"Bleibe ein Zoon politikon" Guttenberg weiß es besser
24.11.2011, 11:33 Uhr
Ex-Verteidigungsminister Guttenberg befasst sich nun mit größeren Zusammenhängen. Dies macht er in seinem ersten großen Interview nach der Plagiatsaffäre klar, in dem er sich als ganz der Alte erweist. Parteien und Politikern gibt er Ratschläge, er beklagt das Fehlen von Köpfen - und spricht über Ehre und ein mögliches Comeback.

Gibt es irgendwann wieder solche Bilder? Guttenberg als Bundeswirtschaftsminister 2009.
(Foto: dapd)
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will . So viel wird deutlich, als er sich nun erstmals nach seinem wegen der Plagiatsaffäre ausführlich öffentlich äußert. "Deutschland ist meine Heimat. Dort bin ich fest verwurzelt. Und ich bin viel zu verliebt in diese Heimat, als dass ich ihr einfach so den Rücken kehren könnte", sagt Guttenberg, der inzwischen in den USA lebt, der "Zeit". Und er stellt fest: "Dass ich ein politischer Mensch, ein Zoon politikon, bleibe, steht außer Frage." Zwar gebe es keine konkreten Comebackpläne, aber ausschließen will der gefallene Politikstar nichts. Auch eine Rückkehr vor der Bundestagswahl 2013 nicht.
Denn letztlich, so der unterschwellige Tenor Guttenbergs, fehlt es Deutschland ja an kernigen Menschen und Köpfen. Schon am vergangenen Wochenende kritisierte er auf einer Konferenz in Kanada die politische Klasse und sprach von einer "Krise des Verständnisses" und einer " ". In dem Interview nun, das ein Auszug aus seinem bald erscheinenden Buch ist, wird seine Klage konkreter: "Den Menschen mangelt es in der Politik generell an Köpfen, die für gewisse Inhalte stehen. Die bereit sind, für Inhalte zu streiten, und nicht die Segel streichen, wenn der Wind mal sehr eisig bläst." Zwar gebe es herausragende Köpfe in den Parteien, doch seien sie "rar gesät". Die Parteien seien von einer "Infektion" befallen, dabei müssten sie verstehen, dass sie "bei der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung heute keine dauerhafte Bindekraft mehr haben".
Wie er sich schon als Minister gerne von den Politikern in Berlin distanzierte, kritisiert Guttenberg nun die "Phrasen und die immergleichen Scharmützel" der Politik und sieht Deutschland in einem schlechten Zustand: "Es gibt einfach genug, woran es in unserem Land weiterhin dramatisch hapert und wo mitunter Mutlosigkeit, ja sogar Feigheit in der Herangehensweise bei notwendigen Veränderungen festzustellen ist."
Dabei nimmt Guttenberg auch die CSU, in der zuletzt auffällig wenig über ihren einstigen Liebling zu hören war, von seiner Kritik nicht aus. Die Partei, deren Mitglied er "zurzeit" noch ist, wie er sagt, habe noch "einen langen Weg zu gehen", um von der Abwärtsbewegung der sogenannten Volksparteien nicht ergriffen zu werden. Wenn sie sich selbst als letzte verbliebene Volkspartei bezeiche, könne ihr das "im Zweifel als Hybris ausgelegt werden" und wirke wie eine Verhöhnung früherer Träume.
"Juristisch sauber" bleiben
Ratschläge gibt Guttenberg auch dem Nachfolger auf dem Lehrstuhl seines Doktovaters, Oliver Lepsius. Dass dieser ihn einen Betrüger genannt habe, zeuge nicht "von großer juristischer Kunstfertigkeit". Er solle schon "juristisch sauber" bleiben. Darauf legt Guttenberg wie schon in den ganzen Monaten seit Bekanntwerden der Plagiatsaffäre wert: "Es war kein Betrug". Die Staatsanwaltschaft Hof hatte am Mittwoch mitgeteilt, aus der Dissertation seien "23 Textpassagen als strafrechtlich relevante Urheberrechtsverstöße herausgearbeitet" worden.
Guttenberg bleibt bei seiner Verteidigungsstrategie, dass er nicht vorsätzlich getäuscht habe, sondern mit seiner Doktorarbeit schlicht überfordert gewesen sei. Seine Dissertation sei "das fatale Ergebnis einer chaotischen und ungeordneten Arbeitsweise". Und er gesteht weiter ein: "Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler." Immer dann, wenn er meinte, dass etwas zum Thema gepasst habe, habe er es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt. "Eigentlich war das eine Patchwork-Arbeit, die sich am Ende auf mindestens 80 Datenträger verteilt hat", so Guttenbergs Eingeständnis. Und er kommt zu der Erkenntnis: Er hätte sich die "wissenschaftliche Kärnerarbeit" antun müssen, "die sorgfältige Detailarbeit, gerade das korrekte Einarbeiten".

Das Interview in der "Zeit" ist ein Auszug dem Buch "Vorerst gescheitert", das am Dienstag erscheint.
(Foto: dpa)
Inzwischen ist Guttenberg klar: "Ich habe mit dem Abfassen dieser Doktorarbeit die, noch mal, größte Dummheit meines Lebens begangen. Das bedauere und bereue ich von Herzen." Und diese Reue könne er nicht so eben abschütteln, auch wenn er damit beginnen könne, "die Dinge innerlich abzuarbeiten".
Aber auch in dem Interview möchte Guttenberg das Wort "abschreiben" nicht verwenden. Schließlich habe bei ihm der Vorsatz gefehlt und das sei ein wichtiger Unterschied, weil es auch "mit der eigenen Ehre" zu tun habe. Und er bringt wieder seine Erziehung ins Spiel: "Wenn ich wüsste, dass ich das absichtlich gemacht hätte, würde ich dazu stehen. So bin ich auch erzogen worden." Dagegen hatte eine Kommission der Universität Bayreuth festgestellt, Guttenberg habe in seiner Dissertation "vorsätzlich getäuscht".
"Schwer gezeichnet"
Guttenberg, der inzwischen in neuer Anmutung ohne Brille und Gel auftritt, sieht sich in der ganzen Affäre nicht so richtig gut behandelt. Als er im Bundestag Rede und Antwort stehen musste, sei dies "einer der erniedrigsten und bittersten Momente" seines Lebens gewesen. Die Angriffe hätten ein Ausmaß angenommen, wie man es im Bundestag selten höre. "Es war nicht leicht zu akzeptieren, dass das Präsidium nicht eingeschritten ist."
Er erklärt auch, wie ihn das letzte Jahr getroffen habe. "Ich bin durch das, was sich in diesem Jahr abgespielt hat, auch schwer gezeichnet", sagte er. "Die vergangenen Jahre haben durchaus zu mancher Verbitterung geführt." Immerhin haben die Ereignisse für ihn, der nun als "Distinguished Statesman" für einen in den USA arbeitet, ja auch den Vorzug: "Ich bin zur Tagespolitik auf Distanz gegangen und kann mich wieder etwas mehr mit den größeren Zusammenhängen befassen." Vielleicht führt dies ja noch zu weiteren Erkenntnissen.
Quelle: ntv.de