Schwarz-Gelb einig Gorleben soll Endlager werden
14.10.2009, 17:15 Uhr
Besucher in einer Wanderausstellung des Bundesamtes für Strahlenschutz in Magdeburg. Union und FDP glauben, ein Endlager gefunden zu haben.
(Foto: dpa)
Die Umweltpolitiker von Union und FDP haben sich auf Teile der künftigen Energie- und Umweltpolitik verständigt. So soll das niedersächsische Salzbergwerk Gorleben sofort als mögliches Atommüll-Endlager erkundet und der von Rot-Grün bis Herbst 2010 verhängte Erkundungsstopp aufgehoben werden.
In den Vereinbarungen der Umwelt-Arbeitsgruppe von Union und FDP heißt es der Deutschen Presse-Agentur zufolge: "Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle" aus Kernkraftwerken.
Die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU), die der Arbeitsgruppe angehört, sagte der "taz", die Erkundung von Gorleben habe Vorrang. "Die Diskussion darüber, ob wir gegebenenfalls parallel an anderen Standorten arbeiten sollten, läuft derzeit noch", so Gönner, die als neue Bundesumweltministerin im Gespräch ist.
Die Verlängerung der Laufzeiten der noch 17 deutschen Atommeiler soll "voraussichtlich" nicht in Jahren ausgedrückt werden, so Gönner: "Wir werden sagen, dass die Laufzeitverlängerung entlang von Sicherheitskriterien erfolgen wird." Es gehe darum, "zunächst ein Gesamtenergiekonzept aufzustellen. Erst dann wissen wir wie lange wir die Atomenergie als Brückentechnologie brauchen." Für dieses in der Umwelt-Arbeitsgruppe lange umstrittene Konzept hatte sie bereits im Interview mit n-tv.de geworben.
Laut Deutscher Presse-Agentur sind sich die Umweltpolitiker von Union und FDP darin einig, erneuerbare Energien weiter ausbauen und fördern. Der unbegrenzte Vorrang der Stromeinspeisung ins Netz soll für Strom aus Windkraft, Sonnenenergie und anderen erneuerbaren Energien erhalten bleiben. "Zu hohe" Förderungen bei Solar-Freiflächenanlagen werden korrigiert. Mit dem sonnenreichen Nordafrika wird ein Stromverbund angestrebt.
Greenpeace warnt vor "Atom-Deal"
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnte Union und FDP vor einem "Deal" mit den Stromkonzernen. Die Idee, dass die Unternehmen ihre Gewinne aus eventuellen Laufzeit-Verlängerungen von Atomkraftwerken künftig zur Hälfte in die Entwicklung alternativer Energien investieren sollten, sei ein Täuschungsmanöver, sagte Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer. Der sogenannte Atomfonds sei eine "Mogelpackung", mit der die unpopuläre Aufkündigung des Atomausstiegs begründet werden solle. Geld für regenerative Energieformen ließe sich laut Greenpeace besser mit einer Steuer abschöpfen, die auf Atomstrom-Gewinne erhoben wird.
Nach Berechnungen des Berliner Öko-Instituts im Auftrag von Greenpeace erbringt das von CDU/CSU und FDP favorisierte Fondsmodell in den kommenden vier Jahren abhängig vom Marktpreis für Strom lediglich 1,7 bis 2,7 Milliarden Euro. Das sei verglichen mit den heute bereits üblichen Fördergeldern für alternative Energien eine "vergleichsweise kleine" Summe. Erst ab 2018 würden Einnahmen in relevanter Größenordnung fließen, sagte der Autor der Studie, Felix Matthes.
Mit einer Atomsteuer könnten dem Bundeshaushalt nach Greenpeace-Angaben dagegen allein zwischen 2010 und 2013 bis zu 13, 9 Milliarden Euro zufließen, sofern der Atomausstieg in Kraft bleibe. Die Summe könnte der Staat dann sehr gezielt in die Erforschung alternativer Energiequellen, aber auch zur sicheren Lösung des Atommüll-Endlagerproblems oder zum Schuldenabbau verwenden, ergänzte Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. Die Steuer sollte auf die Gewinne erhoben werden, die ältere und bereits abgeschriebene Atomkraftwerke bereits heute erwirtschafteten. Nach Angaben von Matthes vom Öko-Institut verdienen die Betreiber mit einer solchen Anlage derzeit 1,1 bis 1,6 Millionen Euro am Tag.
