Politik

Sommerwahl in Dänemark "Gucci-Helle" pokert hoch

Helle Thorning-Schmidt will es wissen und ruft die Dänen früher an die Wahlurnen.

Helle Thorning-Schmidt will es wissen und ruft die Dänen früher an die Wahlurnen.

(Foto: dpa)

Dänemarks Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt kämpft um ihr Amt und lässt früher wählen. Die Sozialdemokratin geht davon aus, dass die Wähler den Weg raus aus der Rezession mit ihrem Namen verbinden. Sicher ist das aber nicht.

"Iss den Fisch, wenn er noch frisch ist und verheirate deine Tochter, solange sie jung ist", lautet ein altes dänisches Sprichwort. Natürlich bezieht es sich auf eine Zeit, in der die Jungen bei der Eheschließung noch auf den Segen der Eltern angewiesen waren. In der Regel hatten die Alten dabei den sozialen Aufstieg ihrer Sprösslinge im Blick. Aber nicht nur, denn auch für sie sollte dabei etwas herausspringen.

Thorning-Schmidts Amtsvorgänger Lars Løkke Rasmussen möchte ihr Nachfolger werden.

Thorning-Schmidts Amtsvorgänger Lars Løkke Rasmussen möchte ihr Nachfolger werden.

(Foto: dpa)

Ob Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt an frischen Fisch beziehungsweise die schwierigen alten Zeiten gedacht hat, als sie den 18. Juni als Termin für die Parlamentswahl ausgab, ist eher unwahrscheinlich. Die 48-jährige Sozialdemokratin hat aus ihrer Sicht etwas Frisches und Attraktives im Angebot und will deshalb ihre Dänen, die es eigentlich gewohnt sind, im Herbst zu votieren, so schnell wie möglich an den Wahlurnen sehen. Und Thorning-Schmidt scheint sehr zufrieden über ihren Coup vom 27. Mai zu sein, denn sie hat sich nach eigener Aussage "auf den heutigen Tag gefreut". Woher kommt diese Freude, die reichlich aufgesetzt wirkt?

Die Antwort gibt Thorning-Schmidt selbst. Es ist die bessere wirtschaftliche Lage Dänemarks, die die Regierungschefin zu diesem mutigen Schritt animiert hat. Einen Tag vor ihrer Wahlankündigung hatte sie die Krise im kleinen Königreich für beendet erklärt und einen milliardenschweren Plan für den dänischen Sozialstaat aufgelegt. "Dänemark steht wieder auf den Schienen, wir haben die Krise hinter uns gelassen", so Thorning-Schmidt ganz euphorisch. Deshalb müsse die Bevölkerung nach ihrer Meinung zur derzeitigen Regierungspolitik befragt werden.

Krisenfeste Ministerpräsidentin

Für die Ministerpräsidentin ist zu diesem Zeitpunkt Angriff die beste Verteidigung. Die Mitte-Links-Koalition aus Thorning-Schmidts Sozialdemokraten und sozialliberaler Radikaler Venstre liegt gemeinsam mit ihren Verbündeten, Sozialistische Volkspartei und rot-grüne Einheitsliste, deutlich hinter der Opposition aus dem Mitte-Rechts-Lager.

Eine teure Tasche muss sein: "Gucci-Helle" auf dem Weg zum EU-Gipfel in Brüssel.

Eine teure Tasche muss sein: "Gucci-Helle" auf dem Weg zum EU-Gipfel in Brüssel.

(Foto: dpa)

Die Regierungschefin pokert also hoch und könnte sich, wenn alles schiefläuft, in der Opposition wiederfinden. Aber Thorning-Schmidt hat bereits bewiesen, dass sie mit schwierigen Situationen umgehen kann. 2011 bildete sie eine Regierung, obwohl die Sozialdemokraten mit 24,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 100 Jahren eingefahren hatten und nur zweitstärkste Kraft hinter der liberalen Venstre des damaligen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen (26,7 Prozent) wurden. Dieser wurde wegen des desolaten Abschneidens seiner Regierungspartner Konservative Volkspartei (4,9 Prozent) und Liberale Allianz (5,0 Prozent) aus dem Amt gefegt.

Zudem sorgte Thorning-Schmidts extravagantes Auftreten - sie trug sogar bei einem Besuch im Bürgerkriegsland Libyen eine Gucci-Tasche - für Kritik. "Wir können doch nicht alle gleich aussehen", so die Antwort von "Gucci-Helle", deren Partei während der zu Ende gehenden Legislaturperiode zeitweise auf einen unterirdischen Wert von 17,5 Prozent abgestürzt war.

Dass sie krisenfest ist, bewies Thorning-Schmidt spätestens Anfang 2014, als die Sozialistische Volkspartei, die den Sparkurs nicht mehr mitmachen wollte, die Regierung verließ. Seitdem steht Thorning-Schmidt einem Minderheitskabinett aus Sozialdemokraten und Sozialliberalen vor, das von den Sozialisten allerdings toleriert wird.

Auf Stimmenfang: DF-Chef Kristian Thulesen Dahl.

Auf Stimmenfang: DF-Chef Kristian Thulesen Dahl.

(Foto: Scanpix Denmark)

Aber auch das gegnerische Lager ist alles andere als geschlossen. Rasmussen, der nicht zum Volkstribun taugt und bei den Dänen unbeliebter als die Ministerpräsidentin ist, muss mit Einbußen rechnen. Seine Venstre liegt derzeit nur knapp über 19 Prozent. Will er Regierungschef werden, wird er mit der Dänischen Volkspartei (DF) koalieren müssen, weil ein Bündnis nur mit Liberaler Allianz und Konservativen zu schwach sein würde. In der Zeit von 2001 bis 2011 hatten die Rechtspopulisten von Pia Kjærsgaard die bürgerlichen Minderheitsregierungen von Anders Fogh Rasmussen und Lars Løkke Rasmussen toleriert und eine restriktivere Einwanderungspolitik durchsetzen können. Diesmal muss Rasmussen sogar fürchten, dass die Truppe von Kjærsgaards Nachfolger Kristian Thulesen Dahl noch stärker als seine Venstre wird. Etwaige Koalitionsverhandlungen könnten sehr schwierig werden.

Politischer Spagat

Dazu will es Thorning-Schmidt nicht kommen lassen. In den letzten beiden Wochen haben sich die Sozialdemokraten in den Umfragen weiter stabilisiert. Sie liegen knapp über 25 Prozent und damit leicht über ihrem Ergebnis von 2011. Im Kopenhagener Parlament (Folketing) wären sie stärkste Partei. Allerdings droht den potenziellen Koalitionspartnern Radikale Venstre und Volkspartei ein deutlich schwächeres Ergebnis als vor fast vier Jahren. Die Einheitsliste könnte zwar zugewinnen, aber sie vereint ein Sammelsurium aus Grünen, Sozialisten und Kommunisten und ist für Thorning-Schmidt zu unberechenbar für die Regierungsarbeit.

Um ihre Sozialdemokraten noch stärker zu machen, versucht die Regierungschefin Stimmen aus dem Mitte-Rechts-Lager zu bekommen. Dazu gehört auch eine striktere Einwanderungspolitik. "Wenn du nach Dänemark kommst, sollst du arbeiten", heißt es in einer sozialdemokratischen Kampagne. Thorning-Schmidt wildert im Revier der Rechtspopulisten, erntet aber damit scharfe Kritik im linken Lager.

Dieses versucht die Ministerpräsidentin mit Investitionen im Wohlfahrtsbereich bei Laune zu halten. Dieser sogenannte Plan für den Sozialstaat ist für die Zeit bis 2020 aufgesetzt worden und kostet umgerechnet mehr als fünf Milliarden Euro. Unter anderem sollen die Bereiche Bildung und Gesundheit von diesem Programm profitieren. Thorning-Schmidt streichelt die sozialdemokratische Seele.

Doch honorieren die Dänen diesen politischen Spagat der Kabinettschefin? Sie, die laut einer Studie aus dem Jahr 2013 von Sustainable Development Solutions Network (SDDSN) im Auftrag der UNO im glücklichsten Land der Welt leben, sind nicht immer glücklich mit ihren Regierungen gewesen. Ob die Dänen die verbesserte wirtschaftliche Lage als Verdienst ihrer Regierungschefin ansehen, ist fraglich. Schon Voten in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Wähler auf Jütland, Fünen, Seeland und anderswo immer für eine Überraschung gut sind.

Quelle: ntv.de

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