Martin Schulz in der Knesset Ging die Israel-Schelte zu weit?
13.02.2014, 14:10 Uhr
Auftritt mit Folgen: Martin Schulz während seiner Rede im israelischen Parlament.
(Foto: imago/David Vaaknin)
Eklat, Affront, Geschmacklosigkeit - für seine Rede in der Knesset erntet Martin Schulz viel Kritik. Hat sich der Deutsche wirklich im Ton vergriffen oder waren seine Bemerkungen richtig? n-tv.de macht den Faktencheck.
Nein, entschuldigen will sich Martin Schulz nicht. Natürlich könne er nicht nur die Dinge sagen, die "allen gefallen". Er habe doch "eine proisraelische Rede" gehalten und die, denen sie nicht gefallen haben, gehörten schließlich einer "Partei der Hardliner an".
Auch am Tag nach Schulz' Auftritt im israelischen Parlament in Jerusalem ist die Aufregung nicht verflogen. "Ich akzeptiere keine Lügen von einem Deutschen", schreibt Naftali Bennett, der Wirtschaftsminister Israels aus der rechten Siedlerpartei "Jüdisches Haus", bei Facebook. Die "Bild"-Zeitung" attestiert Schulz "Geschmacklosigkeit" und wittert eine "kalkulierte Attacke". Die linksliberale israelische Zeitung "Haaretz" spricht von einem "Tiefpunkt" der politischen Kultur in der Knesset, die einem peinlichen "Kindergarten" gleiche.
Hat der EU-Parlamentschef, der seine Rede auf Deutsch hielt, sich wirklich im Ton vergriffen? n-tv.de hat die Äußerungen des Sozialdemokraten auf seine Richtigkeit überprüft.
Israelis verbrauchen mehr Wasser
Schulz berichtete in der Knesset von einer Begegnung mit einem Palästinenser. Dieser habe ihm erzählt, dass ein Israeli 70 Liter Wasser am Tag verbrauchen dürften und ein Palästinenser nur 17. Der SPD-Politiker warf daraufhin die Frage auf, ob das stimmt, räumte aber auch ein, dass er die Daten nicht überprüft habe. Daraufhin brach im israelischen Parlament ein Tumult aus.
Tatsächlich verbraucht Israel wesentlich mehr Wasser als die Palästinenser. Laut Zahlen von Amnesty International und der UN hatten die Israelis im Jahr 2012 einen durchschnittlichen Wasserverbrauch von 242 Litern pro Tag, bei den Palästinensern betrug er lediglich 73 Liter. "Das liegt aber nicht so sehr daran, dass die Israelis den Palästinensern das Wasser abdrehen", sagt Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik".
Einer der Gründe für den ungleichen Verbrauch ist der Wasserverlauf. Es gibt zwei große Aquiferen, die vom Norden durch die Westbank und dann in israelisches Gebiet verlaufen. "Die Wasserverteilung wird im Großen und Ganzen von den Israelis geregelt", erklärt Tempel. "Sie haben die Souveränität über weite Teile der Westbank und geben die Erlaubnis zum Brunnenbau." Teil des Problems sei jedoch, dass die palästinensischen Behörden ein schlechteres und weniger effizientes Wassermanagement hätten. Knapp 200.000 Palästinenser leben sogar in Gebieten, wo sie völlig von der Wasserversorgung abgeschnitten sind.
Fazit: Der Hinweis von Schulz ist richtig. Es gibt eine unfaire Verteilung von Wasser. "Das ist jedoch hauptsächlich dem Wasserverlauf geschuldet", sagt Tempel. "Wasser hält sich eben nicht an Staatsgrenzen." Sinnvoll wäre es jedoch gewesen, wenn Schulz die Daten vorher überprüft hätte. "70 zu 17 ist eine Quatsch-Zahl". so Tempel.
Schulz verwechselt Ursache und Wirkung
Israels Blockade des palästinensischen Gazastreifens treibe Menschen in die Verzweiflung, sagte Schulz in seiner Rede. Den Palästinensern werde unbegrenzte Bewegungsfreiheit verwehrt. Tatsächlich gibt es eine Blockade des Gazastreifens, sowohl von ägyptischer als auch von israelischer Seite. Als Jassir Arafat 1993 nach Gaza zurückkehrte, war dies noch nicht der Fall. Doch dann spitzte sich die Situation zu. Zunächst häufte sich die Zahl der Selbstmordattentate durch Palästinenser. Nach dem Wahlsieg im Jahr 2006 stellte die Hamas die Regierung. Sie vertrieb die Fatah aus Gaza und begann mit dem Raketenbeschuss. Daraufhin reagierte Israel mit einer Blockade, die bis heute anhält.
Fazit: Schulz verwechselt Ursache und Wirkung und macht es sich in seiner knappen Erklärung zu dem komplexen Nahostkonflikt etwas einfach. Israel hat die Blockade nicht einfach so begonnen. Auslöser waren die radikalen Gruppen, auf die Israel reagiert hat. Ob dies ein effektives Mittel sei, um die Angriffe zu stoppen, sei jedoch fraglich, so Tempel. "Den Raketenbeschuss gibt es ja immer noch."
Kritik am Siedlungsbau ist legitim
Schulz monierte in der Knesset auch den Bau israelischer Siedlungen in den Palästinensergebieten. Das Völkerrecht legt fest, das Siedlungen in ungeklärten Gebieten illegal sind. Doch daran halten sich die Israelis häufig nicht. Sie bauen in vielen Gebieten, die ihnen in den Plänen zwar zugeschlagen wurden. Diese seien jedoch nicht unterschrieben und damit auch nicht verbindlich, weil es kein gültiges Friedensabkommen zwischen Israel und Palästina gibt.
Fazit: Die Israelis darauf hinzuweisen, dass der Siedlungsbau falsch ist, ist völlig legitim. Tempel wundert es nicht, dass ausgerechnet die Abgeordneten der Siedlerpartei die Knesset verlassen haben. Der größte Teil der Abgeordneten sei jedoch im Saal geblieben und habe Schulz applaudiert.
Warum die Rede so heftige Reaktionen ausgelöst habe? Als Gast und dazu als Deutscher im israelischen Parlament Kritik zu üben, sei eben durchaus gewagt, sagt Tempel. "Er lag in vielen Punkten richtig, aber wie Schulz eben ist, reitet er gerne mal die Kavallerie. Das kommt nicht immer gut an."
Quelle: ntv.de