Deutscher Atommüll in Russland?
Auch Deutschland hat nach Angaben von Atomkraft-Gegnern radioaktive Abfälle nach Russland verschickt. "Seit 1996 wurden aus der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau etwa 22.000 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid nach Russland transportiert", erklärte die Anti-Atom-Organisation "Ausgestrahlt".

Atomkraftgegner protestieren vor der Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs. Dort tagen Fachgruppen der Koalitionsverhandlungen von Union und FDP.
(Foto: dpa)
Ein Sprecher des Umweltministeriums wies die Meldung in Berlin zurück und sagte, es sei auszuschließen, dass deutscher Atommüll in Russland lagere. Bei dem geschilderten Fall handele es sich nicht um Atommüll, sondern um eine Vorstufe der Atomkraftnutzung, der Brennstoffherstellung. "Das Thema ist Im- und Export von an- und abgereichertem Uran. Das ist auch gar nicht neu", sagte der Sprecher.
Jochen Stay, Sprecher von "Ausgestrahlt", sagte demgegenüber: "Die deutschen Stromkonzerne entsorgen ihren Atommüll seit Jahren illegal in Sibirien. Einmal mehr ist bewiesen, dass die Atomindustrie ihren Müll genauso entsorgt wie die Mafia in Italien: Sie kippt ihn einfach irgendwo hin."
Nach Zeitungsberichten über die illegale Entsorgung von französischem Atommüll nach Sibirien, hatte die französische Regierung am Dienstag eine interne Untersuchung beim staatlichen Atomkraftbetreiber EDF befürwortet. Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno sagte, sie wolle aber "keine übereilte Entscheidung" treffen und erst alle Informationen sammeln. Die Tageszeitung "Libération" hatte berichtet, dass EDF seit den 90er Jahren jährlich 108 Tonnen Atommüll nach Russland verschickt habe, welcher unter freiem Himmel gelagert werde. EDF hatte dementiert, dass es sich um Atommüll handele.
Sicherheitsmängel beim AKW Lingen
Der scheidende Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht Sicherheitsmängel beim Atomkraftwerk Lingen im Emsland. Sein Ministerium bezweifelt, dass ein Störfall durch einen Kühlmittelverlust in dem Kernkraftwerk beherrschbar wäre. Das Ressort fordert deshalb Nachbesserungen und setzte eine Frist bis Ende November. Das FDP-geführte Landesumweltministerium als zuständige Atomaufsicht sieht dagegen keine Probleme. Die Forderungen seien nicht nachvollziehbar, sagte eine Sprecherin in Hannover.
Der Atomkraftwerk-Betreiber RWE Power wies die Bedenken des Bundesumweltministeriums zurück. "Es gibt überhaupt keinen Anlass, an der Sicherheit der Anlage zu zweifeln", sagte ein Sprecher. Das Kernkraftwerk gehöre zu den jüngsten und sichersten weltweit. Zudem seien bei einer Revision zuletzt weitere Verbesserungen vorgenommen worden. Der 1400 Megawatt-Reaktorblock in Lingen war 1988 in Betrieb gegangen.
Das Landesumweltministerium hatte Gabriels Haus Anfang Oktober mitgeteilt, dass die Bedenken gegen das AKW Emsland unbegründet seien. Damit sei das Bundesministerium aber noch nicht zufrieden, sagte eine Sprecherin des Ministeriums in Hannover. Nun soll der Betreiber bis Ende November eine erneute Stellungnahme abgeben.
Der Streit zwischen Niedersachsen und dem Bundesumweltministerium um das AKW Emsland schwelt seit Monaten. Im Juli wurde der Reaktor nach einem Zwischenfall abgeschaltet. Das AKW konnte erst nach der Zustimmung aus Berlin wieder Anfang August ans Netz gehen. Damals hatte es geheißen, das Umweltministerium habe keine Einwände mehr.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP