Politik

Xi Jinping bei Putin Geld trifft Gas

Xi Jinping und Wladimir Putin im Kreml.

Xi Jinping und Wladimir Putin im Kreml.

(Foto: dpa)

Während die EU damit beschäftigt ist, einen winzigen Pleitestaat im Mittelmeer zu retten, machen China und Russland Weltpolitik: Chinas neuer starker Mann Xi Jinping ist zu Besuch bei Wladimir Putin. Aktuell sind die Beziehungen der beiden Länder so gut wie nie. Das wird allerdings kaum so bleiben.

Der Hinweis auf die vergleichsweise geringe Größe Deutschlands gehört zu den Lieblingsthemen der Bundeskanzlerin. "Es gibt über 1,3 Milliarden Chinesen, es gibt 1,2 Milliarden Inder", sagt Angela Merkel dann. "Sie alle ringen mit uns 80 Millionen Deutschen und mit den 500 Millionen Europäern immer darum, wer Einfluss in der Welt hat und wer in welchem Wohlstand leben kann." Merkel sieht die Konkurrenz zu den aufstrebenden Schwellenländern als zentrale Herausforderung: "Das ist die Herkulesaufgabe unserer Zeit und unserer Generation."

Charmeoffensive: Xi Jinping brachte seine Frau Peng Liyuan mit, die in China eine bekannte Sängerin ist.

Charmeoffensive: Xi Jinping brachte seine Frau Peng Liyuan mit, die in China eine bekannte Sängerin ist.

(Foto: AP)

Doch während nicht nur China und Indien, sondern auch Russland und Länder wie Brasilien die Welt unter sich aufteilen, müssen Merkel und ihre europäischen Kollegen Zypern retten. Nichts illustriert die Differenz besser: In Moskau empfängt Präsident Wladimir Putin den neuen chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping und nennt die beiderseitigen Beziehungen "tonangebend" für die Weltpolitik. In der EU grübeln Merkel und ihre Kollegen derweil, ob und wie ein Staat zu retten ist, der weniger Einwohner hat als das Saarland.

Abhängigkeit ist gegenseitig

Xis dreitägige Moskau-Visite ist sein erster Auslandsbesuch nach seinem Amtsantritt vor einer Woche. In der Symbolsprache der internationalen Diplomatie will er damit nicht nur sagen, dass ihm die russisch-chinesischen Beziehungen am Herzen liegen. Sondern auch der Welt demonstrieren, dass die beiden Riesenreiche sich gut verstehen.

Wie so oft geht es vor allem um Kohlenwasserstoffe. Die Abhängigkeit ist gegenseitig: China braucht mehr russisches Öl und Gas, und Russland will die Lieferungen an seinen größten Handelspartner ausweiten. Die russischen Energieexporte Richtung Westen sind infolge der Finanzkrise rückläufig. Mit einer Ausweitung der Lieferungen an China würde Russland die Abhängigkeit von seinen europäischen Gaskunden verringern - und hätte außerdem die Möglichkeit, höhere Preise von den Europäern zu fordern.

Neue Leitungen nur Richtung Osten

Dem Moskauer Nachrichtenmagazin "Kommersant Wlast" zufolge hat Putin bereits angeordnet, dass neue Leitungen nur noch in Richtung Asien und zum Pazifik gebaut werden. Nach Angaben von Gazprom-Aufsichtsratschef Wiktor Subkow erwägen Russland und China ein Projekt, bei dem Peking den Bau einer Gaspipeline in den Osten Russlands finanzieren würde. Die beiden Länder denken zudem darüber nach, eine Raffinerie in der chinesischen Hafenstadt Tianjin zu bauen. Derzeit kommen rund 8 Prozent der chinesischen Ölimporte über die Ostsibirien-Pazifik-Pipeline aus Russland. Zusätzlich liefert Russland Öl über den am Japanischen Meer gelegenen Ölhafen Kozmino.

Rosneft-Chef Igor Setschin nahm auch an dem Treffen von Putin und Xi teil.

Rosneft-Chef Igor Setschin nahm auch an dem Treffen von Putin und Xi teil.

(Foto: REUTERS)

Verhandelt wird über die Ausweitung der Öl- und Gaslieferungen schon seit Jahren, in diesem Jahr sollen die Verträge unterschrieben werden.  Der nun in Moskau erzielte Energiecoup sieht Lieferungen von bis 31 Millionen Tonnen Öl pro Jahr vor. Das teilte Rosneft-Chef Igor Setschin der wartenden Presse mit. Dabei blieb unklar, ob diese Zahl die bislang jährlich gelieferten 15 Millionen Tonnen beinhaltet oder hinzukommt.

Vor Xis Ankunft in Moskau hatten Beobachter Erwartungen gedämpft, dass Putin und Xi bereits jetzt einen Durchbruch bekanntgeben. In Anwesenheit von Xi und Putin unterzeichneten Vertreter von Gazprom und des chinesischen Staatskonzerns CNPC dann das Memorandum, das einen Vertrag über eine Laufzeit von 30 Jahren vorsieht.

Insgesamt sollen während Xis Moskau-Besuch 20 bis 30 Verträge unterzeichnet werden - die meisten davon aus dem Bereich Energie. Stimmen die genannten Zahlen, wäre China größter Abnehmer russischen Öls. Im Gegenzug könnte China dem Staatskonzern Rosneft einen Kredit in Höhe von 30 Milliarden Dollar gewähren. Nach dem Kauf des russischen BP-Ablegers TNK-BP braucht Rosneft frisches Geld. Die russische Tageszeitung "Wedomosti" spricht bereits von "Rosnefts chinesischer Geldbörse".

"Kann es kaum erwarten, Putin zu treffen"

Ansonsten zielt der Besuch hauptsächlich darauf ab, die geostrategische Zweckfreundschaft mit warmen Worten auszukleiden. Noch in Peking gab Xi dem russischen Staatsfernsehen, der staatlichen Nachrichtenagentur Itar-Tass sowie der "Rossijskaja Gaseta", dem Amtsblatt der russischen Regierung, Interviews. Darin bezeichnete Xi die chinesisch-russischen Beziehungen als "Priorität" seines Landes. Im vergangenen Jahr sei der wechselseitige Handel um 11,2 Prozent auf ein neues Rekordhoch von 88,2 Milliarden Dollar gestiegen. Bis 2015 strebe man 100 Milliarden an.

Doch Xi beließ es nicht bei den Zahlen. Der "Rossijskaja Gaseta" erzählt er, dass russische Schriftsteller wie Puschkin, Tolstoi und Michail Lermontow ihn in seiner Jugend "stark beeinflusst" hätten. Und er betonte, dass er es kaum erwarten könne, Putin zu treffen.

"Beziehungen werden auf neue Ebene gehoben"

Nicht nur die Liebe zu Öl, Gas und Literatur, auch die Ablehnung einer amerikanischen Hegemonie eint China und Russland. In internationalen Krisenfällen wie dem syrischen Bürgerkrieg oder dem Streit um die Nuklearprogramme in Nordkorea und dem Iran ziehen Russland und China ohnehin schon an einem Strang. Putin sagte im Vorfeld des Besuchs, die russisch-chinesischen Beziehungen seien so gut wie noch nie in der Geschichte der beiden Länder. Itar-Tass schreibt, "Experten" gingen davon aus, dass Xis Besuch in Russland "die Beziehungen der beiden Länder wirklich auf eine neue Ebene heben" könne.

Vorläufig gibt es für Europa dennoch keinen Grund zur Sorge: Zwischen Russland und China gibt es noch immer ausreichend Konfliktstoff, der einer allzu engen Kooperation im Wege steht. So hat China den von Russland genannten Gaspreis als zu hoch zurückgewiesen. Auch betrachtet Russland mit Argwohn, wie China versucht, Einfluss auf ehemalige Sowjetrepubliken in Zentralasien zu gewinnen, die Moskau noch immer als eigenen Hinterhof ansieht.

Ein "power gap" tut sich auf

Fyodor Lukyanov, der Herausgeber der Zeitschrift "Russia in Global Affairs", spricht von einem "power gap", einem Machtgefälle, das sich zwischen China und Russland auftun könnte. Denn während China sich sehr dynamisch entwickelt, stagniert Russland eher.

Schon Xis Besuch in Moskau zeigt, dass Chinas Perspektive deutlich breiter ist als der große Nachbar im Norden dies gern hätte. Am Donnerstag gab Xi nicht nur russischen Staatsmedien Interviews, er sprach auch mit Journalisten aus den anderen BRICS-Staaten, also aus Brasilien, Indien und Südafrika. Im Anschluss an seinen Besuch in Russland geht es für Xi weiter nach Tansania und Südafrika, wo vom 26. zum 29. März ein BRICS-Gipfel stattfindet. Zum Abschluss besucht Xi den Kongo - ein deutlicher Hinweis darauf, dass China auch in Afrika seine Interessen verfolgt.

Noch ist Merkels Befürchtung einer zu starken chinesischen Konkurrenz nicht Wirklichkeit geworden. Noch begegnen sich Putin und Xi auf Augenhöhe. Noch hat China keine außenpolitische Agenda, die über das Einsammeln von Rohstoffen hinausginge. Doch wird das kaum so bleiben. Langfristig wäre es sinnvoll, wenn auch Europa eine Geostrategie entwickelt, die über das Herumdoktern an winzigen Pleitestaaten hinausgeht.

Quelle: ntv.de

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