeyer zu einer sehr reichen und mittlerweile auch sehr prominenten Person gemacht. Vor Maschmeyer war der Finanzvertrieb, also der Verkauf von Produkten aus den Bereichen Altersvorsorge, Versicherungen, Kapitalanlage, fest in den Händen der Anbieter und einiger verstreut um Kunden buhlender Berater. Maschmeyer setzte mit AWD das Konzept des Strukturvertriebs im großen Stil um. Und das schien sich zu lohnen. Schon wenige Jahre später wurde kräftig expandiert. Heute ist AWD in Deutschland und sieben weiteren Ländern aktiv.
Millionen mit der Altersvorsorge
Der deutsche Markt erwies sich bald als besonders lukrativ: Dank der Umstellung von der staatlichen Absicherung zur privaten Altersvorsorge musste plötzlich eine Menge Geld geeignete Produkte finden. Millionen von Bundesbürgern sahen sich mit Stichworten wie Rürup-Modell oder Riester-Rente konfrontiert. Die Angst vor der "Versorgungslücke" kam auf. Der Beratungsbedarf war und ist noch immer hoch. In diesem Umfeld schmiedete Vertriebstalent Maschmeyer aus AWD einen nach Firmenangaben "führenden Finanzdienstleister in Europa". Im Jahr 2000 brachte der einstige Medizin-Student das Unternehmen an die Börse. Sieben Jahre nach dem Börsengang übernahm der Schweizer Versicherer Swiss Life die Mehrheit an AWD. Seitdem darf sich AWD nicht mehr unabhängig nennen.

Hübsches Anwesen: Hier verbringt man auch als Bundespräsident gerne seinen Urlaub.
(Foto: picture alliance / dpa)
Generell gilt: Finanzberater vertreten den Anspruch, Kunden zu den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Wahlmöglichkeiten zu beraten. Ein Problem: Nicht immer ist jedem Kunden auch klar, dass solche Beratungen selten nur den Interessen des Anlegers dienen. Mit einer Provision kann einer freier Berater zum Beispiel oft nur im Fall eines Vertragsabschlusses rechnen. Nicht unüblich ist, dass diese Zahlungen einen wesentlichen Bestandteil seines Gehalts darstellen. Das ist die Logik des Vertriebs: Wer nichts verkauft, verdient auch nicht.
Der Umgang mit Provisionszahlungen aus früheren AWD-Zeiten könnte der AWD-Mutter Swiss Life noch Schwierigkeiten einbringen. Die Anfang 2008 im Komplettpaket eingekaufte Vertriebsorganisation kommt nicht richtig in Schwung. Die Wiener Staatsanwaltschaft kündigte Ende November an, die Vertriebsstrategien von AWD Österreich unter die Lupe nehmen zu wollen. Der Mutterkonzern musste bereits Rücklagen bilden für anstehende Rechtsstreitigkeiten. Maschmeyer selbst zog sich Anfang Dezember aus dem Verwaltungsrat des Schweizer Versicherers zurück. Eigenen Angaben zufolge wollte er damit "den unberechtigten Angriffen auf meine Person und auf AWD den Boden entziehen". Beobachter sehen darin eher den Versuch eines Schlussstrichs - und eine Reaktion auf anhaltende Kritik.
Enge Verflechtungen in Hannover
In scharfem Licht stellte zum Beispiel der Norddeutsche Rundfunk die Geschäftspraktiken bei AWD dar. Berater sollen demnach vor und nach dem AWD-Börsengang im Jahr 2000 bei vielen vermittelten Fonds hohe Provisionen erhalten haben, ohne dies ihren Kunden mitzuteilen. Der Finanzdienstleister bestreitet das. "Bei der ausgeübten Provisionspraxis steht und stand AWD im Einklang mit der geltenden BGH-Rechtsprechung", hieß es in einer Mitteilung dazu. Im Januar 2011 beschwor der TV-Beitrag "Der Drückerkönig und die Politik" des früheren NDR-Chefreporters Christoph Lütgert einen juristischen Clinch zwischen dem Sender und Maschmeyer herauf. Der Medienanwalt Matthias Prinz monierte, Maschmeyer sei nicht die Chance gegeben worden, sich angemessen zu äußern. Das wiederum bestreitet der NDR.
Der damalige Minister- und heutige Bundespräsident Wulff ließ in dem Beitrag große Sympathie für den 52-Jährigen mit einem Faible für teure Autos, teure Uhren und teure Kleidung durchblicken: "Carsten Maschmeyer ist jemand, der sich für andere Menschen in besonderer Weise interessiert", schwärmte Wulff. Und: "Ja, aus den Beziehungen ist eine Freundschaft geworden." Maschmeyers enger Draht zu Spitzenpolitikern ist offensichtlich. Offiziell geht es dabei stets nur um freundschaftliche Beziehungen. Ob Maschmeyer gezielt Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben wollte, ist - vorsichtig gesprochen - umstritten. Hinweise auf beschäftigten bereits den niedersächsischen Landtag und den Deutschen Bundestag.
Auf der , die seine Anwälte im Zusammenhang mit der Privatkredit-Affäre veröffentlichten, findet sich auch ein Urlaub im Sommer 2010 in der Ferienanlage des Multimillionärs Maschmeyer auf Mallorca. Dieser Aufenthalt, den der frisch gewählte Bundespräsident Wulff auch bezahlt hat, ist bereits bekannt. Unbekannt war hingegen bis jetzt, das finanzielle Engagement Maschmeyers für die Vermarktung des Wulff-Buchs " ".
Zieht da jemand Fäden?
Der einstige AWD-Chef räumt unumwunden ein, fast 43.000 Euro aus seinem Privatvermögen für Werbung zugunsten von Wulffs Interview-Band ausgegeben zu haben. Dies soll er nicht steuerlich geltend gemacht und Wulff nicht darüber informiert haben. Sein Sprecher Christoph Walther bestätigte entsprechende Recherchen der "Bild"-Zeitung. Bedeckter gibt sich der PR-Berater hinsichtlich der pikanten Tatsache, dass das Buch-Sponsoring ausgerechnet in die Zeit um den niedersächsischen Landtagswahlkampf im Herbst 2007 fiel. "Herr Maschmeyer sieht es nicht als seine Aufgabe, dazu weitere kommentierende Stellungnahmen abzugeben", betont Walther. Und auch zum umstrittenen Kredit für den Hauskauf und zu den Urlauben Wulffs fällt Walthers Antwort knapp aus: "Er möchte sich aus dem Thema heraushalten."

"Hannover Connection"? Scorpions-Sänger Klaus Meine und Carsten Maschmeyer.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Parteizugehörigkeit war für Maschmeyer nie entscheidend. Schließlich ist er nicht nur mit CDU-Mann Wulff, sondern auch mit SPD-Altkanzler Gerhard Schröder eng vertraut. Und Skrupel, sich in einen Wahlkampf einzumischen, hatte der Unternehmer auch schon früher nicht. Als es bei der Landtagswahl Anfang 1998 in Niedersachsen auch darum ging, ob Schröder oder der damalige Saar-Ministerpräsident Oskar Lafontaine nächster SPD-Kanzlerkandidat wird, ließ er am Samstag vor der Wahl anonym in großen Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige schalten. Zentrale Botschaft: "Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein." Schröder triumphierte seinerzeit über seinen Herausforderer Wulff, dessen Partei sich echauffierte und verdeckte Wahlkampffinanzierung witterte.
Schröder, Riester, Rürup, Wulff?
Kein Geheimnis ist auch die Nähe zu Rentenexperten wie dem früheren Arbeitsminister Walter Riester. Der SPD-Politiker war maßgeblich an der Einführung der nach ihm benannten Riester-Rente als staatlich geförderte Altersvorsorge beteiligt. Kritiker stufen die Verbindungen zwischen Riester und AWD als bedenklich ein. Eine unzulässige Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen sehen Kritiker auch in der Zusammenarbeit Maschmeyers mit Bert Rürup. Maschmeyer betreibt zusammen mit dem früheren Wirtschaftsweisen der Bundesregierung ein eigenes Beratungsunternehmen. Unter dem Motto "Independent International Consultancy" entwickelt die MaschmeyerRürup AG mit Hauptsitz in Hannover und einer Niederlassung in Frankfurt am Main unter anderem "Marketingkonzepte" und Ideen für "Produkte mit Schwerpunkten in den Bereichen der privaten und betrieblichen Altersvorsorge sowie der Krankenversicherung".

Gruppenbild zur Feier von "20 Jahre AWD" im Garten bei Maschmeyers in Hannover: Mit von der Partie sind unter anderem Altkanzler Schröder, Beraterpartner Rürup und - als Ehrengast - Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In einer Grauzone zwischen Wirtschaft und Politik entstehen so Finanzprodukte, die später über AWD in den Vertrieb gehen könnten. Berührungsängste scheint es im Umfeld der sogenannten "Hannover Connection" nicht zu geben - und das nicht nur auf Seiten Maschmeyers. Zur Eröffnung des Frankfurter Büros in der Bockenheimer Landstraße hielt der FDP-Politiker und frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher die Festrede. Walter Riester "outete" sich als Mitarbeiter der AG. Ex-Bankenpräsident-Chef übernahm den Vorsitz im "Aufsichtsrat". So lassen sich "die Entscheidungsträger von Finanzinstitutionen des nationalen und internationalen Banken- und Versicherungssektors" (Zitat MaschmeyerRürup AG) beraten - diskret und im kleinen Kreis freundschaftlich miteinander vertrauter Teilnehmer.
Unverhohlen offensiv wirbt Maschmeyer mit seinen Kontakten um neue Kunden: "Ich bin mit den beiden Gründern persönlich befreundet", signalisiert zum Beispiel Altkanzler Schröder in einem prominent platzierten Zitat auf der Internetseite der MaschmeyerRürup AG. Eher nebensächlich erscheint da, dass Schröders früherer Regierungssprecher Béla Anda bei AWD als Sprecher untergekommen ist, und sich Maschmeyer und Merkels Arbeitsministerin Ursula von der Leyen angeblich noch aus Hannoveraner Studientagen kennen.
Ist Carsten Maschmeyer nun nur ein besonders schillernder Polit-Mäzen? Oder doch ein knallharter Lobbyist, um dessen Gunst frühere niedersächsische Ministerpräsidenten wie Schröder und Wulff gleichermaßen buhlten? Im besten Fall dürften die Geschichten rund um finanzielle Gefälligkeiten zwischen dem heutigen Bundespräsidenten und eines alten Freundes aus Hannover die Debatte über Geld, Macht und Einfluss in der deutschen Politik neu beleben - und die Verquickung privater und politscher Interessen beleuchten.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa