Prozess gegen den "Pharao" Gericht verkündet Mubarak-Urteil
01.06.2012, 22:32 Uhr
Die Ägypter sind nicht zimperlich, wenn es um den ehemaligen Machthaber geht: Für viele wäre alles unterhalb der Todesstrafe zu wenig.
(Foto: dpa)
Nach zehn Monaten Beweisaufnahme und Verhandlung soll heute das Urteil gegen den früheren ägyptischen Präsidenten Mubarak ergehen. Das Urteil der Straße ist klar: Am Galgen wollen sie ihn sehen. Für die Juristen ist die Sache kniffliger. Zudem wird erwartet, dass der 84-Jährige in Berufung gehen wird.
Ganz Ägypten wartet angespannt auf das Urteil im Prozess gegen den früheren Präsidenten Husni Mubarak. Der Staatsanwalt hat für den ehemaligen Staatschef die Todesstrafe gefordert. Er hält es für erwiesen, dass Mubarak die tödlichen Schüsse auf Demonstranten bei den Protesten auf dem Tahrir-Platz zu verantworten hat. Andere Juristen erwarten dagegen, dass der Richter gegen den 84 Jahre alten Mubarak nur eine mehrjährige Haftstrafe wegen Korruption verhängen wird. Das würde dann auf eine Haftstrafe von 3 bis 15 Jahren hinauslaufen.
- Muhammad Husni Mubarak wurde am 4. Mai1928 in eine kleinbürgerliche Familie im Nildelta geboren.
- Karriere machte er inder ägyptischen Luftwaffe, der Jom-Kippur-Krieg 1973 gegen Israel machte den Offizierzum Kriegshelden und brachte ihn ins Amt des Vizepräsidenten. Als bei einer Militärparadeim Oktober 1981 Extremisten Präsident Anwar al-Sadat wegen des Friedensvertragserschossen, den er 1979 mit Israel geschlossen hatte, rückte Mubarak an die Staatsspitze.
- Der Westen hielt Mubarakzugute, dass er nach Sadats Ermordung trotz des Drucks der arabischen Nachbarn dieAussöhnung mit Israel fortsetzte. Außerdem suchte er die Anlehnung an die USA, biszuletzt blieb er deren treuer Verbündeter und konnte auf großzügige Militärhilfezählen.
- Bei den Islamisten, die seit den Parlamentswahlen die Mehrheit in der Volksvertretungstellen, war Mubarak wegen seiner Nähe zu Israel und den USA verhasst.Er überlebte mehrere Attentatsversuche.
- UnterMubarak wucherten Bürokratie und Korruption im Staatsapparat, die Schere zwischenArm und Reich ging seit Jahren immer weiter auseinander, willkürliche Polizeigewaltwaren unter dem verhängten Dauer-Notstand üblich. AFP
Während die Juristen ihr Urteil abwägen müssen, haben es die meisten Menschen auf der Straße längst gefällt. Sie wollen, dass der "Pharao" sein Leben am Galgen beendet, weil er Ägypten heruntergewirtschaftet und die Menschenrechte mit Füßen getreten hat. Einige der Angehörigen der mehr als 800 Toten vom Tahrir-Platz haben sogar mit Selbstjustiz gedroht für den Fall, dass Mubarak nicht zum Tode verurteilt werden sollte. Sollte er freigesprochen werden oder mit einer milden Strafe davonkommen, wären neue Massenproteste zu erwarten. Einige Aktivisten drohen sogar mit einer "zweiten Revolution".
Eine kleine, aber einflussreiche Minderheit in Ägypten, zu der auch etliche Generäle zählen, würde ein Todesurteil am liebsten verhindern ohne gleichzeitig die Unabhängigkeit der Justiz infrage zu stellen. Die Saudis sollen außerdem gedroht haben, den Geldhahn zuzudrehen und den ägyptischen Gastarbeitern das Leben schwer zu machen, falls ihrem alten Freund Mubarak ein Haar gekrümmt wird. Das bestreiten sie zwar vehement, doch glaubt ihnen in Ägypten kaum jemand.
Urteil wird live im TV übertragen
Das Militär hatte Mubarak nach dem Massenprotesten im Februar 2011 zum Rücktritt gezwungen. Der Prozess begann im vergangenen August. Mit Mubarak stehen sowie frühere Vertraute vor Gericht, darunter Ex-Innenminister Habib al-Adli. Wegen seines wurde Mubarak bislang entweder auf einem Krankenbett oder im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebracht. Gegen das Urteil kann Mubarak Berufung einlegen.
Das ägyptische Staatsfernsehen überträgt die Urteilsverkündung live. Ausländischen Medien würden die Bilder für 7000 bis 10.000 Dollar (bis zu 8100 Euro) zur Verfügung gestellt, berichtete die Nachrichtenagentur Mena. Die ersten Anhörungen waren ebenfalls live übertragen worden. Als dann die Zeugen vernommen wurden, hatte der Gerichtspräsident aber einen angeordnet.
Notstand endet nach 31 Jahren
Zufällig endete kurz vor der Urteilsverkündung für Mubarak der seit 1981 herrschende Notstand. In der Nacht zum Freitag wurde der Zustand, der Teile der Verfassung automatisch außer Kraft setzt, aufgehoben. Die Notstandsgesetze waren nach der Ermordung von Präsident Anwar al-Sadat ausgerufen worden. Juristen erklärten in den staatlichen Medien, dass die Notstandsgesetze an sich nicht aufgehoben sind, sondern nur der Notstand. Dieser kann also weiterhin jederzeit wieder ausgerufen werden. Er ermöglicht unter anderem Prozesse gegen Zivilisten vor Militärgerichten.
Der Oberste Militärrat veröffentlichte im Zusammenhang mit dem Ende des Notstandes eine Stellungnahme, in der es nach Angaben der Staatsmedien heißt: "Die Armee schützt in dieser wichtigen Phase weiterhin die Nation und das Volk."
Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP